Der Winter hat gestern Nacht vermutlich mit einer schönen Schneelandschaft den Schlusspunkt unter seine diesjährige Saison gesetzt. Nachdem die letzten 10 Tage Eis, Wasser und Wasserdampf den Blick zum Himmel verstellt hatten, ist vorletzte Nacht alles heruntergekommen: Der Himmel ist frei, tiefblau, das Land mit einer weißen Schicht bedeckt… Halt, bevor ich fortfahre. Es ist nicht weiß; der Schnee hat einen deutlichen Blaustich, jedenfalls überall dort, wo die Sonne nicht hinkommt.
Einige Bäume lockern die ansonsten triste Agrarlandschaft auf. Der Schnee macht nicht nur die Spuren der letzten landwirtschaftlichen Aktivitäten sichtbar, (die rechts unten an einen chaotischen Attraktor erinnern,) sondern verwandelt das Ensemble in eine Art Schwarz-Weiß-Malerei.
Fühlst Du durch die Winternacht
Durch der kalten Sternlein Zittern
Durch der Eiskristalle Pracht
Wie sie flimmern und zersplittern,
Fühlst nicht nahen laue Mahnung,
Keimen leise Frühlingsahnung?
Drunten schläft der Frühlingsmorgen
Quillt in gährenden Gewalten
Und, ob heute noch verborgen,
Sprengt er rings das Eis in Spalten:
Und in wirbelnd lauem Wehen
Braust er denen, die’s verstehen.
Hörst Du aus der Worte Hall,
Wie sie kühn und trotzig klettern
Und mit jugendlichem Prall
Klirrend eine Welt zerschmettern:
Hörst Du nicht die leise Mahnung,
Warmen Lebensfrühlings Ahnung?*
* Hugo von Hofmannsthal (1874 – 1929)
Jeder der sich mit dem Bau eines Schneemanns auskennt weiß, dass man einen solchen in bedrohlicher Schräglage befindlichen Sonnyboy kaum zustandebringt. Denn offenbar liegt hier der Schwerpunkt bei weitem nicht mehr über der Unterstützungsfläche. Eine solche artistische Performance ist nicht ohne die Unterstützung besonderer physikalischer Vorgänge möglich.
Ich gehe davon aus, dass der Schneemann zunächst aufrecht war und eine gewisse kaum merkliche Anfangsschräge hat dann dazu geführt, dass an dieser Seite ein höherer Druck auf die Schneekristalle ausgeübt wurde. Durch diesen Druck kam es zur Verschmelzung von Schneekristallen (Sintern) und einem damit verbundenen Verlust an Schnee zugunsten von Schmelzwasser. Diese ist sofort wieder gefroren und hat durch die damit verbundene Vereisung zu einer Stabilisierung der Lage geführt. Da der Druck durch den zunehmenden Neigungswinkel weiter zunahm, hat sich der Vorgang vielfach wiederholt, bis schließlich der auf dem Foto zu sehende Zustand erreich wurde.
Ähnliches beobachtet man in freier Natur, wenn der auf fast waagerechten Ästen von Bäumen lagernde Schnee schließlich wie ein Seil vom Ast herunterhängt.
Das Foto wurde mir freundlicherweise von Dieter Plieninger zur Verfügung gestellt. Seine Erläuterung dazu: Kindergartenkinder „haben den Schneemann am Morgen errichtet und eine Kindergärtnerin hat das Foto nach dem Mittagessen gemacht“.
Weihnachten! – Welch ein prächtiges Wort! – Immer höher türmt sich der Schnee in den Straßen; immer länger werden die Eiszapfen an den Dachtraufen; immer schwerer tauen am Morgen die gefrorenen Fensterscheiben auf! Ach, in vielen armen Wohnungen tun sie es gar nicht mehr. – Hinter den meisten Fenstern lugen erwartungsvoll Kindergesichter hervor; da und dort liegt auf der weißen Decke des Pflasters ein verlorener Tannenzweig. Es wird viel Goldschaum verkauft, und bedeckte Platten Eisenblech, die vorbeigetragen werden, verbreiten einen wundervollen Duft.*
* Wilhelm Raabe. Die Chronik der Sperlingsgasse.
