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optische Täuschung

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Ein ungewagter Gang

Im Bremer Science Center Universum gibt es eine gläserne Brücke über einen vermeintlichen Abgrund. Obwohl kein Geheimnis daraus gemacht wird, dass man letztlich über eine Art transparenten Spiegel geht, der den Blick in die Tiefe herausfordert und man sich auf dem Kopf stehend (gespiegelt) dabei beobachtet, haben manche Menschen Angst darüber zu gehen. Um nicht als Angsthase zu gelten, gehen manche mit sturem Blick nach vorn darüber, um von diesen für sie offenbar verstörenden Illusionen nichts mitzubekommen.
Auch diesem harmlosen Beispiel zeigt sich einmal mehr, dass der Verstand oft vor der bloßen illusionären Wahrnehmung ins Hintertreffen gerät.

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Auch Insekten können pingelig sein

Als ich gestern einen streifenden Blick über die Blätter der Stechpalme warf, war mir als würde irgendetwas nicht stimmen. Bei genauerem Hinsehen entdeckte ich, dass einige der tiefer liegenden Blätter durch die höher gelegenen hindurchschimmerten. Betrachtet man das untere Blatt links der Mitte, so sieht man in der Tat den schemenhaften Umriss des dahinter liegenden etwas verschwommenen Blattes. Ihr werdet es inzwischen erkannt haben: Das vermeintlich durchsichtige Blatt besteht nur noch aus seinem Rand. Der Rest wurde offenbar von einem hungrigen Tierchen sorgfältig herausgebissen bzw. gefressen. Zu einer anderen Jahreszeit hätte ich auf eine Schnecke getippt. Dies sieht mir aber eher als Werk von Insekten aus. Bei einigen anderen Blättern der Stechpalme sieht man bereits den Beginn eines ähnlichen Kahlfraßes. Wenn man dem Tierchen keine Pingeligkeit oder ästhetische Ambitionen unterstellen will, bleibt nur der Schluss, dass ihm der Blattrand zu hart ist. Wer sich an dieser Stechpalme einmal geratscht hat, wird dafür Verständnis aufbringen.

Optische Täuschung auf der Straße

Als ich einen Spaziergang auf einer ziemlich ramponierten Asphaltstraße unternahm, den Blick in die Ferne schweifen ließ und auf die Straße nur deshalb achtete, um nicht zu stolpern, geriet ich plötzlich ins Stolpern. Es lag zwar kein Grund vor, denn die Straße war an der Stelle nicht schlechter als anderswo, aber sie trug eine „Zeichnung“ die tief in unsere abendländische Wahrnehmung integriert ist. Die wie auch immer durch den Einfluss von Witterung und Benutzung entstandenen Riefen verliefen gerade so, wie man es gelernt hat eine Kuhle auf einem Blatt Papier eine Kuhle zu zeichnen: lauter zum Zentrum hin (dort wo es am tiefsten sein sollte) schwungvoll gezogene Linien.
Es ärgerte mich schon ein wenig, dass ich mich in der vertrauten räumlichen Welt (unbewusst) von Riefen auf einer weitgehend ebenen Fläche dermaßen täuschen ließ. So wäre es beinahe dazu gekommen, dass mich nicht ein reales, sondern ein eingebildetes Hindernis zu Fall gebracht hätte. In welcher Welt lebe ich eigentlich?
Noch ein Wort zur dunklen Färbung des Asphalts. Auch dabei handelt es sich nicht um einen echten Unterschied zur hellen Färbung. Das Wasser eines kurz vorher niedergegangenen Regens hat sich in den Riefen länger gehalten als im übrigen Bereich. Denn die Verdunstungsrate ist überall gleich. Nasse Stellen pflegen dunkler und farbintensiver zu sein als helle, das hatten wir früher schon einmal diskutiert.

Optische Täuschung 13: Perspektive

Der hier mit einem simplen Drahtgitter simulierte Säulengang soll vermutlich die kahle Wand auflockern und den Betrachter einladen, den Gang seiner virtuellen Beschaffenheit entsprechend gedanklich zu betreten. Von außen betrachtet würde jemand der durch den Gang hindurch zum blauen Ausgang strebte, sein blaues Wunder erleben: sie oder er würde wie Alice im Wunderland schrumpfen.
In Rom gibt es einen realen Säulengang, der allerdings kürzer ist, als er erscheint. Menschen die ihn durchqueren werden von außen betrachtet scheinbar größer. Ein echtes Erlebnis! Eine geschickte optische Täuschung eines Architekten aus dem 17. Jahrhundert.

