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Rätsel

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Origineller Doppelschatten

H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 53/6 (2022), S. 289

Normalerweise treten so viele Schatten eines Gegenstands auf, wie Lichtquellen vorhanden sind, die diesen aus unterschiedlichen Richtungen beleuchten. Diese physikalische Gewissheit könnte im folgenden Beispiel arg in Zweifel gezogen werden – allerdings nur auf den ersten Blick.

Obwohl in der Abbildung nur die Sonne von schräg oben fast streifend auf die Hauswand und die etwas vorstehende Fensterbank scheint, beobachtet man an dessen Gitterstäben zwei in entgegengesetzte Richtung fallende Schatten.

Der erste Schatten ist plausibel. Seine Länge zeigt deutlich, dass die Sonnenstrahlrichtung nur geringfügig von der Ausrichtung der Hauswand abweicht. Das Zustandekommen der Schatten der Gitterstäbe erschließt sich erst auf den zweiten Blick: Das nahezu parallel zur Hauswand strahlende Sonnenlicht führt dazu, dass ein schmaler Streifen der rechten weißen Fensterleibung vom Sonnenlicht getroffen wird. Dieser erhellte Streifen reflektiert das Sonnenlicht und wird dadurch zu einer nahezu linienhaften Lichtquelle. Diese beleuchtet auch die gegenüberliegenden Seiten der Leibung und hellt diese deutlich auf.

Die beiden in diesem Licht liegenden Gitterstäbe blenden einen ihrer Ausdehnung und Orientierung entsprechenden Lichtstreifen daraus aus, was sich in entsprechenden Schattenlinien bemerkbar macht. Denkt man sich die beiden Schattenabschnitte auf der oberen Seite der Fensterleibung durch Linien verlängert, so treffen sie sich in der Lichtquelle, also auf dem beleuchteten schmalen Streifen der Fensterleibung (rote Linien auf der Abbildung). Dass der Effekt so deutlich ausfällt, ist auch der großen Intensität des Sonnenlichts zu verdanken. Denn wie es in Goethes „Götz von Berlichingen“ bereits heißt: „Wo viel Licht ist, ist starker Schatten.“

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Noch einmal zu den Fenster-Wasserreflexen

Vor einiger Zeit habe ich das Rätsel unbeantwortet gelassen, wie die beiden Reflexe der Sonne in dem realen und dem im Wasser gespiegelten Fenster (Foto) zustande kommen. Denn ich hatte vorher erklärt, dass der Sonnenreflex im Fenster des im Wasser gespiegelten Gebäudes stets ein Stockwerk oberhalb des Reflexes im realen Gebäude auftreten müsse.
Nun habe ich mehrere Mails erhalten, die mich an meine dort gegebene Ankündigung erinnern, ich würde darauf zurückommen. Das will ich hiermit tun, obwohl eine Kommentatorin bereits die korrekte Antwort gegeben hatte. Ich versuche die Erklärung mit Hilfe einer Skizze (untere Abbildung) noch etwas anschaulicher darstellen.

Ausgehend von der Leitfrage, wie die betroffenen Fenster beschaffen sein müssten, um einen solchen Anblick (obiges Foto) möglich zu machen, schaue man sich die Skizze an, in der die Lichtwege eingezeichnet sind, die zu dem Phänomen führen. Demnach müssen sie sich überschneiden. Das ist aber nur möglich, wenn das Fenster mit dem hellen Reflex nicht vertikal ausgerichtet ist, sondern etwas nach hinten gekippt. Das ist aber nichts Besonderes, weil Fenster meistens die Möglichkeit bieten nach innen gekippt werden zu können. Schaut man sich das entsprechende Fenster genauer an, so erkennt man trotz der Überstrahlung durch das intensive Sonnenlicht schemenhaft einen dunklen Schattenstreifen am oberen Rand des Fensters. Dieser Schattenstreifen ergibt sich zwangsläufig, wenn das Fenster auf gekippt gestellt ist, wie man es auch bei weiteren Fenstern des Gebäudes sehen kann.

Fensterreflexe auf den zweiten Blick

Vor einigen Tagen habe ich ein Problem geschildert, bei dem Sonnenlicht sowohl aus dem realen Fenster eines Gebäudes sowie aus dem Fenster des Spiegelbilds des Gebäudes in einem Wasserbecken reflektiert wird. Um dem einen oder der anderen beim eigenen Lösen des Rätsels nicht vorzugreifen, ließ ich die Erklärung offen und hole sie hiermit nach. (Dabei sollte man sich das dort abgebildete Foto noch einmal vor Augen halten. Das aktuelle Foto betrifft ein neues Phänomen.)

