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Spuren

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Verräterischer Blick

Bei vielen Aktionen verrät man sich dadurch, dass man Spuren hinterlässt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Fotos im Spiel sind. Ein Selfie ist in vielen Fällen mit von der Partie, auch wenn man es nicht erwartet. So auch auf diesem Foto. Das Abbild hilft andererseits, die Aktion zu rekonstruieren.

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Viskoses Versinken

Wirft man einen Stein ins Wasser, so laufen einige nach Wellenlänge geordnete Ringwellen über die Wasseroberfläche und bescheren dem Stein einen naturschönen Abgang. In dickflüssigen Medien stellt sich das Versinken anders da. Vor allem dauert es je nach der Viskosität der Substanz wesentlich länger. Aber auch diesem Szenario ist eine gewisse Schönheit nicht abzusprechen.

Pareidolie als Tarnung

Hier hat eine Raupe ihre Fraßspuren dadurch getarnt, dass sie für neugierige Menschenblicke ein fröhlich tanzende Figur geschaffen hat. Sie soll davon ablenken, nach der Raupe selbst zu suchen. Die schwarzen Punkte, die man in den Fraßspuren entdeckt entsprechen einem Teil der Materie, die die Raupe zu sich genommen und nach Gebrauch (Lebensfunktionen und Körperaufbau) wieder portionsweise abgegeben hat.
Da durch diese Aktion der Raupe an den entsprechenden Stellen die Fotosyntheseeinrichtungen stark in Mitleidenschaft gezogen werden, ist vermutlich auch das Blattgrün (Chlorophyll) zerstört worden. Ich vermute, dass dort die ansonsten überdeckten Farben der Carotinoide und Anthocyane sichtbar werden, ähnlich wie im Herbst, wenn die Bäume das wertvolle Chlorophyll zurückziehen und im Stamm speichern.

Spuren im Sand

Vielleicht wollte die Sammlerin (des Sandes, HJS) sich gerade den Lärm der verzerrenden und aggressiven Sinneseindrücke vom Leibe halten, den konfusen Wind des Erlebten loswerden, um endlich die sandförmige Substanz aller Dinge für sich zu haben, die Kieselstruktur des Seins zu berühren. Darum löst sie die Augen nicht von jenen Sänden, dringt mit dem Blick in eins jener Gläser ein, gräbt sich ihr Loch, versetzt sich hinein und liest die Myriaden von Nachrichten, die in einem Häufchen Sand stecken. Jedes Grau, das einmal in helle und dunkle, glitzernde und trübe, kugelförmige, polyedrische und flache Körnchen zerlegt worden ist, erscheint nicht mehr als grau oder beginnt überhaupt erst, uns begreiflich zu machen, was eigentlich grau bedeutet.
Derart das Tagebuch der melancholischen (oder glücklichen!) Sandsammlerin entziffernd, frage ich mich am Ende, was eigentlich in jenem Sand der zahllosen Wörter geschrieben steht, die ich mein Leben lang aneinandergereiht habe, in jenem Sand, der mir jetzt so fern von den Stränden und Wüsten des Lebens erscheint. Vielleicht können wir, wenn wir den Sand als Sand und die Wörter als Wörter betrachten, ein wenig besser begreifen, wie und in welchem Maße die zermahlene und zerfallene Welt darin noch ein Fundament und Modell finden kann.
*


* Italo Calvino. Gesammelter Sand. Essays. München 1995, S. 13f

Der Mond verrostet nicht

Die rote Färbung lässt erahnen, was dereinst aus diesen im Moment noch stark wirkenden Eisenteilen werden wird – Rost, Staub, schließlich vom Wind verweht… Die Natur duldet keinen Stillstand, alles zerfällt und alles wird wieder neu. In größeren Zeiträumen betrachtet wird es keine Spuren von der menschlichen Zivilisation mehr geben. Was sind schon Millionen Jahre im Vergleich zum Alter der Erde?
Ganz anders ist es auf dem Mond. Wer sollte dort – außer vielleicht abgesehen von einem verirrten Kometen – irgendetwas verändern? Die ersten Menschen auf dem Mond fanden ihn so vor, wie er abgesehen von einigen Kratern in etwa seit seiner Entstehung ausgesehen hat. Die neuen menschlichen Spuren auf dem Mond wird so schnell keiner vernichten und es stellt sich die Frage, ob die Menschen nur deshalb auf den Mond wollten, um – vielleicht unbewusst – ihre Spuren – sogar im wortwörtlichen Sinn – zu hinterlassen. Denn dort ist alles ziemlich sicher vor Erosion und Korrosion.