Optische Täuschung und Wirklichkeit

Dieser Anblick ist real. In einer Felsgrotte aufgenommen, die in ihren unterschiedlichen Kammern mit farbigem Licht bestrahlt wird. Beim Betrachten des Fotos gibt es unterschiedliche Sehweisen – unsere Wahrnehmung wird getäuscht, wenn wir nicht auf der Hut sind. Man achte insbesondere auf die beiden Spitzen in der rechten Bildhälfte, die – kämen sie zusammen – sich zum größten Teil aufheben würden.

Täuschende Sandstrukturen am Strand

Diese Sandskulptur ist im Überflutungsbereich eines Sandstrands entstanden. Sie wird von einem dünnen Wasserfilm umspült, der aus den Ausläufern der an den Stand anbrandenden Wellen hervorgeht. Winzige Wellen zeugen vom fließenden Wasser. Die Ringe des etwa 50 cm langen Sandgebildes gehen auf das mit dem anbrandenden und dann über den Strand auslaufenden Wasser zurück, die an ihm zehren und an seiner Substanz knabbern. Da im Verlauf der Ebbe die Wasserhöhe allmählich zurückgeht, entstehen die Ringe immer ein wenig tiefer, sodass die Skulptur ihre treppenartige Umrandung erhält.
Für mich und manche anderen Betrachter sieht die Struktur allerdings nicht erhaben, also aus dem Boden herausragend aus, sondern eher so, als würde sie sich wie ein tiefer Brunnen in den Boden absenken.
Wem das genauso geht, dem sei gesagt, dass diese Ansicht eine veritable optische Täuschung ist. Denn ich habe die Struktur nicht nur fotografiert, sondern vor Eintreten der Flut aus dem Gemisch aus schwarzem und hellem Sand geformt und dann der den natürlichen Abläufen überlassen.

Die Sinne können täuschen

Alles nämlich, was ich bisher am ehesten für wahr gehalten habe, verdanke ich den Sinnen oder der Vermittlung der Sinne. Nun aber bin ich dahintergekommen, daß diese uns bisweilen täuschen, und es ist ein Gebot der Klugheit, denen niemals ganz zu trauen, die uns auch nur einmal getäuscht haben.*

Das gilt auch für eine gewöhnliche Pflasterung. Neben irritierenden vermeindlichen Stufen, die hier durch Fugen und Spiegelungen auf den nassen Steinplatten ins Spiel kommen, treten Farben auf, die an den trocken Stellen kaum in Erscheinung treten. Weiterlesen

Alltagsgrafik mit Alltagstäuschung

Dieses verdunkelte Foto reduziert eine Gebäudefront auf das, was es neben vielem anderen auch ist – eine Fensterfront, so wie sie ein Architekt in einer frühen Annäherung an das Projekt gesehen haben mag. Es zeigt, wie in einer Art Rückwärtsgang frühe Planungsideen freigelegt werden können. Wenn man das Bild betrachtet kann man auch eine Art optischer Täuschung entdecken. Sie besteht zumindest für mich und einige Personen, die ich damit konfrontiert habe, darin, dass das Bild rechts oben keinen rechten Winkel zu haben scheint – jedenfalls wenn man es aus dem Augenwinkel heraus betrachtet. Sobald man diesem Eindruck aber durch genaues Hinsehen nachgeht, verschwindet das Unmögliche – zum Glück.

 

Originalfoto.

Von den blauen Bergen kommen wir

Der Nachkriegsschlager „Von den blauen Bergen kommen wir“ klingt mir noch heute in den Ohren. Als Kinder sangen wir zu der eingängigen Melodie den folgenden „Protestsong“:

Von den blauen Bergen kommen wir,
Unser Lehrer ist genauso dumm wie wir,
Mit der Brille auf der Nase sieht er aus wie’n Osterhase,
Von den blauen Bergen kommen wir.
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Optische Täuschungen 12: Virtuelle Verrückungen

Optische Täuschungen können sich über den rein visuellen Eindruck hinausgehend unmittelbar körperlich auswirken. In einem Kommentar einer früher vorgestellten Täuschung wurde dies bereits im Hinblick auf die schwankenden Parallelen einer aus schwarzen und weißen Fliesen bestehenden Wand geäußert. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel einer Täuschung mit garantiert drastischer Körperwirkung kann man in einigen Science Centern, z.B. dem Phaeno in Wolfsburg erleben und vielleicht sogar erleiden. Weiterlesen