Die Chronik der Sperlingsgasse
Vor ein paar Tagen war es kaum vorstellbar, dass wir doch noch einen Hauch von Winter zu spüren/erleben bekommen. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass er von unten, gewissermaßen durch die Ritzen Einlass gefunden hat. Denn was hier so hell erstrahlt sind keine (botanischen) Blüten, sondern anhänglicher eisiger Schnee.
Eine Bank neigt sich unter der Belastung des Schnees zur Seite. Das ist natürlich eine Ausrede. In Wirklichkeit waren einige kompakte Männer die Ursache, die sich am Vatertag hier niedergelassen hatten. Denn der Schnee wiegt nicht viel, weil es einen mehr oder weniger großen Teil Luft enthält.
Schneeart | Dichte [kg/m3] |
trockener Pulverschnee | 30–50 |
normaler Neuschnee | 50–100 |
feuchter Neuschnee | 100–200 |
trockener Altschnee | 200–400 |
feuchter Altschnee | 300–500 |
Firn | 500–800 |
Wie die Tabelle zeigt ist selbst der kompakteste Schnee noch wesentlich leichter (geringere Dichte) als flüssiges Wasser. Andererseits weiß man, dass Gebäude mit großem Flachdach und selbst Bäume bei starkem Schneefall gefährdet sind unter der Schneelast zusammenzubrechen. Als Wasser wären diese Massen kein Problem. Denn während dieses sofort die tiefste Stelle aufsucht und abfließt, kann Schnee je nach Beschaffenheit zusammenbacken und sich hoch auftürmen. Nicht nur horizontale Flächen sind davon betroffen, auch an vertikalen Strukturen, Stromleitungen u.Ä. können erstaunlich große Schneemassen anhaften.
Nach dem gestrigen nahezu Sommertag ist es kaum noch vorstellbar, dass vor gut einem Monat noch Schnee und Kälte herrschten. Indem ich nunmehr feststelle, dass der Vollmond vom Palmsonntag allmählich angeknappert wird, also abnimmt, werde ich an die runde Eisscholle erinnert (siehe Foto), die ich aus der Vogeltränke herausgelöst und dann spielerisch in den Schnee gesteckt hatte, wo sie von der tiefstehenden Sonne lichterloh entflammt wurde. Mir stand sofort das Bild des Vollmonds vor Augen, der durch eine Wolkenschicht hindurchtauchte. Einiges stimmt an dieser Assoziation: das Runde, das im Sonnenlicht leuchtende, die Strukturierung der Oberfläche, das Eisige… Dass diese glasige Lichtlache* eine flache, transparente Scheibe ist und zudem kein Licht reflektiert, sondern bricht und einen Schatten hervorruft, stört dabei nur wenig. Weiterlesen
Es ist als spielte das Wetter noch einmal seine Möglichkeiten zwischen Schnee, Sonne, Wind und Gewitter noch einmal in alter Vielfalt durch. Jedenfalls war der gestrige Tag von diesen Extremen geprägt. Als der Schnee gegen das Fenster prallend und dann – durch Adhäsions- und Oberflächenkräfte gehalten – gebremst an der Scheibe herab rutschte und sich am Fensterrahmen angekommen zu einem unregelmäßigen kristallenen Gitter staute, kamen Strukturen in den Blick, die man dem Wetter gar nicht zugetraut hätte (siehe Foto). Durch die unregelmäßig benetzte Scheibe wird das Licht diesen Strukturen entsprechend gebrochen und die durchscheinende Baumkulisse erscheint entsprechend kreativ variiert.
Alles still! Es tanzt den Reigen
Mondenstrahl in Wald und Flur,
Und darüber thront das Schweigen
Und der Winterhimmel nur.
Alles still! Vergeblich lauschet
Man der Krähe heisrem Schrei.
Keiner Fichte Wipfel rauschet,
Und kein Bächlein summt vorbei.
Alles still! Die Dorfeshütten
Sind wie Gräber anzusehn,
Die, von Schnee bedeckt, inmitten
Eines weiten Friedhofs stehn.
