Sandwellen (Sandrippel) werden wie Wasserwellen vom Wind erzeugt und in Bewegung gehalten. Anders als die Wasserwellen gehen sie jedoch in einen Dornröschenschlaf über, solange der Wind eine Ruhepause einlegt. Das ist dann die Zeit, die vielfältigen oft ästhetisch ansprechenden Muster zu bewundern. Oft sind diese so schön, dass ich kaum darauf zu treten und darüber zu gehen wage. Doch der nächste Wind kommt bestimmt und bringt Ähnliches wenn auch nicht dasselbe wieder hervor. Deswegen wird es mir nie langweilig, durch Dünenlandschaften zu wandern.
Die Ähnlichkeit der Sandrippel mit Momentaufnahmen von Wasserwellen ist erstaunlich, hat man es doch mit völlig unterschiedlichen Medien zu tun: In einem Fall mit einer Flüssigkeit und im anderen mit einem Festkörper in Form winziger Steinchen, die sich weder anziehen noch abstoßen aber dennoch gemeinsam in subtiler Kooperation etwas Naturschönes hervorbringen. Auch wenn das Fließen und Strömen beiden Substanzen gemein ist, verdankt sich die Entstehung der Wellen unterschiedlichen physikalischen Mechanismen.
Beim morgendlichen Wandern durch die Sanddünenlandschaft kämpfe ich mit dem Gemisch aus schwarzen und hellen Sandkörnern, die einzeln völlig harmlos sind, als größeres Kollektiv aber zumindest äußerst beschwerlich werden können. Beim Aufstieg an der steilen Leeseite einer Düne werden die Sandkörner durch kleinste Einwirkungen zu kollektiven Abwärtsbewegungen animiert, die mich – der ich mich auf ihnen abstütze – gleich wieder ein ganzes Stück weit mit nach unten nehmen (siehe Foto).
Das ist beim Aufstieg ärgerlich, weil man einen Teil der gewonnenen Höhe wieder abgibt, beim Abstieg allerdings beflügelnd. Wenn es dann auch noch heiß ist und der Wind sein gestalterisches Spiel mit den Sandkörnern treibt, wünschte ich mir schon mal festeren Boden unter den Füßen. Allerdings werde ich reichlich entschädigt durch das unmittelbare Erlebnis, Zeuge und Teil der kollektiven Gestaltung- und Umgestaltungsvorgänge zu sein, in denen der durch den Wind in Bewegung gesetzte Sand in Wechselwirkung mit und teilweise auf Kosten der schon bestehenden Strukturen neue erschaffen werden. Dabei spielen Mischungs- und Entmischungsvorgäng eine besondere Rolle.
Ich selbst werde wie ein beliebiger anderer Gegenstand in die Prozesse mit einbezogen: Bleibe ich beispielsweise eine Zeit lang stehen, kann ich beobachten wie sich zunächst zaghaft, dann aber deutlicher werdend zu meinen Füßen ein dieser Situation entsprechendes konkretes Rippelfeld bildet. Dabei docken die Sandteilchen nicht direkt an meine Füße an, sondern bauen die Rippel in einem diskreten Abstand auf. Beim Weitergehen verschwindet die Struktur nicht sofort wieder, sondern stellt eine neue Gegebenheit dar, die den weiteren Verlauf der Strukturbildung mitbestimmt.
In den ansonsten zumindest abschnittsweise gleichartigen Rippelfeldern auf Sanddünen findet sich manchmal wie aus heiterem Himmel ein ziemlich gerader Einschnitt, der ein relativ ebenes Feld in zwei Hälften teilt und sich mit einem besonderen Profil hervortut. Es muss etwas mit der Dynamik der durch den Wind transportierten Sandkörnchen zu tun haben. Ich habe manchmal halbstundenweise den Sandsturm über mich ergehen lassen (die Duschwanne war anschließend ebenfalls durch Andeutungen eines Strömungsmusters verziert), um die Bewegungen der wie Nebel über die Dünenflächen huschenden Sandschwaden zu beobachten. Da gab es dann beispielsweise von zwei Seiten kommende Schwaden, die auf einer Sandebene aufeinander prallten und wie von einer unsichtbaren Wand reflektiert wurden. Möglicherweise sind solche geraden Rippelstreifen derartigen Wechselwirkungen zu verdanken.
Dieses ist schon längst gesagt, man kömmt aber von allen Seiten wieder darauf. So suchen wir Sinn in die Köperwelt zu bringen. Die Frage aber ist, ob alles für uns lesbar ist. Gewiß aber läßt sich durch vieles Probieren, und Nachsinnen auch eine Bedeutung in etwas bringen was nicht für uns oder gar nicht lesbar ist. So sieht man im Sand Gesichter, Landschaften usw. die sicherlich nicht die Absicht dieser Lagen sind.
Georg Christoph Lichtenberg. Sudelbücher J1-393
Auf dem Foto sieht man Strukturen in einer Mischung aus weißen und schwarzen Sandkörnern in einem wüstenartigen Dünengebiet, die sich durch unterschiedliche Einflüsse (Wind, Schwerkraft, Feuchtigkeit u.A.) entmischt und das vorliegende Muster hervorgebracht haben. Während der Aufnahme wehte ein kräftiger Wind und man konnte innerhalb weniger Minuten eine kontinuierliche Umstrukturierung beobachten. Die Mechanismen der Strukturbildung sind in diesem Blog an mehreren Stellen angesprochen worden (z.B. hier und hier und hier).
In der nächsten Zeit werdet ihr hier in unregelmäßigen Abständen kleine Episoden aus der Wüste vorfinden, in die ich mich kürzlich für einige Zeit verbannt hatte, um für den angehenden Winter mit der Aufnahme von Sonnenenergie etwas vorzusorgen. Weiterlesen
Die „Wüste“ von Maspalomas (Gran Canaria) zu durchqueren, kann eine ganz schön sandige Angelegenheit sein, insbesondere wenn ein Sandsturm dabei ist, die Dünen von den Spuren der Touristen zu säubern und nach seinem Gusto umzugestalten. Dabei entstehen immer wieder neue Muster aus schwarzem und hellem Sand, der ständig durchmischt und auch wieder zu ästhetisch ansprechenden Schwarzweißbildern entmischt wird (oberes Foto). Weiterlesen
Indem ich über die Dünen dem Meer zustrebe, sehe ich schon von weitem etwas in der Sonne blendend hell aufleuchten. Bei näherer Betrachtung weicht die positive Überraschung der Enttäuschung, nun auch schon hier in der zumindest äußerlich sauberen, jeden Tag vom Wind gefegten Dünenlandschaft Plastikmüll vorzufinden. Weiterlesen
Im Foyer eines älteren Gebäudes, in dem ich an mehreren Tagungen teilnahm, fielen mir merkwürdigerweise erst nach wiederholten Besuchen die Fliesen auf: Ich erkannte sie plötzlich als Hervorbringungen der Natur. Denn sie waren in einem Steinbruch aus Sandsteinfelsen herausgeschnitten worden (oberes Foto). Dadurch ergibt sich ein interessanter Rückblick in die erdgeschichtliche Vorzeit. Weiterlesen