Optische Täuschungen 11: Figur-Grund

Diese Figur-Grund-Täuschung habe ich im Science-Center Phaeno in Wolfsburg entdeckt. Ich stand lange vor diesem Phänobjekt bis der Groschen fiel. Ich habe es ja bereits im Titel verraten, worum es geht: Eine Täuschung der Wahrnehmung bei der man  in mehrdeutigen Situationen zwischen Objekt (Figur) und Hintergrund (Grund) hin und her schwankt. Für mich waren die gedrechselt aussehenden Figuren dominant, bis plötzlich die Zwischenräume ein Eigenleben als Personen mit altertümlichen Gewändern zu führen begannen und die Objekte in den Hintergrund drängten.
Mir ist es auch schon passiert, dass ich gewissermaßen in freier Natur in der eine Täuschung gar nicht beabsichtigt war, massive Steinsäulen zugunsten luftiger Zwischenräume visuell in den Hintergrund gedrängt habe.

Optische Täuschungen 10: Weitere Täuschungen

Optische Täuschungen gibt es nicht nur als raffiniert hergestellte künstliche Objekte, sondern können in zahlreichen Alltagssituationen beobachtet und mit einfachen Argumenten der geometrischen Optik beschrieben werden. Auch wenn das Wort „Täuschung“ meist negativ konnotiert ist, sollte nicht übersehen werden, dass wir in vielen Bereichen der Wahrnehmung, Beschreibung und Erklärung der Welt von optischen Täuschungen profitieren und sie gar nicht als solche ansehen. Dass wir uns auf dieser Gratwanderung zwischen Schein und Sein in extremen oder seltenen Situationen zuweilen genarrt und getäuscht sehen, sollte als unvermeidlicher Tribut an die positiven Aspekte der optischen Täuschung in Kauf genommen werden. Ganz abgesehen davon sind – wie in diesem Beitrag gezeigt werden sollte – viele dieser Täuschungen lustig, faszinierend und die physikalische Intuition herausfordernd. Überdies können sie eine Bereicherung für den Physikunterricht darstellen.
Täuschungen waren auch schon vor dieser Serie Gegenstand dieses Blogs, ohne dass mir bewusst wurde, dass immer wieder neue hinzukommen würden. Einige dieser Beiträge seien hier nocheinmal zusammengestellt:

  1. Täuschung und Enttäuschung
  2. Kippfiguren im Alltag
  3. Qualitative „Spektroskopie“ im Alltag
  4. Schau nicht so genau hin
  5. Von wegen 3D
  6. Licht im Schatten
  7. Eingebildete Farben
  8. Physik am Pool
  9. Wenn der Pool ins Schwimmen gerät
  10. Schwebende Lichtkugel

Optische Täuschungen 9: Wenn Parallelen schwanken

Irgendetwas stimmt hier mit der Fliesenwand nicht. Stimmt, sie sind nicht in der üblichen Weise verarbeitet. Vielmehr sind die einzelnen Reihen abwechselnd um eine halbe Fliesenlänge gegeneinander verschoben verlegt. Man sollte erwarten, dass das keinen großen Effekt auf die Wahrnehmung ausübt. Und doch ist es so. Sie sehen so aus, als ob sie ihre Größe verändern würden. Jedenfalls erscheinen uns die Reihen nicht parallel. Und doch sind sie es. Wenn man nämlich die Reihen Fliese für Fliese mit dem Auge abtastet oder sogar ein Lineal an das Foto anlegt, erweist sich alles parallel und in bester Ordnung. Nimmt man aber die Fliesen als Ganzes in den Blick, machen sie Spirenzchen. Wie sehr man sich auch bemühen mag, es gelingt einfach nicht hier visuell Ordnung hineinzubringen. Man fühlt sich angesichts der einander widersprechenden Wahrnehmungen genarrt. Weiterlesen