Alles still! Nichts hör ich klopfen
Als mein Herze durch die Nacht –
Heiße Tränen niedertropfen
Auf die kalte Winterpracht.*
* Theodor Fontane (1819 – 1898)
Da man den Schnee als eine Art Granulat kennt, das je nach Alter aus leichten Flocken bis hin zu kompakteren Kristallen besteht, traut man ihm ein Verhalten, wie in der nebenstehenden Abbildung zu sehen kaum zu. Hier haben sich auf den Ästen abgeladene Schneepakete der Schwerkraft ergeben und teilweise von der Unterlage gelöst, um wie schlaffe Textilien herabzuhängen. Hängender Schnee, wie geht das? Aus kaltem Schnee lässt sich kein Schneeball formen. Er rieselt wie Sand von der Hand. Älterer verharschter Schnee verhält sich demgegenüber wie ein fester Körper. Er fällt allenfalls als Ganzes aber er fällt nicht von selbst auseinander. Dass es zwischen diesen beiden Extremen Abstufungen gibt, derart dass eine Schneedecke gestreckt oder gebogen werden kann, kommt einem kaum in den Sinn. Und doch ist es so, wie man in den Fotos sieht. Weiterlesen
Um zu begreifen, dass der Himmel überall blau ist,
braucht man nicht um die Welt zu reisen.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
Die Ausbeute an Phänomenen war in dieser kurzen aber heftigen Schneeperiode, wie wir sie hier seit Jahrzehnten nicht hatten derart groß, dass ich auch in dieser Tauphase noch einiges nachtragen möchte. Weiterlesen
Wasserpfützen können schön sein, obwohl es nicht so klingt. Entsprechendes gilt für Schneematsch auf einer Eisfläche. Davon kann man sich anhand der beiden Fotos überzeugen, von denen das obere einen Ausschnitt des unteren darstellt. Sie zeigen Schnee auf einem zugefrorenen flachen Gewässer der teilweise mit schönen Verästelungen verziert wird. Die Fotos stammen von Wolfgang Knappmann der sie mit Hilfe einer Drohne gemacht hat. Dadurch wurde das Szenario aus einer Perspektive zugänglich, die man vom Ufer aus nicht hätte einnehmen können.
Beeindruckend sind die fraktalen Verästelungen, die situationsbedingt nicht wie auf einer früheren Aufnahme quasi symmetrisch in alle Richtungen wachsen, sondern eine Richtung bevorzugen.
Bevor es zur Entstehung der Dendriten kam, war der Teich bereits zugefroren. In dieser Situation fiel Schnee und belastete die Eisdecke, sodass durch undichte Stellen oder noch nicht zugefrorene Löcher im Eis Wasser hochgedrückt wurde. Anders als im früher diskutierten Fall, in dem die Eisdecke bei der Absenkung weitgehend horizontal ausgerichtet blieb, haben wir es hier mit einer Neigung der Schnee bedeckten Eisflächen zu tun. Offenbar hat sich der Bereich in der Mitte, der noch mit trockenem, weißen Schnee bedeckt ist, überhaupt nicht gesenkt. Von hier ausgehend haben sich die Eisflächen dann zu den Seiten hin geneigt. Das aus den Öffnungen herausgequollene Wasser hat sich daher diesem Gefälle entsprechend ausgebreitet. Dabei kann man zwei Prozesse unterscheiden.
In dem einen Fall erfolgte eine langsame Durchnässung, indem die Feuchtigkeit gewissermaßen von Kristall zu Kristall weitergegeben wurde und zu einer „Verwässerung“ der weißen Farbe des Schnees führte. Dass feuchte Objekte, zum Beispiel ein durchnässtes Kleidungsstück oder eine Straße nach dem Regen dunkler aussehen als im Falle der Trockenheit dürfte bekannt sein. Das erklärt die unterschiedlich starke Verdunklung des Untergrunds.
