Auch die Natur malt zuweilen mit Wasserfarben. Dazu tragen vor allem die grünen und gelben Blätter sowie der durch die Lücken im Blätterdach der Bäume leuchtende blaue Himmel bei, die sich hier im bewegten Wasser eines kleinen Baches spiegeln. Dies ist nur eine Augenblicksaufnahme, die in genau dieser Form wohl kaum wieder zu sehen sein wird, egal wie lange man warten würde. Das heißt nicht, dass sich das fließende Wasser völlig zufällig verhält. Denn die Struktur der Sohle des Baches und die Geschwindigkeit des fließenden Wassers ändern sich nur sehr langsam. Aber das System des fließenden Baches ist chaotisch, will sagen es besitzt viele sogenannte sensitive Punkte, an denen benachbarte Wasserteilchen weit auseinander getrieben werden können, sodass ihre Bahnen nicht einzeln, sondern nur als Ganzes als „berechenbar“ angesehen werden können. Dieses äußert sich auch in den weitgehend ähnlichen Strukturen, die sich in dem Foto zeigen. Sie sind in – sagen wir – einer Minute zwar nicht exakt dieselben aber insofern gleichartig, als man den Eindruck hat, stets das gleiche Bild vor Augen zu haben – einen wohlstrukturierten Ausschnitt aus einem munter dahin plätschernden Bach.
Der Flügelschlag eines Schmetterlings gilt in der nichtlinearen Physik als Metapher für die Sensitivität von komplexen Systemen, wonach winzige Ursachen drastische Auswirkungen haben können. Aber man muss nicht unbedingt an physikalische Systeme denken. Der Flügelschlag hat lange bevor die Physik das Problem zum Forschungsgegenstand erhoben hat, in der Menschheitsgeschichte eine große Rolle gespielt. Der Dichter Heinrich von Kleist hat das Phänomen in seiner Erzählung: Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden sehr ausdruckstark beschrieben. Weiterlesen
Dieser Esel hier ist nicht Buridans Esel. Denn der muss genau in der Mitte zwischen zwei identischen Heuhaufen (gibt es so etwas überhaupt?) stehend verhungern, weil die Reize, die von jedem der Haufen ausgehen, identisch sind und daher auch exakt dieselbe Wirkung haben. Weiterlesen
Als ich neulich diesen unfreiwilligen Abfalleimer mit Rädern sah, wurde ich an ein auf den ersten Blick völlig anderes Phänomen erinnert, das ich vor Jahren mit einigen Freunden in einem Konzertsaal hervorgebracht habe. Es gelang uns gewissermaßen einem ganzen Konzertsaal unseren Willen aufzuzwingen. Dabei haben wir eine passende Situation ausgenutzt.
Das offizielle Konzert war bereits zu Ende. Der Dirigent hatte die Beifallsstürme bereits mit zwei Zugaben quittiert. Es sah nicht so aus, als ob er eine dritte geben würde. Da jedoch rege weitergeklatscht wurde und sich kaum einer anschickte zu gehen, sahen wir unsere Chance, dem Applaus und damit dem Wunsch nach einer weiteren Zugabe eine neue Qualität zu geben. Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim. In: Essener Unikate 11/1999, S. 9-21.
Wir müssen glauben, daß alles in der Welt eine Ursache habe, so wie die Spinne ihr Netz spinnt, um Fliegen zu fangen. Sie tut dieses, ehe sie weiß, daß es Fliegen in der Welt gibt“. Wie kommt es zu einem solchen Glauben? Darauf gibt es offenbar keine eindeutige Antwort…
PDF: Die Strukturen der Unordnung – Chaosphysik zwischen Zufall und Notwendigkeit
Schlichting, H. Joachim. In: Physik in der Schule 36/9, 304 (1998).
Der Weg der neuzeitlichen Physik ist mit Effekten gepflastert: der Doppler-, der Compton-, der Barkhausen- , der Mößbauer-, der Faraday- Effekt und neuerdings der Schmetterlingseffekt. Dieser unterscheidet sich von jenen nicht nur dadurch, daß er keinem großen Physiker, sondern einem kleinen empfindlichen Tier zugeordnet wird. Außerdem entzieht er sich der physikalischen Bestimmung und steht für das, was wir trotz der Kleinheit nicht zu beherrschen vermögen. Damit ist er nicht nur auf die Naturwissenschaften beschränkt. Man kann sogar umgekehrt feststellen, daß der Schmetterlingseffekt in der einen oder anderen Variante lange bevor er im Rahmen der Nichtlinearen Physik wissenschaftlich salonfähig wurde, in den verschiedensten Bereichen, der Philosophie, der Literatur usw. diskutiert wurde.
PDF: Der flatterhafte Falter der Chaosphysik – Anmerkungen zum Schmetterlingseffekt
Schlichting, H. Joachim; Backhaus, Udo. In: Praxis der Naturwissenschaften – Physik 42/4, 41 (1993).
Ein wesentliches Ziel der neuzeitlichen Naturwissenschaften ist die Vorhersage. Dieses Ziel wurde dadurch erreicht, daß man nach Mechanismen suchte, die hinter den Erscheinungen wirken und auf der Grundlage einer strengen Verknüpfung von Ursache und Wirkung für den Ablauf des beobachtbaren Geschehens sorgen. Indem der Mechanismus bzw. die Dynamik des betrachteten Systems in einer Differentialgleichung formalisiert wird, genügt die alleinige Kenntnis des Zustandes eines Systems zu einem bestimmten Zeitpunkt, um den Zustand zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt zu berechnen.
Weiterlesen in: Chaos in Platos Höhle