Optische Täuschungen 8: Manchmal wird ein Salatsieb zu einem Gesicht

In einem früheren Beitrag wurde bereits die Hohlmaske vorgestellt. Dabei handelt es sich um ein nach innen umgestülptes, konkaves Gesicht, das wir aus einem gewissen Abstand nicht anders als konvex und erhaben im doppelten Wortsinn sehen können. Bei dieser Konkav-Konvex- Täuschung wurde deutlich, dass unsere Wahrnehmung von der Freiheit Gebrauch macht, eine zweidimensionale Darstellung eines dreidimensionalen Gegenstands hinsichtlich der Hohlheit oder Erhabenheit in der einen oder anderen Weise zu beurteilen. Die Entscheidung wird ganz allgemein gesagt so getroffen, dass bei zweideutigen Darstellungen bekannter Gegenstände der vertrauteren Version der Vorrang eingeräumt wird, wenn immer dies möglich erscheint. Weiterlesen

Optische Täuschungen 7: Schwebende Bilder im „Universum“

Wenn nach dem Besuch der auf mehreren Stockwerken verteilten Phänobjekte im Universum, dem Bremer Science Center, auf kürzerem Wege in einem Treppenhaus zum Ausgang hinabgeht, wird man noch einmal durch einige optische Phänomene herausgefordert.
Man erblickt einige farbige Streifen auf der Wand, dem Geländer, der Treppe oder wo auch immer, deren Sinn sich einem nicht sofort erschließt (schwarze Streifen und Flächen im oberen Foto). Erst wenn man sich an eine Stelle begingt, die durch farbige Fußspuren auf dem Boden gekennzeichnet ist, erkennt man worauf das ganze hinauslaufen soll. Es genügt jetzt den Blick noch ein wenig zu justieren, um ein Gebilde vor Augen zu haben, das Sinn ergibt (unteres Foto). Da es aus mehreren in verschiedenen Ebenen Elementen zusammengesetzt ist, suggeriert der visuelle Eindruck, dass das Gebilde irgendwie im Raume schwebt und zwar so, wie es rein topologisch nicht sein könnte. Weiterlesen

Optische Täuschungen 5: Täuschungen der Täuschungen

Bilder und Fotografien sind an sich bereits Täuschungen. Sie erwecken auf der Fläche einen oft täuschend echten Eindruck räumlicher Verhältnisse. Beim Blick auf ein Bild einer hügeligen Landschaft können jedoch manchmal ganz unterschiedliche Eindrücke der Räumlichkeit entstehen. Betrachtet man beispielsweise das  Foto, so fällt auf den ersten Blick kaum etwas auf. Allenfalls die Unwahrscheinlichkeit, mit der derartig verzweigte Erhöhungen in einer realen Berglandschaft zu sehen ist, könnte einem zu denken geben. Vielleicht erkennt aber der eine oder die andere, dass hier ein Bild auf dem Kopf steht. Denn nicht jeder erliegt der Illusion in gleicher Weise.

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Optische Täuschungen 4: Mehr Schein als Sein

Schaut man sich den Säulengang eines Teil des Palazzo Spada in Rom unvoreingenommen an, so wird man nichts Ungewöhnliches entdecken. Erst wenn man eine Person den Gang betretend nach hinten hindurch gehen sieht, wird es merkwürdig (linkes Foto). Zum einen sieht es so aus, als würde die Person wachsen. Zum anderen hat man den Eindruck, sie würde schneller sein, als es den Beinbewegungen entspricht. Am Ende erscheint sie fast so groß wie der Gang hoch ist. Weiterlesen

Optische Täuschungen 3: Perspektivische Täuschung

Im Anschluss an die vorausgegangenen Beiträge (hier und hier) möchte ich hier auf die perspektivischen Täuschungen hinweisen. Sie werden insbesondere in der Zeit der Wiederentdeckung der Perspektive durch Filippo Brunelleschi (1377 – 1446) in der Malerei und später in den nachfolgenden Darstellungstechniken wie Fotografie und Film intensiv genutzt und bestimmen unseren durch Bilder geprägten Alltag in ungeahnter Weise. In den meisten Fällen ist uns die Täuschung bewusst. So würde kaum einer davon ausgehen, dass dreidimensionale Darstellungen auf dem Papier wirklich dreidimensional wären. In geringen Entfernungen haben der Mensch und viele Tiere durch das binokulare Sehen eine Möglichkeit, echte Räumlichkeit von nur perspektivisch erzeugter Räumlichkeit zu unterscheiden. Dabei spielt insbesondere die Parallaxe eine wichtige Rolle. Denn wenn wir den Blick nur etwas verändern, scheinen sich die im Raum gesehenen Gegenstände umso weniger zu verschieben, je weiter sie entfernt sind.
Trotzdem ist man vor Täuschungen nicht sicher. Hier einige Beispiele: In der Kirche San Ignatio in Rom ist ein aufwändiges Deckengewölbe aufgrund von Geldmangel durch eine perspektivische Malerei ersetzt worden (oberes Foto). Weiterlesen