Wenn Reflexionsphänomene auf den ersten Blick unverständlich erscheinen, hilft oft eine Zeichnung mit der man (im Rahmen der geometrischen Optik) den Lichtwegen nachspürt. Das habe ich getan (siehe Grafik) und denke, dass die Vorgänge damit veranschaulicht werden können.

Das Sonnenlicht wird natürlich auf der ganzen Häuserfront reflektiert. Wir sehen jedoch je nach unserem Standpunkt nur das Licht, das in unsere Augen gerät. Hier kommt es vor allem auf die spiegelnden Reflexe der Sonnenscheibe selbst an. Die zeigt sich zum einen in der Reflexion des Lichts, das aus dem oberen Fenster gemäß Einfallswinkel = Reflexionswinkel in unsere Augen umgelenkt wird. Zum anderen trifft das im nächst niedrigeren Fenster reflektierte Licht der Sonnenscheibe so auf die Wasseroberfläche auf, dass es von dort in unsere Augen gelangt. Da diese jedoch von dem „Knick“ des Lichtweges auf der Wasseroberfläche nicht „wissen“ können, wird das Licht aus der geradlinigen Verlängerung (gestrichelte Linie) kommend gesehen.

Das heißt aber, dass es in der hier vorliegenden Konstellation so aussieht, als käme das Licht aus dem Fenster der nächst niedrigeren Etage. Eine Reflexion aus derselben Etage wie das direkt reflektierte Licht erscheint also physikalisch nicht möglich. Damit dürfte das Rätsel gelöst sein. Oder?

Schaut man sich das Foto des aktuellen Beitrags im Lichte dieser Erkenntnis an, so scheint es zu zeigen, dass es auch anders geht. Hier scheint das im Wasser reflektierte Sonnenlicht nicht aus der Höhe des nächst niedrigeren Stockwerks zu kommen, sondern aus dem nächst höheren. Kann man da der Physik noch vertrauen? Auch hier hilft wieder eine Zeichnung. Allerdings sollte die begleitende Frage lauten: Wie müssen die betroffenen Fenster beschaffen sein, damit ein solcher Anblick möglich ist.
Ich komme darauf zurück.

Kinder des Lichts und der Nacht

Wir stammen, unsrer sechs Geschwister,
Von einem wundersamen Paar,
Die Mutter ewig ernst und düster,
Der Vater fröhlich immerdar.

Von beiden erbten wir die Tugend,
Von ihr die Milde, von ihm den Glanz;
So drehn wir uns in ewger Jugend
Um dich herum im Zirkeltanz.

Gern meiden wir die schwarzen Höhlen
Und lieben uns den heitern Tag,
Wir sind es, die die Welt beseelen
Mit unsers Lebens Zauberschlag.

Wir sind des Frühlings lustge Boten
Und führen seinen muntern Reihn,
Drum fliehen wir das Haus der Toten,
Denn um uns her muß Leben sein.

Uns mag kein Glücklicher entbehren,
Wir sind dabei, wo man sich freut,
Und läßt der Kaiser sich verehren,
Wir leihen ihm die Herrlichkeit.


Die sechs Geschwister, die freundlichen Wesen,
Die mit des Vaters feuriger Gewalt
Der Mutter sanften Sinn vermählen,
Die alle Welt mit Lust beseelen,
Die gern der Freude dienen und der Pracht
Und sich nicht zeigen in dem Haus der Klagen –
Die Farben sinds, des Lichtes Kinder und der Nacht.

Friedrich Schiller, 1804
Aus der Sammlung Rätsel aus Turandot

Ironischer Fluchtpunkt

Mit ein wenig Verfremdung wird aus einem nahezu flächenhaften „Strahlengebilde“ eine räumliche Struktur mit einer Art Fluchtpunkt. Die perspektivische Betrachtung des Bildes lenkt den Blick des Betrachters auf diesen Punkt. Dabei stellt er fest, dass es dort zu Verschränkungen kommt. Dadurch werden Spekulationen über den Ursprung ausgelöst.