Tag der Liebe

Gesehen auf einer von Sonne, Wetter und Gebrauchsspuren stark maltraitierten Asphaltstraße.

Auch wenn die Sonne die Asphaltdecke der Straße anschmilzt, der Asphalt verläuft und Verlaufspuren hinterlässt, wenn die Fußtritte und anderen Einwirkungen die weich gewordene Schicht weiter beeinträchtigt – die Botschaft bleibt zuminderst für diejenigen, die daran glauben erhalten. Mit etwas gutem Willen kann man darin sogar ein naturschönes Bild sehen.
Diese durch Absicht, Zufall und Notwendigkeit entstandene Struktur soll an den Tag der Liebe erinnern, der jährlich am 4. November begangen wird – sofern man daran denkt. Der Tag der Liebe ist die ägyptische Version des Valentinstags und wurde von Mustafa Amin in den 1970er Jahren initiiert.

Geheimnisvolle Spuren im Schnee

H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 1, (2021), S. 64 – 65

Vergessen wir die Dinge,
betrachten wir die Struktur

Georges Braque (1882–1963)

Abdrücke im Schnee entwickeln sich unter besonderen Bedingungen zu auffällig kreisförmigen Strukturen. Das liegt vor allem am Wärmeaustausch mit der Umgebung, der sich mit der Konsistenz des gefrorenen Wassers verändert. Weiterlesen

Wo bleibt das Wasser stehen

Schauen sie mal dort, wo das Wasser aufläuft . . . Es läuft den Strand hinauf und bleibt dann stehen . . . Da, genau der Punkt, an dem es stehenbleibt, es dauert nur einen Augenblick, sehen Sie, genau, da zum Beispiel . . . Sehen sie, daß es nur einen Augenblick lang anhält und dann versickert, wenn man diesen Augenblick doch festhalten könnte . . . Wenn das Wasser stehenbleibt, genau diesen Punkt, dieses Kurve . . . Das ist es, was ich erforsche. Wo das Wasser stehenbleibt.*

In vielen Fällen kann man den Augenblick festhalten. Das Wasser hinterlässt eine Spur an der Stelle, wo es stehenbleibt, zunächst noch glänzend, dann versickernd und stumpf werdend. Diese Spur besteht aus winzigen leichten Sandkörnern – sofern nicht noch leichtere Verunreinigungen im Spiel sind.
Oft sind die Spuren noch viel auffälliger und erwecken – aus dem jeweiligen Kontext herausgerissen – den Eindruck einer Gebirgslandschaft, die einem dreidimensional entgegenzutreten scheint.


* Alessandro Baricco. Oceano Mare – Das Märchen vom Wesen des Meeres. München 2001, S. 39

Ein Traktoren-Tanzplatz?

„Was das hier wäre?: „Na, ein Traktoren-Tanzplatz; unverkennbar.“ Denn die grobgeperlten, geriffelten, profilierten, conti-gesohlten Spuren überschnitten, kreuzten, ringelwurmten, walzten, derart um- & durcheinander, daß es rational-rationell schwerlich mehr zu erklären war: „Gleich hinter Mitternacht, wenn sich der träge Nordbär umgekehret, mach sie sich los: brummldieknubbldiebrapp“

Hat Arno Schmidt recht?

Die Spuren mit einer Breite von ca. 2 cm wurden übrigens nicht von Traktoren, sondern von Käfern hervorgerufen, die in Wüstengebieten aktiv sind. Diese Aufnahme habe ich in der kleinen „Wüste“ von Maspalomas auf Gran Canaria aufgenommen. Tagsüber sieht man die Käfer kaum, dafür findet man die Spuren am nächsten Morgen umso häufiger vor. Um welche Käfertypen es sich hier im einzelnen handelt, konnte ich bislang leider nicht in Erfahrung bringen.