Im anderen Fall, der durch die Dendriten geprägt ist, strömte das Wasser stärker gegen den Schnee an und durchdrang ihn in einem nicht genau zu beurteilenden Verhältnis von Verschieben und Schmelzen. Dass dies nicht in der vielleicht erwarteten Form erfolgte, in der das Wasser den Schnee großflächig durchdringt ist typisch für fraktale Strukturbildungsprozesse. Demnach breitet sich eine dickflüssige (stärker viskoses) Flüssigkeit in einer dünnflüssigeren (weniger viskosem) Flüssigkeit auf einer ebenen Fläche radial-kreisförmig aus. Im umgekehrten Fall ist die Grenzflächenfront zwischen den Flüssigkeiten instabil und es kommt wie früher bereits beschrieben zu den astförmigen Durchbrüchen, die dann ihrerseits instabil sind und Seitentriebe entwickeln, die sich dann weiter verästeln usw. Wegen der leichten Abschüssigkeit der Eisflächen entwickeln sich im vorliegenden Fall die Dendriten einseitig in Richtung der Neigung.
Die zu den Rändern hin dunkleren Bereiche sind wie gesagt zum einen der zunehmenden Durchtränkung des Schnees mit Wasser geschuldet. Zum anderen ist das sich in den Dendriten ausbreitenden Wasser vermutlich verschmutzt, was auf ein flaches Gewässer schließen lässt. Jedenfalls macht sich eine deutliche Braunfärbung bemerkbar.
In dem Maße, wie die Sonne immer tiefer sinkt, gewinnt das ansonsten wenig auffallende Schneefeld immer mehr an Profil. Wo bisher nur die von einer Schafherde abgeernteten Pflanzenreste in Form von toten Halmen zu sehen waren, sieht man sie nunmehr immer deutlicher aus kleinen gleichmäßig gerundeten Hügeln herausragen.
Die Hügel sind dabei, in Abstimmung mit der sinkenden Sonne ihre Schatten deutlich zu verlängern. Blaue Schatten – denn wo das Sonnenlicht nicht hinkommt, dominiert das Himmelslicht. Diese Schatten nehmen immer mehr die Form von Kegelschnitten an. Aber auch die Halme verlängern sich mit feinen Schattenlinien. Und da sie in der überwiegenden Mehrzahl auch mit der Spitze im Schnee eintauchen und so mit der Schneeoberfläche als dritter Seite Dreiecke bilden, liefern sie auch einen eigenen Beitrag zur Geometrie auf dem Schneefeld.
Dass die Halme mit einem Schneeberg umgeben sind, verdanken sie dem Schneegestöber von vor zwei Tagen. Der Schnee verfing sich an den Halmen und rundete sich in der Folgezeit durch verschiedene Prozesse zu ziemlich gleichmäßig geformten Hügeln. Die Hügel, aus denen kein Halm hervorlugt, haben schlichtweg den Kürzeren gezogen und diesen vollkommen in sich eingeschlossen.
Luft ist ein geheimnisvolles Medium. Zwar ist sie allgegenwärtig und wir brauchen sie zum Leben, aber wie sie sich verhält, wenn sie mal nicht steht – wer mag schon stehende Luft – bleibt uns wegen ihrer Unsichtbarkeit weitgehend verborgen. Andererseits kann ich mir nur schwer vorstellen, wie es wäre, wenn man die Luft sehen könnte und sei es auch nur so wie man das weitgehend transparente Wasser sieht.
Wie ich ausgerechnet zu dieser Zeit, da das Wasser in seiner festen Form und weißen Farbe in fast allen Bereichen die volle Aufmerksamkeit auf sich zieht, dazu komme über die Luft zu sinnieren? Ein Blick vor die Tür (jedenfalls zurzeit in unserer Gegend) gibt die Antwort. Die großen Schneemassen sind weit von einer gleichmäßigen Verteilung entfernt. Es gibt Bereiche, da sieht man schneefreien Boden, aber auch solche, an denen der Schnee meterhoch getürmt ist. Diese Schneeverwehungen sind aerodynamische Ausgeburten der bewegten Luft, des Sturms, der in den letzten Tagen den lockeren Schnee seinen mehr oder weniger turbulenten Bewegungen entsprechend dort aufgenommen und hier abgelegt hat.