Eine kleine Fusselgeschichte

Vor kurzem bekam ich von Dierk Wendt ein Rätselfoto, das ich doch gerne weitergeben möchte:
Hauptakteur ist ein unscheinbarer Fussel, der im Innern einer Duschkabine liegt. Er stammt vielleicht von einem weißen Handtuch. Nachdem die Duschkabinentür zugeschoben wurde, liegt es nunmehr ansonsten völlig gleich in Form und Lage auf einem Handtuch, das sich ihm gewissermaßen untergeschoben hat. Das ist allerdings in der Berührungslosigkeit, in der das hier geschehen ist, nur möglich, wenn das Handtuch nicht von dieser Welt ist. Weiterlesen

Mehr sehen – durchs Schlüsselloch spähen

Seltsam, diese Begegnung des inneren Auges hinter dem Schlüsselloch, welches sieht und das äußere Auge entdeckt, auf frischer Tat ertappt, ein Delikt des Sehens aus Neugierde, aus Ungewißheit. Derjenige, der nach draußen schaut, um über sich selber hinaus zu sehen, vielleicht das zu sehen, was in der Welt geschieht, oder in sich hinein schaut, zögernd allerdings, so sehr ungenau, daß es, das Auge selbst, nicht mehr weiß, schaut es in die Leere, in die Luft, hinein in den anderen, oder in eine weite Landschaft, die es, einer Erinnerung gleich, entstehen ließ, eine gewollte, eine ausgewählte Kulisse, eine elementare Kraft, die der Hintergrund seines Lebens sein könnte. Dieses Auge also, das auf diesem Stuhl sitzt und durch das Schloß späht, oder womöglich durch die Spalte zwischen den zwei Holzleisten, die die Rückenlehne dieses selben Stuhles bilden, dieses Auge, sage ich, geblendet von der Sonne, die mir in den Rücken fällt, auf den Rücken, in mich hinein fällt durch wie Stahl erhitzte Schultern, hat die Kraft, oder besser die Macht, die Dinge zu enträtseln.*


* Danielle Collombert. Mord. Köln 1993, S. 7

 

Ein Traktoren-Tanzplatz?

„Was das hier wäre?: „Na, ein Traktoren-Tanzplatz; unverkennbar.“ Denn die grobgeperlten, geriffelten, profilierten, conti-gesohlten Spuren überschnitten, kreuzten, ringelwurmten, walzten, derart um- & durcheinander, daß es rational-rationell schwerlich mehr zu erklären war: „Gleich hinter Mitternacht, wenn sich der träge Nordbär umgekehret, mach sie sich los: brummldieknubbldiebrapp“

Hat Arno Schmidt recht?

Die Spuren mit einer Breite von ca. 2 cm wurden übrigens nicht von Traktoren, sondern von Käfern hervorgerufen, die in Wüstengebieten aktiv sind. Diese Aufnahme habe ich in der kleinen „Wüste“ von Maspalomas auf Gran Canaria aufgenommen. Tagsüber sieht man die Käfer kaum, dafür findet man die Spuren am nächsten Morgen umso häufiger vor. Um welche Käfertypen es sich hier im einzelnen handelt, konnte ich bislang leider nicht in Erfahrung bringen.


* ArnoSchmidt (1914 – 1979). Kühe in Halbtrauer. Berlin; 1990, S. 88

Zeit der Blasen…

Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich in die Blase eingestiegen bin/einsteigen musste. Aber jetzt merke ich, dass ich drin bin. Es fängt an hohl zu klingen, sich fremdartig anzufühlen, antiseptisch zu schmecken und…
Aber zumindest sieht man, was draußen passiert und gesprochen wird.
Hier ein paar wichtige Gesprächsfetzen:
Ferkel und Pu „begannen sich freundschaftlich über dies und jenes zu unterhalten, und Ferkel sagte: „Falls du verstehst, was ich meine, Pu“, und Pu sagte: „Genau das finde ich auch, Ferkel“, und Ferkel sagte: „Aber andererseits, Pu, müssen wir auch daran denken“, und Pu sagte:“Sehr richtig, Ferkel, es war mir nur kurz entfallen.„*

 

 


* A.A. Milne. Pu der Bär. Hamburg 1987, S. 62

Das Foto wurde nicht manipuliert. Das muss man in Zeiten der Digitalfotografie manchmal schon hinzufügen.

Weihnachtliche Physik

Nimm dir Zeit (Relativitätstheorie) und

komm zur Ruhe (Mechanik).

Genieße die Reflexionen und Brechungen des Lichts (Optik) und

lausche besinnlicher Musik (Akustik),

lass es dir bei einem warmen Getränk (Thermodynamik) gut gehen,

lade deine Akkus auf (Elektrizität),

lass die Annäherung der Engel zu (Aeronautik)

Fang einen fallenden Stern (Astronomie)

und…. genieße diese Tage!