Zungenförmige Sandlawinen am Hang einer Düne

Lawinen gibt es in ganz unterschiedlichen Kontexten und Ausprägungen. Gefürchtet sind die Schneelawinen in Wintersportgebieten. Dass Lawinen auch in Form von Sandlawinen an Dünenhängen auftreten können ist weniger bekannt. Es gibt sie in allen Größenordnungen. Kleinere Lawinen wie die in dem Foto dargestellten – in der vollen Länge etwa 3 m messenden Gebilde – lassen sich leicht beobachten und sind völlig ungefährlich – zumindest für Menschen. Ich habe jedoch Käfer beobachten können, die in einer solchen Lawine verschüttet wurden. Es gibt sogar ein Tierchen, den sogenannten Ameisenbär, der winzige Sandlawinen ausnutzt, um kleine Insekten zu fangen.
Sandlawinen werden meistens durch kleine Störungen ausgelöst. Eine winzige Erschütterung kann ausreichen, um den Sand am Hang in Rutschen zu bringen. Ursache für diese Instabilität besteht darin, dass solche meist leeseitigen Sandhänge vom Wind mit Sand versorgt werden, der über den Kamm geweht wird mit der Tendenz, den Neigungswinkel zu vergrößern. Solche Hänge können jedoch nicht beliebig steil werden. Denn die lockeren Teilchen geraten ab einem bestimmten Schüttwinkel ins Rollen und Rutschen, bis die Neigung wieder unterhalb eines kritischen Winkels ist. Die Lawinen sind also verantwortlich für die ständige Justierung des Schüttwinkels. Indem bei ihrem Abgang oft mehr Sandkörner mitgerissen werden als nötig wäre, um den kritischen Winkel einzuregeln, können sich eine zeitlang wieder Sandkörner ablagern, bis es wieder kritisch wird und erneut Lawinen ausgelöst werden. Wenn ein Abhang keinen einheitlich kritischen Schüttwinkel besitzt, sondern etwas konkav gekrümmt ist, können die im Foto zu sehenden zungenartigen Erhöhungen und Vertiefungen entstehen.
Durch den Abgang des Sandes wird der Hang im betroffenen Bereich flacher, bis die kritische Neigung unterschritten wird und der Sand zum Stillstand kommt.
Im vorliegenden Fall blicken wir auf das Ergebnis unterschiedlich lange zurückliegender Lawinenabgänge. Je länger sie zurückliegen, desto mehr werden die Konturen durch anhaltende Windeinwirkungen verwischt, bis sie schließlich gänzlich verschwinden oder erneut hervorgerufen werden.
Interessant ist, dass manche Betrachter einer optischen Täuschung erliegen: Obwohl die Zungen im unteren Bereich eine Erhöhung (konvex) und die im oberen Bereich eine Vertiefung (konkav) darstellen, erscheint es ihnen und auch mir manchmal gerade umgekehrt zu sein. Dieses merkwürdige Inversionsphänomen wurde bereits früher am Beispiel einer Fußspur und einer Hohlmaske dargestellt.

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Optische Täuschungen 2: Spiegeltäuschung

Eine der bekanntesten Täuschungen besteht darin gespiegelte Gegenstände für real zu halten. Bei einem perfekten Spiegel gibt es rein optisch-visuell kaum eine Möglichkeit die Spiegelwelt von der realen Welt zu unterscheiden. Es sei denn, man vermag beide vergleichend in den Blick zu nehmen. Erst wenn man versucht, in die Spiegelwelt einzutreten, kommt es im doppelten Wortsinn zur Kollision mit anderen Aspekten der Beschaffenheit der Welt. Wer schon einmal gegen eine verspiegelte Wand beispielsweise in Form einer Glastür gelaufen ist, kann dies nur allzu gut bestätigen. Selbst Vögel, die gegen Fensterscheiben fliegen und sich dabei oft schwer verletzen oder gar zu Tode kommen, fallen auf die Spiegelwelt herein. Man versucht, sie vor dieser Täuschung mit einer anderen Täuschung zu bewahren, indem auffällige Aufkleber in der Form von Raubvögeln auf die Scheiben geklebt werden. Dadurch wird zwar die Spiegeltäuschung nicht aufgehoben, aber – so die allerdings wohl unberechtigte Hoffnung –  neutralisiert. Weiterlesen

Tiefer Blick ins Glas

H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 11 (2019) S. 62 – 63

Der gerade Stecken
erscheint im Wasser krumm
Michel de Montaigne (1533–1592)

Eingeschenkte Flüssigkeiten rufen oft erstaunliche Wahrnehmungstäuschungen hervor – selbst wenn es sich nur um Wasser handelt.