* ArnoSchmidt (1914 – 1979). Kühe in Halbtrauer. Berlin; 1990, S. 88

Durchgestartet

Ich sehe einen Vogel im Anflug. Er scheint sich auf der schneebedeckten Lichtung im Wald niederlassen zu wollen. Vielleicht hat er mich im letzten Moment gesehen und es sich anders überlegt. Jedenfalls startet er mit kräftigen Flügelschlägen durch und erhebt sich wieder in die Lüfte. Eine filigrane Spur dieses Manövers ist im Schnee zu sehen. Die Flügelspitzen haben bereits die Schneedecke berührt. Ich frage mich, ob ich das Muster hätte deuten können, wenn ich den Vogel nicht selbst bei seinem Tun beobachtet hätte?
Mich erinnert der Vorgang an ein abgebrochenes Landemanövers eines Flugzeuges auf der Kanareninsel La Palma. An einem nebeligen Tag hatte das Flugzeug sich der äußerst kurzen Start- und Landebahn genähert. Man erwartete bereits den Ruck des Aufsetzens der Räder und das Aufheulen der Motoren im Umkehrschub. Aber diesmal kam das Heulen vorher und der Ruck blieb aus, der Pilot hatte die Maschine im letzten Moment wieder durchgestartet, weil – wie er hinterher erklärte – wegen des Nebels keine genügende Sicht für eine sichere Landung vorhanden war. Zum Glück sind keine sichtbaren Spuren zurückgeblieben.

Natürliche Linien

Dieses Foto lebt von seinen Linien. Sie sind von ganz unterschiedlicher Art. Sehr auffallend sind die Schattenlinien, die das Sonnenlicht von den Gräsern in den Sand zeichnet. Man kann sie von den Urbildern kaum unterscheiden mit denen sie ein einheitliches Ensemble bilden. Einige Tiere haben linienartige Spuren im Sand hinterlassen. Sie befinden sich am Ende dieser Spuren, wo immer es sein mag. Weiterlesen

Rätselhafte Spuren

Weißt du, was schön ist, hier? Schau: wir gehen und lassen alle diese Abdrücke im Sand zurück, und sie bleiben bestehen, ganz deutlich und ordentlich. Aber wenn du morgen aufstehst, wirst du auf diesen großen Strand schauen, und nichts wird mehr da sein, kein Abdruck, kein anderes Zeichen, gar nichts. Das Meer löscht alles aus in der Nacht. Die Flut versteckt alles. Als wäre nie jemand hier entlanggegangen. Als hätten wir nie existiert. Wenn es einen Ort auf der Welt gibt, an dem du meinen könntest, du seiest nichts, dann ist es dieser Ort hier. Nicht mehr Land, noch nicht ganz Meer. Kein unechtes leben, kein echtes Leben. Es ist die Zeit. Zeit, die vergeht. Weiter nichts.* Weiterlesen

Wege 11: Dünenwanderung

Hier ging ein Mensch, seine Spur verrät, dass er nicht ganz zielstrebig voranschritt. Er muss überlegt haben, wie er den nächsten Dünenabhang durchqueren würde. Zweimal weicht er vom „Weg“ ab, bevor er in der ursprünglichen Richtung weitergeht. Vielleicht hat er gesehen, dass es an der linken Seite steiler heruntergeht als gedacht. Weiterlesen

Erste Spuren im Schnee

In einem früheren Beitrag haben wir über Muster berichtet, die Fußspuren im feuchten Sand hinterlassen, wenn anschließend ein Sturm darüber hinwegfegt und die komprimierten Stellen zurückbleiben. Eine ähnliche Beobachtung macht man beim Schnee. Claudia Hinz hat mir einige aktuelle Fotos vom Fichtelberg zugeschickt, auf denen man derartige Hinterlassenschaften von Verfestigungen im Schnee bestaunen kann. Weiterlesen

Vögel sind auch nur Menschen

VogelgegenScheibe_rvDieser Satz ging mir als erstes durch den Kopf, als ich nach einem großen Knall an meinem nur etwa 1 m entfernten Fenster vor meinem Schreibtisch allmählich wieder zu Sinnen kam und nach und nach begann, das Ereignis in seiner ganzen Komplexität und Dramatik zu erfassen. Weiterlesen

Tierische Kunst

Blattgerippe_rvKünstliche Structur der Blätter.