Ein letztes kleines Rätsel – in diesem Jahr:
Um was für eine Kugel handelt es sich auf dem Foto?

Ich wünsche allen besinnliche und stressfreie Weihnachtstage!

Licht und Schatten zum 4. Advent und Winteranfang

Obwohl die Kerze nicht brennt, wird dem 4. Advent durch 4 Lichter Rechnung getragen. Sie liegen des Kontrastes wegen im Schattenbereich des Kerzenhalters der effektvoll von zwei Halbschattenkreisen zunehmender Helligkeit umgeben ist – ein wahres Clair-obscure-Ereignis. Wer trotz der doppelten Bedeutung des heutigen Tages Lust hat dieses Phänomen physikalisch zu entzaubern, um sich dadurch doppelt verzaubern zu lassen, sei dazu herzlich eingeladen.

Heute wird am 4. Advent der astronomische Winteranfang gefeiert. Wer Winter (in unseren nördlichen Breiten) mit Dunkelheit und tiefstehender Sonne in Verbindung bringt, sollte sich angesichts dieses Tages vor Augen führen, dass ab heute die Tage wieder länger werden. Das – in dieser Hinsicht – schlimmste (?) haben wir hinter uns. Mit einer gewissen Phasenverschiebung steht uns allerdings die kälteste Zeit noch bevor – wenn sie denn kommt.

Rätselhaftes Licht und Schatten

Ein kleines Rätsel außer der Reihe. Vor kurzem wurde ich auf ein angeblich merkwürdiges Phänomen aufmerksam gemacht, das auf dem Foto zu sehen ist. Es zeigt einen Bahnübergang für Fahrradfahrer und Fußgänger. Die hochgezogenen Wände sollen die Menschen vor Berührungen mit den darunter hergehenden Hochspannungsleitungen schützen. Sie lassen ein wenig Licht durch und werfen Schatten. Die Frage war, warum die hellen „Fenster“ keine hellen Reflexe, sondern dunkle Schatten hervorrufen.

Kunst am Bau…

… allerdings eine sehr vorübergehende.

Aber nachdem ein geschreddertes Kunstwerk immer noch als ein solches gelten darf und vielleicht sogar dadurch an Wert gewonnen hat, kann es m.E. erst recht für dieses hier in Anspruch genommen werden.
Einen kleinen Besucher gibt es auch schon.

Weiß jemand, wessen Pinsel hier im Spiel war?

Da kommt was auf uns zu…

Zum Glück ist ein Zaun dazwischen, der das Schlimmste zu verhindern verspricht.
Aber so gefährlich wie die Situation aussieht, ist es gar nicht. Die bedrohlich wirkende Schwärze der Wolke kommt dadurch zustande, dass sie viel niedriger und kompakter ist als die hochstehenden Wolken im Hintergrund. Weiterlesen

Rätselfoto des Monats März 2019

Wie kommt es zu den Abbildungen?


Erklärung des Rätselfotos des Monats Februar 2019

Frage: Ist die Schneeschicht elastisch?

Antwort: Wenn Kinder einen Schneemann bauen, rollen Sie einen Schneeball über den feuchten Schnee. Durch den Druck, der auf den Schnee ausgeübt wird, kommt es zu Sinterungsvorgängen, in denen der Schnee des anfänglichen Schneeballs mit der Schneeschicht zusammenfriert. Da dieser Prozess fortlaufend stattfindet, wird der Schnee zu einer im Durchmesser und durch seitliche Überhänge auch in der Breite wachsenden festen Schneewalze aufgerollt, bis diese groß genug ist.
Dass dieser Vorgang unter bestimmten Bedingungen von selbst auftreten könnte, kann man sich kaum vorstellen. Aber genau das macht uns die Natur im vorliegenden Beispiel vor. Die verhältnismäßig dünne Schneeschicht auf der Windschutzscheibe eines Autos gefriert zunächst zu einer Art Brett. Als es dann am nächsten Morgen wärmer wird und der Schnee im feinen Regen zu schmelzen beginnt, rutscht tauender Schnee von oben her wie ein Keil unter das noch relativ feste Schneebrett, so dass dieses von der Windschutzscheibe weggedrückt wird. Sobald sich der abgehobene obere Teil des Schneebretts über die Senkrechte hinaus  neigt, kommt zusätzlich die Schwerkraft ins Spiel und das Brett krümmt sich von der Scheibe weg. Dass der obere Teil nicht einfach abbricht, zeugt von einer gewissen „Elastizität“, die dadurch hervorgerufen wird, dass an der gestauchten Seite der so entstehenden Schneerolle feinste Verästelungen im porösen Schnee zusammengedrückt werden und dabei wie beim gepressten Schneeball zusammenfrieren. Man kennt das von Eiswürfel aus dem Gefrierfach, die miteinander „verschmelzen“ sobald sie sich berühren. Dieser Vorgang setzt sich solange fort, wie die  Bedingungen dazu erhalten bleiben.