In einem Glas mit Sprudelwasser macht sich ein Trinkhalm manchmal selbstständig, steigt auf und kippt möglicherweise sogar heraus (»Fällt er oder fällt er nicht?«, Spektrum Juli 2009, S. 38). In stillem Wasser hingegen steht er ruhig, und die Situation erscheint vergleichsweise reizlos – doch das ändert sich, sobald man genauer hinsieht. Weiterlesen

Optische Täuschungen 1: Täuschungen gehören zum Alltag

Doch sich täuschen zu lassen, gilt nach landläufiger Auffassung als elend.
Ich behaupte dagegen, daß es das größte Unglück ist,
über alle Täuschungen erhaben zu sein. . .
Der Geist des Menschen ist nun einmal so angelegt,
daß der Schein ihn mehr fesselt als die Wahrheit.
Erasmus von Rotterdam

 Der Menschen Sinne sind trügerisch und täuschbar. Das wussten schon die Philosophen der Antike, denen jedoch die physikalischen und physiologischen Ursachen im heutigen wissenschaftlichen Verständnis fremd waren. Aber auch in der heutigen aufgeklärten Zeit trifft man nicht selten auf Phänomene, bei denen man den eigenen Augen nicht trauen kann. Weiterlesen

Täuschung und Enttäuschung

Was sich hier sich als Holzstamm darstellt, ist es nur zum Teil, wie ein Blick aus einer etwas anderen Perspektive zeigt. Es ist ein alter Zaunpfahl verlängert durch seinen Schatten. Hätte man das sehen können? Vielleicht, wenn man die scheinbare Durchdringung des Schattens durch Gräser bemerkt hätte.
Ich selbst habe zunächst einen längeren Pfahl gesehen und bin erst auf das Phänomen aufmerksam geworden, als ich im Vorbeigehen aus dem Augenwinkel zu sehen vermeinte, wie der scheinbar solide Pfahl im oberen Drittel abknickte. Weiterlesen

Kippfiguren im Alltag

Optische TäuschungNoch eimal weiße Säulen. Bekannt ist die optische Täuschung (Figur-Grund-Wahrnehmung), wonach ein Bild von einer Version in eine andere kippt. Oft wird dieses Phänomen mit einer Vase demonstriert, deren Profil ein Gesicht zeigt. Bemerkenswert daran ist, dass man nur eine Version, Vase oder Gesicht, allgemeiner: Figur oder Grund, wahrzunehmen imstande ist, sodass die Wahrnehmung ständig zwischen beiden Versionen hin und her kippt.
Ich war bislang davon ausgegangen, dass dieses Phänomen im Alltag nicht vorkommt. Nun habe ich aber doch eines für einige Tage vor Augen. Auf der Terrasse meines derzeitigen Hotels sehe ich das vorliegende Bild. Wenn ich etwas verträumt darauf blicke, werde ich durch einen merkwürdigen Eindruck „geweckt“: Ich sehe altmodisch gedrechselte dunkle Säulen mit leuchtend grünem Unterteil. Natürlich rückt meine Wahrnehmung den Eindruck sofort wieder zurecht. Säulen sind es schon, die ich sehe, aber sie sind weiß und geben in ihren Zwischenraum den Blick auf einen ebenfalls profilierten Hintergrund frei. Auf dem Foto kann ich den Kippvorgang nahezu beliebig oft wiederholen, obwohl es etwas länger dauert, die „falsche“ Version hervortreten zu lassen. Wie geht es meinen Leser*innen damit?

Fußspur im Sand

Eines Tages, da ich gegen Mittag zu meinem Boot ging, gewahrte ich zu meiner großen Bestürzung am Strand den Abdruck eines nackten, menschlichen Fußes, der im Sand ganz deutlich zu sehen war.