Großen Einfluss auf die entstehende Struktur der Verwehungen haben Hindernisse, die die Luft kanalisieren – beschleunigen, abbremsen, in verschiedene Ströme aufteilen, in Turbulenzen treiben und das alles unter harten physikalischen Bedingungen, etwas der, die Luftdruckunterschiede den Umständen entsprechend minimal zu halten. Überhaupt sind die Luftbewegungen nichts anderes als Ausgleichsströmungen zwischen Gebieten hohen und niedrigerem Luftdruck, aber das auszuführen würde jetzt zu weit führen.
Wenn dann auch noch die Sonne scheint und die Schatten von Bäumen u.Ä. auf den Schnee fallen, kann man an den Krümmungen die Formen der Schneeverwehungen sehen, die ohne dies wegen der geringen Kontraste kaum und weniger eindrucksvoll zu erkennen wären.
Interessant sind dabei die Blaufärbungen der Schatten und Schattierungen. Das sind die Bereiche, in die das Sonnenlicht kaum oder gar nicht hinkommt und das Licht des blauen Himmels die Oberhand gewinnt.
In unserer Gegend schneit es seit Tagen bei einer Temperatur von mindestens – 7 °C. Der Schnee ist „trocken“ wie Sand. Jedenfalls lässt er sich nicht zu Schneebällen formen. Er zerfällt krümelig, auch wenn man sich mit warmen Händen noch so bemüht. Der Schnee wird somit zum leichten Spielball des Windes, der ihn wie nichts vor sich hertreibt, verwirbelt und zu aerodynamisch geformten Verwehungen auftürmt. Weiterlesen
Dem windbewegten von der Schneelast beschwerten und zu Boden geneigten Pflanzenhalm, der auch schon mal bessere Zeiten gesehen hat, traute niemand zu, einen Kreis in den frischen Schnee zu ziehen. Jetzt warten wir nur noch, dass sich die Windrichtung ändert, damit er eine Chance hat das begonnene Werk vollenden zu können.
Zuerst waren da die frisch verlegten Fliesen, dann kam der Dreck, darüber legte sich ein nicht mehr benötigtes Blatt und schließlich versuchte der Schnee alles unter seinen weißen Teppich zu kehren. Der Versuch misslang, weil der Nachschub ausblieb.
Das Foto zeigt mit einem Blick und auf exemplarische Weise, was es heißt auf einer Erde zu leben, in der die Schwerkraft regiert. Alles was sich aufrichtet, hochfliegt oder sonstwie vom Boden zu erheben versucht, wird früher oder später auf diesen zurückkommen und sich flach legen. Am anschaulichsten erlebt man dies im Herbst, wenn die Blätter fallen. Die Blätter liegen nicht irgendwie auf dem Boden, sondern flach in Schichten als ob sie die dritte Dimension meiden würden. Nur durch äußere Einwirkungen können sie temporär erhoben werden.
Auch wenn ich jetzt etwa arg vorgreife, so droht doch letztlich allem eine schichtweise Versteinerung. Für die Geologen sind die versteinerten Schichten so etwas wie die Blätter im Buch der Erdgeschichte. Sie geben Aufschluss über längst vergangene Zeiten und erzählen spannende Geschichten darüber. Mir wird ganz anders zumute, wenn ich mir klarmache, dass hier wo ich wohne einst ein tropisches Meer an von Touristen unberührte Strände wogte… Aber das sind andere Ge-Schichten.
H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 52/1 (2021), S. 43
Blätter von Bäumen können als Isolatoren und Absorber von Wärme fungieren und dank dieser Eigenschaft im Winter zu auffälligen und physikalisch interessanten Erscheinungen führen.
Eigentlich gehören die im Herbst abgeworfenen Blätter nicht in den Winter. Sie werden auch kaum wahrgenommen. Es sei denn, sie stellen sich für eine auffällige physikalische Demonstration zur Verfügung.
Im vorliegenden Fall hat es zum ersten Mal geschneit. Weiterlesen
Nach dem kurzen Schneeintermezzo in diesem (bei uns bisher ausgebliebenen) Winter möchte ich noch das im Foto eingefangene Phänomen nachtragen.