 

Verblüffende Alltagsphysik – Überraschende Antworten auf 33 allgegenwärtige Rätsel

Schlichting, H. Joachim. Spektrum der Wissenschaft Spezial 1.19 (2019), 82 Seiten

Vertrautes aus physikalischer Sicht

Es schien, als seien die umkränzten Lichtkreuze über Nacht in die Welt gesetzt worden. Nachdem ich diese merkwürdigen Objekte an Häuserwänden und Straßen (siehe S. 30) zum ersten Mal entdeckt hatte, sah ich sie von diesem Tag an überall. Freilich müssen die seltsamen Figuren schon vorher immer wieder auf meine Netzhäute gelangt sein, doch ich hatte sie bis dahin nicht bewusst wahrgenommen. Das ist typisch für viele Phänomene im Alltag und in der Natur. Man muss regelrecht lernen, sie zu sehen – und das gelingt am besten, indem man durch möglichst viele Beispiele dazu angeregt wird. Weiterlesen

Rätselhafte Spuren

Weißt du, was schön ist, hier? Schau: wir gehen und lassen alle diese Abdrücke im Sand zurück, und sie bleiben bestehen, ganz deutlich und ordentlich. Aber wenn du morgen aufstehst, wirst du auf diesen großen Strand schauen, und nichts wird mehr da sein, kein Abdruck, kein anderes Zeichen, gar nichts. Das Meer löscht alles aus in der Nacht. Die Flut versteckt alles. Als wäre nie jemand hier entlanggegangen. Als hätten wir nie existiert. Wenn es einen Ort auf der Welt gibt, an dem du meinen könntest, du seiest nichts, dann ist es dieser Ort hier. Nicht mehr Land, noch nicht ganz Meer. Kein unechtes leben, kein echtes Leben. Es ist die Zeit. Zeit, die vergeht. Weiter nichts.* Weiterlesen

Virtuelle Multiplikation von Kugeln

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Nur noch das Rätsel

raetsel_img_6857nDie Welt-Ausrechnung, Allmacht der Neuzeit, vor der auch Diktatoren sich beugen und Alle, die sich sonst hassen, verbrüdern, will alle Dinge entsiegeln. Im Freiraum der Kunst, wenngleich er folgenlos wurde: sie versiegeln sich wieder. Je mehr wissenschaftlicher Aufschluß, desto verschlossener erweisen die Dinge sich. Sie trotzen. Weiterlesen

Nur noch das Rätsel gibt Rat

In der zeitgenössischen Physik ebenso wie in Kunst und Literatur lässt sich nicht mehr alles auflösen in anschauliche Zusammenhänge. Es zeigt sich, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht nur tiefer und fundamentaler, sondern in gleichem Maße labyrinthischer und rätselhafter werden. Es scheint als würden Wissenschaftler immer mehr zum Rätsellöser („puzzle solver“) wobHiggsei jede Lösung neue Rätsel aufgibt.

„Die Welt-Ausrechnung, Allmacht der Neuzeit, vor der auch Diktatoren sich beugen und Alle, die sich sonst hassen, verbrüdern, will alle Dinge entsiegeln. Im Freiraum der Kunst, wenngleich er folgenlos wurde: sie versiegeln sich wieder. Je mehr wissenschaftlicher Aufschluß, desto verschlossener erweisen die Dinge sich. Sie trotzen. Sie sehen den einzigen Fluchtweg, wenn sie überhaupt einen sehen: Umziehen ins Rätsel. Das Labyrinth, ihre Wohnung. So geht durch die Künste unserer Tage ein Zug, wir kennen ihn Alle. Jeder Vers sagt es, jedes Bild spricht davon: Die Dinge verrätseln sich. Das Unaufgeklärte, das Schwerverständliche ist ihre Zuflucht.
In der Neuzeit, in der totalen Welt-Ausrechnung, so will ihnen vorkommen: Es ist nur noch das Rätsel, das Rat gibt.“

Erhart Kästner: Aufstand der Dinge. Frankfurt: Insel 1975

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