Daniel Defoe (1660 – 1731): Robinson Crusoe Weiterlesen

Licht, Kunst und Naturphänomene – ein einzigartiges Museum

Wer sich für Lichtphänomene interessiert, der sollte es nicht versäumen, das Zentrum für internationale Lichtkunst in Unna zu besuchen. Es lohnt sich. Es lohnt sich sogar extra hinzufahren, wie wir es getan haben. Ich fand die Lichtinstallationen so eindrucksvoll, dass ich von einigen mit eigenen Fotos in den nächsten Tagen berichten werde.
Man durfte nämlich in diesem Museum fotografieren; das machte es von vornherein im Unterschied zu anderen ähnlichen Kunstmuseen äußerst sympathisch. Die weitgehend im ursprünglichen Zustand belassenen Räumlichkeiten einer alten Brauerei, in der das Museum untergebracht ist, stellten zudem einen durchweg passenden Kontext für die verschiedenen Lichtgestalten dar und schufen eine einzigartige Atmosphäre, die man so wohl kaum wiederfindet. Weiterlesen

Abendliche Impressionen

gluhendes_atomkraftwerk_rvWährend einer Eisenbahnfahrt blicke ich von meinem Buch auf und schaue aus dem Fenster. Ich sehe – vielmehr glaube ich zu sehen – den lichterloh glühenden Kühlturm eines Atomkraftwerks. Zum Glück lässt sich dieser der Versunkenheit in der Lektüre geschuldete Schreck schnell wegrationalisieren. Weiterlesen

Der Silberblick des Mondes und die Zentralperspektive

Panoramaaufnahme Mond – Sonne, bei der die Drehachse senkrecht auf der Ebene Mond-Sonne_Kamera stand (Foto: Udo Backhaus)

Backhaus, Udo; Schlichting, H. Joachim. In: MNU Journal 4 (2017) S. 221 – 226

Auch wenn aus optischen Gründen klar ist, dass die beleuchtete Mondseite direkt der Sonne zugewandt ist, gibt es Situationen, in denen es einem Beobachter so scheint, als „schiele“ der Mond an der Sonne vorbei.
Es werden die geometrischen und physikalischen Hintergründe dieses Phänomens beschrieben, das vor einiger Zeit wieder kontrovers diskutiert worden ist. Außerdem werden die Bedingungen genannt, unter denen es wahrzunehmen ist, und Verbindungen zu anderen optischen Phänomenen aus Lebenswelt und Astronomie aufgezeigt. Dabei ergeben sich Vorschläge für Beobachtungen und Foto- bzw. Filmaufnahmen.

Siehe auch: Schielt der Mond?

Perspektiven des Campanile des Doms von Florenz

Dom-FlorenzPerspektivische Elemente spielen in der Renaissance eine große Rolle. Über rein spielerische Aspekte hinaus geht es dabei auch um gezielte Manipulationen der Wahrnehmung. So hat man die einzelnen Etagen des Campanile der Kathedrale nach oben hin größer werden lassen, um die perspektivische Verkürzung auszugleichen. Denn wenn man auf dem relativ engen Vorplatz des Turms steht, muss man den Blick schon ganz schön heben. Es war einigermaßen schwierig, einen Ort für ein verlässliches Vergleichsfoto zu finden. Wenigstens für die beiden oberen Etagen kann man im rechten Foto, das von der Laterne über der Kuppel des Doms aus aufgenommen wurde, erkennen, wie stark die perspektivische Verkürzung tatsächlich ist. Die nach idealisierten Vorstellungen gewünschte Wahrnehmung der Bauwerke war den damaligen Baumeistern ein besonderes Anliegen.
Im Dom selbst können weitere kreative perspektivische „Täuschungen“ bewundert werden, wie in einem früheren Beitrag bereits gezeigt wurde.

Man sieht nur, was man weiß

Jenaer-PerspektivenH. Joachim Schlichting. Vortrag auf dem JENAer Carl-Zeiss-Optikkolloquium, am 8.02.2016 um 15:30 h.

An ausgewählten optischen Alltagsphänomenen wird gezeigt, dass die physikalische Sehweise helfen kann, das längst Bekannte als etwas faszinierendes Neues, den gewöhnlichen und gewohnten Alltag Bereicherndes wahrzunehmen. Dem weit verbreiteten Verdikt der Entzauberung der Welt durch die Physik, halten wir umgekehrt eine Wiederverzauberung durch die Physik entgegen.