Wenn Schnee zu einer Zeit fällt, in der der Boden noch nicht gefroren und die Lufttemperatur in der Nähe des Gefrierpunkts ist, gibt es die Chance interessante Phänomene zu entdecken. Eines dieser Phänomene ist auf dem Foto zu sehen. Als ob die Natur einen Sinn für ästhetische Gestaltung selbst im Bereich von gepflasterten Gehwegen entfalten würde, werden hier die dünnen Fugen zwischen den Pflastersteinen deutlich mit einem relativ hohen Schneewulst überbrückt und in vielen Fällen auch noch dunkel nachgezeichnet. Weiterlesen
Als ich gestern Morgen aus dem Haus ging, war die Welt seit langem mal wieder schneeweiß. Von den am Wegrand vor sich hin faulenden Blättern des Herbstes war nichts mehr zu sehen. Alles sah so reinlich aus. Doch dann wie eine Gestalt gewordene Ironie meiner Gedanken, hatte sich ein Blatt auf die Schneedecke gelegt und gab ein naturschönes Bild ab. Woher es kam, war nicht herauszufinden. Es war einfach nur schön – naturschön.
H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 1, (2021), S. 64 – 65
Vergessen wir die Dinge,
betrachten wir die Struktur
Georges Braque (1882–1963)
Abdrücke im Schnee entwickeln sich unter besonderen Bedingungen zu auffällig kreisförmigen Strukturen. Das liegt vor allem am Wärmeaustausch mit der Umgebung, der sich mit der Konsistenz des gefrorenen Wassers verändert. Weiterlesen
Wenn Schnee oder Graupel ans Fenster schlagen kann man oft einen interessanten Wachstums- und Strukturbildungsvorgang beobachten, insbesondere dann, wenn die Außentemperaturen nicht zu niedrig und die Raumtemperatur einigermaßen hoch ist. Der Schnee haftet zunächst an der Scheibe, beginnt durch die Scheibe erwärmt zu schmelzen und auf dem dadurch entstandenen „Schmierfilm“ durch die Gravitationskraft beflügelt abzugleiten. Der Vorgang vorläuft manchmal sehr langsam, weil die Adhäsionskraft zwischen Wasserfilm und Scheibe am oberen Ende überwunden und am unteren Ende neu gebildet werden muss. Weiterlesen
Wenn uns der Schnee in diesem Winter wohl versagt sein wird, möge uns das Foto vom vorletzten Winter daran erinnern, was uns u.A. entgeht. Hier sind es Dämmerungsfarben bei Sonnenaufgang, die von den schneebedeckten Bäumen weitgehend unverfälscht wiedergegeben werden. Weil der Schnee weiß ist, reflektiert er (diffus) das auftreffende Sonnenlicht ungestört. Das ist bei den anderen Oberflächen nicht so. Die Nadeln der Fichten absorbieren aus dem weißen Sonnenlicht rotes und blaues Licht und senden den grünen Rest wieder aus. Weil im rötlich erscheinenden Dämmerungslicht kaum noch Blauanteile enthalten sind und die Lichtintensität realtiv gering ist, erscheinen sie dort, wo sie vom Sonnenlicht getroffen werden, ziemlich dunkel. Durch diesen Kontrast wird die Helligkeit des rot aufflammenden Schnees (fast ein Oxymoron) noch unterstrichen. Man kann dieses Farbphänomen als eine Art Alpenglühen ansehen, das ansonsten bei Dämmerung an hellen Felswänden zu beobachten ist und manchmal eine ganze Ortschaft betrifft.
Der im Schatten liegende Schnee verhält sich entsprechend, indem er das blaue Himmelslicht reflektiert und daher blau aussieht. Oft erkennen wir das nicht, weil unser visuelles System aufgrund der Farbkonstanz die überwiegende Farbe als weiß definieren “möchte” und damit auch in der Regel sehr erfolgreich ist. Weiterlesen
H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaften 2 (2020), S. 72
Oh welch ein Schreck:
Der Schnee ist weg!
Wo ist er nur geblieben?