Ich habe jüngst ein Eichen-Blat gefunden,
Das, durch der kleinen Würmer Schaar,
So künstlich ausgefressen war:
Daß alle Aederchen darin in netter Ordnung stunden.
Unzehlig war der zarten Gänge
Verändrung, Unterschied und Menge. Weiterlesen

Unlöschbare Spuren auf der Fensterscheibe

Transportspuren-von-SaugnäpEine Glasscheibe im Wintergarten. Sie tut dort seit vielen Jahren ihren Dienst, einfach nur transparent zu sein und die Witterung abzuhalten. Immer dann, wenn es draußen kalt ist und die Scheibe von innen beschlägt, kommt ein kreisrundes Muster zum Vorschein. Die Perfektion des Kreises und die Tatsache, dass er immer wieder an derselben Stelle erscheint, haben mich davon überzeugt, dass es sich hier nicht um eine Hervorbringung des Zufalls handeln kann. Besonders irritierend fand ich die Beobachtung, dass der Kreis bei trockener Scheibe weder zu sehen ist noch sichtbar gemacht werden kann und er alle bisherigen Reinigungsaktionen überstand. Weiterlesen

Steine: Die Dinos waren hier…

Saurierfährten_rv… und haben Spuren hinterlassen. Wenn man vor der fast senkrecht hochragenden Wand steht und die erstaunlich gut erhaltenen Fährten aus einer unvorstellbar fernen Zeit vor Augen hat, werden die Geschichten von den Dinosauriern unversehens ziemlich real. Weiterlesen

Spuren am Strand

Spuren_am_StrandBei der Erschließung der Vergangenheit und der Welt schlechthin sind wir oft darauf angewiesen, uns mit Spuren auseinanderzusetzen, um sie zu deuten und daraus Erkenntnisse zu gewinnen, die auf andere Weise nicht zu erlangen wären. Diese Spurensuche kann insbesondere in den Naturwissenschaften zu Ergebnissen führen, die man so vielleicht nicht erwartet hätte: „Wir haben an den Gestaden des Unbekannten eine sonderbare Fußspur entdeckt. Wir haben tiefgründige Theorien, eine nach der anderen ersonnen, um ihren Ursprung aufzuklären. Weiterlesen

Verwehte Spuren im Sand

Spuren-im-Sand-2Die vom Vortag zeugenden Fußspuren sind durch den Sandsturm in der Nacht nicht verschwunden, sondern wurden nur modifiziert bzw. harmonisch in das übrige Netzwerk der Sandrippel integriert. Umgekehrt sind sie nicht ohne Wirkung auf die übrige Rippelbildung geblieben. Man hat den Eindruck, dass auch sie sich der Störung durch die Fußspuren angepasst und ganz anders strukturiert worden sind als es bei ungestörter Sandfläche der Fall gewesen wäre.

Die physikalischen Gesetze, die zu dieser Strukturbildung führen, sind weitgehend bekannt (Strukturen im Sand). Die komplexen Randbedingungen, die dem vorliegenden Muster zugrunde liegen, legen allerdings eher einen ästhetischen als einen physikalischen Zugang nahe. Das Muster angemessen zu beschreiben ist schwierig, weil man sich keiner Vergleichsbilder bedienen kann. „Denn man ist in einem abstrakten Universum das keine Beziehung mit einem andern Universum hat. Für die meisten übrigen Formen der Natur, wie etwa für die Bäume und für die Berge kann man vergleichbare Bilder finden, aber nicht für die Formen welche durch den Sand entstehen“ (Italo Calvino)

Spuren im Sand

Sandspuren042„Was das hier wäre?: „Na, ein Traktoren-Tanzplatz; unverkennbar.“ Denn die grobgeperlten, geriffelten, profilierten, conti-gesohlten Spuren überschnitten, kreuzten, ringelwurmten, walzten, derart um- & durcheinander, daß es rational-rationell schwerlich mehr zu erklären war: „Gleich hinter Mitternacht, wenn sich der träge Nordbär umgekehret, mach sie sich los: brummldieknubbldiebrapp“ (Arno Schmidt: Die Wasserstraße).

Weit gefehlt: Es sind Spuren von Käfern in einer Sandwüste. Sie wurden des Nachts hinterlassen, am sonnigen Tage findet man von den Käfern keine Spur – nur ihre Spuren.

Spurenlesen in der Regentonne

Regentonne-TropfenrvSchlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 42/4 (2011), S. 60-61

Der Aufprall von Wassertropfen auf eine Wasseroberfläche ist folgenreich. Doch das zeigt erst eine Fotografie.

»Eine Bewegung (in Einzelvorgänge) auflösen heißt nicht sie erklären, sondern ihren Sinn zerstören, indem man ihren Rhythmus fälscht. Es gibt eine Verlangsamung, in der der Sinn der Bewegung völlig verloren geht, besonders für den Ungeduldigen.«
Arthur Schnitzler (1862 – 1931)

http://www.spektrum.de/alias/schlichting/spurenlesen-in-der-regentonne/1064594

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