Bei meinem Besuch in Jena sah ich das nebenstehende Gebäude, das mich sehr stark an Kirchenmalereien der Barockzeit erinnerten, in denen die Architektur durch perspektivische Malerei täuschend echt fortgesetzt wurde. Auch an diesem Gebäude erkennt man nicht immer auf den ersten Blick, ob es sich um ein reales oder nur gemaltes Bauelement handelt. Ich halte dies Gebäude für eine sehr gelungene optische Täuschung des Alltags. Sie passt ausgezeichnet zum Thema des obigen Vortrags.

Rostros huecos de mirada penetrante

HohlkopfCuriosidades de la fisica

Schlichting, H. Joachim. Investigacion y ciencia 2 (2016), p. 86 – 88

Las máscaras de yeso con el rostro esculpido hacia el interior parecen seguirnos con la mirada ¿A qué se debe?

Se cuenta que la Gioconda sigue con la mirada a quienes la contemplan. Dicho efecto se ha atribuido al ligero estrabismo de la Mona Lisa, pero no es en absoluto exclusivo del célebre retrato. Se da también cuando el personaje mira directamente a la cámara (o a los ojos del pintor) en el momento adecuado. Sin embargo, las vivencias más impactantes de este tipo las encontraremos en algunos objetos tridimensionales.

En 1984, mientras recorría la exposición Phänomena de Zúrich, donde se presentaban fenómenos y divertimentos científico-técnicos de todo tipo, de pronto algo me extrañó. Expuestos en una vitrina, unos rostros de yeso de mirada penetrante parecieron volverse hacia mí; a pesar de que, todo lo más, los estaba viendo con el rabillo del ojo.

Me detuve y me uní a otros visitantes que comentaban el sorprendente fenómeno. Entonces me di cuenta de que los supuestos bustos de yeso no eran tales. Se trataba de rostros huecos, esculpidos hacia dentro. Algunos de los allí presentes hablaban de un truco holográfico para explicar la ilusión, pero sin poder precisar qué querían decir con ello. Pronto quedó claro, sin embargo, que los efectos holográficos no tenían nada que ver.

¿Cómo se generaba entonces aquella ilusión? Para entenderlo, primero hemos de aclarar por qué percibíamos una forma cóncava, esculpida hacia dentro, como si se tratase de un rostro convexo, con estructuras salientes….

PDF: Rostros huecos de la mirada penetrante

Deutsche Version

Schneeflocken mal hell, mal dunkel

mal_hell_mal_dunkel_rvSchlichting, H. Joachim. In: Physik in unserer Zeit 47/1, S. 48

Je nachdem, ob Schneeflocken vor einem hellen oder dunklen Hintergrund gesehen werden, erscheinen sie dunkel oder hell. Ist dieser Farbunterschied real oder eingebildet?

Die Schneeflocken sind alle demselben Sonnen- und Himmelslicht ausgesetzt, sie streuen das Licht in gleicher Weise. Daher müssen alle Flocken gleich hell oder gleich dunkel sein. Der vermeintliche Helligkeitsunterschied ist deshalb nichts als das Ergebnis einer optischen Täuschung (obere Abbildung: Bitte aufs Bild klicken, um den unscheinbaren Effekt in der Vergrößerung sehen zu können). Weiterlesen

Rätselfoto des Monats Dezember 2014

107_Woher_kommt_das_RotWoher kommt das Rot?

Erklärung des Rätselfotos vom Vormonat: Kunstwerke durch Kontaktarmut

Gemalte Gebirgslandschaften am Strand

SandliniengebirgeAm Strand, dem Saum zwischen Wasser und Land, sollte man sich eine Zeitlang auf das ewige Hin- und Her des auflaufenden und ablaufenden Wassers einlassen. Dann bemerkt man vielleicht, dass die sich wiederholenden Vorgänge ähnlich aber nicht identisch sind. Jede neue Welle nimmt eine geringfügig andere Richtung ein als die vorhergehende und läuft unterschiedlich weit auf den Strand auf. Weiterlesen

Hohlköpfe mit stechendem Blick

HohlkopfSchlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 5 (2014), S. 46 – 47

Gipsmasken, deren Gesicht nach innen gestülpt ist, bringen unsere räumliche Wahrnehmung in Schwierigkeiten – selbst wider besseres Wissen.

Die Welt nach links zu drehen,
das wäre eine Beschäftigung,
an der ich dauerhaft Freude haben könnte.
Anne Weber (*1964) Weiterlesen

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