Anita Menger (*1959)
Manchmal verschwindet die Schneedecke, obwohl das Thermometer unter null Grad anzeigt. Oder aber sie schmilzt selbst bei Plusgraden kaum. Die Temperatur allein ist nicht entscheidend – bei den Vorgängen spielen weitere Kennzahlen eine wichtige Rolle. Weiterlesen
Da hatten wir den Winter schon als überwunden geglaubt, bis er diese Tage mit Demonstrationen aufwartet die zeigen, dass er auch anders kann. Das Grün wird einfach mit Schnee überdeckt.
Aber es genügt, dass die Temperaturen etwas steigen und die Sonne einige Zeit scheint, um deutlich zu machen, dass der Schnee nicht mehr von Dauer ist. Und selbst wenn er versucht, die Schneeschmelze durch neuerliches Gefrieren rückgängig zu machen, ist dieser Versuch doch allzu durchsichtig. Dadurch wird nicht nur der Blick auf das hoffnungsvolle Grün möglich, sondern auch ein Einfallstor für die Sonne geöffnet. Sie wird dann nicht mehr wie vom weißen Schnee reflektiert, sondern im grünen Gras in Wärmeenergie verwandelt, die den Schmelzprozess weiter antreibt.
Der einzige Schönheitsfehler – die Sonne macht sich in diesen Tagen allzu rar.
Wie kommt es zu den Abbildungen?
Erklärung des Rätselfotos des Monats Februar 2019
Frage: Ist die Schneeschicht elastisch?
Antwort: Wenn Kinder einen Schneemann bauen, rollen Sie einen Schneeball über den feuchten Schnee. Durch den Druck, der auf den Schnee ausgeübt wird, kommt es zu Sinterungsvorgängen, in denen der Schnee des anfänglichen Schneeballs mit der Schneeschicht zusammenfriert. Da dieser Prozess fortlaufend stattfindet, wird der Schnee zu einer im Durchmesser und durch seitliche Überhänge auch in der Breite wachsenden festen Schneewalze aufgerollt, bis diese groß genug ist.
Dass dieser Vorgang unter bestimmten Bedingungen von selbst auftreten könnte, kann man sich kaum vorstellen. Aber genau das macht uns die Natur im vorliegenden Beispiel vor. Die verhältnismäßig dünne Schneeschicht auf der Windschutzscheibe eines Autos gefriert zunächst zu einer Art Brett. Als es dann am nächsten Morgen wärmer wird und der Schnee im feinen Regen zu schmelzen beginnt, rutscht tauender Schnee von oben her wie ein Keil unter das noch relativ feste Schneebrett, so dass dieses von der Windschutzscheibe weggedrückt wird. Sobald sich der abgehobene obere Teil des Schneebretts über die Senkrechte hinaus neigt, kommt zusätzlich die Schwerkraft ins Spiel und das Brett krümmt sich von der Scheibe weg. Dass der obere Teil nicht einfach abbricht, zeugt von einer gewissen „Elastizität“, die dadurch hervorgerufen wird, dass an der gestauchten Seite der so entstehenden Schneerolle feinste Verästelungen im porösen Schnee zusammengedrückt werden und dabei wie beim gepressten Schneeball zusammenfrieren. Man kennt das von Eiswürfel aus dem Gefrierfach, die miteinander „verschmelzen“ sobald sie sich berühren. Dieser Vorgang setzt sich solange fort, wie die Bedingungen dazu erhalten bleiben.
Ich sehe einen Vogel im Anflug. Er scheint sich auf der schneebedeckten Lichtung im Wald niederlassen zu wollen. Vielleicht hat er mich im letzten Moment gesehen und es sich anders überlegt. Jedenfalls startet er mit kräftigen Flügelschlägen durch und erhebt sich wieder in die Lüfte. Eine filigrane Spur dieses Manövers ist im Schnee zu sehen. Die Flügelspitzen haben bereits die Schneedecke berührt. Ich frage mich, ob ich das Muster hätte deuten können, wenn ich den Vogel nicht selbst bei seinem Tun beobachtet hätte?
Mich erinnert der Vorgang an ein abgebrochenes Landemanövers eines Flugzeuges auf der Kanareninsel La Palma. An einem nebeligen Tag hatte das Flugzeug sich der äußerst kurzen Start- und Landebahn genähert. Man erwartete bereits den Ruck des Aufsetzens der Räder und das Aufheulen der Motoren im Umkehrschub. Aber diesmal kam das Heulen vorher und der Ruck blieb aus, der Pilot hatte die Maschine im letzten Moment wieder durchgestartet, weil – wie er hinterher erklärte – wegen des Nebels keine genügende Sicht für eine sichere Landung vorhanden war. Zum Glück sind keine sichtbaren Spuren zurückgeblieben.
Auch im Winter können die Rosen etwas von sich hermachen. Die Hagebutten, die die Nüsschen der Rosen enthalten, strahlen in einem ebenso schönen Rot wie die Rose im Sommer. Besonders wirkungsvoll kommen sie hier zum Ausdruck, weil sie sich mit einem Schneehäubchen geschmückt und damit meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben.
Die Natur ist Übermaß. Sie ist über dem Durchschnitt. Eine einzelne Hagebutte platzt in Lobeshymnen. Was tun mit Regen, mit Schnee, mit Graupel, mit Blättern, mit Kometen, mit Hagel, mit Blitz, mit Apfeln, Pfirsichen und Pflaumen, damit, daß die Natur ihren Überfluß von sich schüttelt, die schwerkraftsbegeisterten Objekte, die sich über meinem Kopf ergießen.
Jeannette Winterson (*1959). Kunst und Lügen
Ich kenne diese beiden Wege seit Jahren. Aber nie war mir aufgefallen, wie sehr sie sich ähneln. In beiden Fällen handelt es sich um eine S-Kurve, die zum einen durch Schienen und zum anderen durch eine Straße realisiert wird, auf der die dunkle Wagenspur den ebenfalls dunklen Bahnschienen entspricht. Indem sie in einem kontrastreichen Hell-Dunkel-Kontext erscheinen, wird ihre Strukturähnlichkeit zu einem Phänomen. Die durch die Schneedecke von den normalerweise vorhandenen Details befreiten Anblicke machen die Entsprechungen erst auffällig.
Wie der Zufall es will, kommt es interessanterweise auch noch in einer strukturellen Übereinstimmung am Rande der Fahrspuren: Dem durch die Bahnschwellen hervorgerufenen periodischen Höhenprofil entspricht auf der Straße die Profilspur eines Traktors.
Schlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 50/1 (2019), S. 45
Das Zusammenwirken von Absorption und Reflexion von Sonnenlicht sowie Wärmeleitung führt unter bestimmten Bedingungen zu regelmäßigen Mustern im Schnee.
Auf dem Handlauf eines Treppengeländers hat sich ein Muster aus periodisch weggeschmolzenem Schnee gebildet. Das ist auch insofern erstaunlich, als die Lufttemperatur mit -1 bis -2 °C eindeutig zu niedrig ist, um den Schnee zum Schmelzen zu bringen. Zwar bricht die Sonne hin und wieder durch den hochnebelartigen Dunst und fühlt sich angenehm warm an. Doch der blendend weiß erstrahlende Schnee ist ein deutliches Zeichen dafür, dass das Sonnenlicht nicht gleichermaßen vom Schnee absorbiert, sondern hauptsächlich reflektiert wird. Weiterlesen
Auf einem Flug über Spanien/Portugal. Seit mehr als einer Stunde nur Wolken. Darüber die gleißend helle Sonne. Die in einem satten Weiß reflektierenden Wolken sind auch nicht viel besser. Man muss schon eine Sonnenbrille aufsetzen, um dem überbordenden Ansturm des weißen Lichts problemlos standhalten zu können.
Dann plötzlich dieses Bild. Berge, die aus der offenbar niedrigen Wolkendecke herausragen (siehe unteres Foto). Und zu meiner großen Überraschung sind sie schneebedeckt. Die Sierra Nevada kann es nicht sein, denn wir befinden uns viel weiter westlich. Offenbar ist es einfach so kalt, dass der Schnee hier eine Zeit lang liegenbleibt. Weiterlesen