Bei uns regnet es nun schon eine Weile ohne Unterlass. Und da wegen des feuchten Gedränges kaum noch Gelegenheit besteht, von der Straße in die Vorfluter zu gelangen, bleibt das Wasser einfach auf der Straße und schafft sich ein neues Bett. Aber das geschieht von Natur aus alles in regelrechter Ordnung. Das fließende Wasser schickt sich sogar an, sich mit einer naturschönen Kräuselung zu versehen.
Da das strömende Wasser zu den ansteigenden Rändern hin eine größer Reibung mit dem Untergrund erfährt und daher an diesen Stellen stärker geschert wird als weiter innen, wird es gewissermaßen nach außen hin gebrochen. Dort wird es dann an der ansteigenden „Böschung“ in Richtung Strommitte reflektiert, schießt dann aber Trägheit übers Ziel hinaus zur anderen Seite, wo es in spiegelverkehrter Weise dasselbe Schicksal erfährt. Rein optisch zeigt sich dieses Hin und Her in einem schön anzusehenden Muster.
Der rotierende Torus fällt. Aber es dauert lange bis er danieder liegt und mit seinem Schatten zusammenfällt. Für mich enthält diese Bewegungsfigur eine große Symbolkraft.
H. Joachim Schlichting, Wilfried Suhr. Physik in unserer Zeit 53/5 (2022), S. 246 – 250
Ein aus einem Stahlband geknüpftes, torusartiges Objekt rollt, durch die eigene Gewichtskraft angetrieben, an einem Stab herab. Hinter diesem einfach anmutenden Vorgang verbirgt sich ein äußerst interessantes visuelles und physikalisches Geschehen.
Der Künstler und Konstrukteur Jochen Valett (1922– 2014) hat ästhetisch ansprechende und die physikalische Intuition herausfordernde kinetische Designobjekte geschaffen. Seine originellen Versionen raffiniert zu handhabender Kreisel, sowie seine künstlerische Umgestaltung des Wilberforce-Pendels wurden bereits in der „Spielwiese“ besprochen [1, 2]. Hier stellen wir eine weitere Kreation Valetts vor, die in ihrer Einmaligkeit, Ästhetik und physikalischen Raffinesse wohl als Krönung des Valettschen Schaffens angesehen werden kann: den Toroflux. Dieses kinetische Phänobjekt wird inzwischen weltweit als Spielzeug vermarktet, ohne dass die künstlerischen, ästhetischen und physikalischen Aspekte bisher eine angemessene Würdigung erhalten hätten. Im Folgenden wollen wir vor allem die wesentlichen physikalischen Hintergründe der teilweise äußerst erstaunlichen Phänomene herausarbeiten, die mit diesem ausgeklügelt gestalteten Stahlband hervorgebracht werden können.
Nach der Erfindung des Toroflux hat Valett die Urversion in den 1980er-Jahren an einige Spielzeugläden verteilt, um diesen bekannt zu machen. Er wollte den Toroflux anschließend in größerem Maßstab vermarkten, was sich jedoch als Fehlschlag erwies. Wer den Toroflux zum ersten Mal in Aktion erlebt, kann sich kaum der Faszination entziehen, die von diesem filigranen, spindeltorusförmigen Edelstahlgebilde ausgeht. Dies gilt besonders, wenn man es um einen geschickt gedrehten Kreisring laufen lässt, wie es Valett vorgesehen hatte, und es so wie eine im Licht glänzende, überdimensionale Seifenblase gleichsam zum Schweben bringt (Abbildung 1). Um diesen stationären Zustand zu erreichen, muss der senkrecht gehaltene Ring durch Übergabe von einer Hand in die andere genauso schnell gedreht werden, wie der an der gegenüberliegenden Seite des Rings rotierende Toroflux an Höhe verliert. Ein deutlich hörbares Schnurren lässt erkennen, dass ein Teil der Energie durch die Wechselwirkung des Drahtgebildes mit der Luft dissipiert wird. Dies ist auch dadurch in den Händen zu spüren, dass der Rotor mit zunehmender Drehgeschwindigkeit schwerer zu werden scheint, als es seinem Gewicht entspricht – warum das so ist, werden wir später sehen.
Im Nachhinein erscheint es merkwürdig, dass ein so raffiniertes und leicht zu handhabendes Phänobjekt nicht gleich zu einem Verkaufsschlager wurde. Es vergingen viele Jahre, bis der Toroflux zunächst in einer kleineren Version ohne den sperrigen und für den Verkauf hinderlichen Ring vermarktet wurde. Aber erst als der Toroflux vor allem über Youtube-Videos (zum Beispiel [3]) in faszinierenden Performances präsentiert wurde, setzte ein Hype ein, der inzwischen allerdings bereits wieder abgeebbt ist.
In den Youtube-Videos geht es jedoch weniger um die stationäre Rotation an einem Stab oder Ring als vielmehr um den sportlichen bis tänzerischen Umgang mit dem Toroflux. Die Frage, welche physikalischen Vorgänge diesen raffiniert aus Stahlband geknüpften Torus zu derartigen Bewegungsfiguren befähigen, ist unserer Kenntnis nach bislang weitgehend unbeantwortet geblieben. Ihr wollen wir im Folgenden in einigen wesentlichen Aspekten nachgehen. In einer zweiten Folge widmen wir uns den optischen Effekten, die der Toroflux hervorbringt… weiter in: Das kinetische Objekt Toroflux oder preprint von mir.
Eine unangenehme Eigenschaft von Schmutz besteht darin, dass er oft ziemlich anhänglich ist. Er bleibt an den Schuhen, an den Reifen und fast an allem hängen, wenn er nicht aktiv daran gehindert wird. Schaut man sich Oldtimer-Autos an, so mag ja vieles an ihnen fehlen, aber Kotflügel findet man fast immer. Selbst die Pferdekutschen hatten bereits solche, auch wenn die „Flügel“ heute weniger vor Kot schützen als vor Dreck ganz allgemein. Dabei besteht dieser Dreck vor allem aus Staub, Erde, Sand, die mit Wasser vermengt eine klebrige Masse – Matsch – ergeben.
Die Ursache für diese Anhänglichkeit ist vor allem die Wasserliebe (Hydrophilie) des Straßendrecks einerseits und der Karosserie des Autos andererseits. Wenn man durch Matsch fährt, bleibt dieser zum Teil an den Reifen kleben. Das liegt daran, dass das Reifenmaterial ebenso wasserliebend ist wie der Dreck, der mit Wasser zusammen eine Art Kleister bildet.
Wenn sich die Reifen drehen, wird der anhaftende Schmutz ebenfalls auf die Rundreise geschickt. Aber nur bei kleinen Geschwindigkeit. Bei höherer Drehzahl, löst sich der Schmutz. Um das zu verstehen, müssen wir kurz auf den physikalischen Trägheitssatz zu sprechen kommen. Demnach bleibt ein Körper in Ruhe oder gleichförmiger Bewegung (bewegt sich also mit konstanter Geschwindigkeit geradeaus), wenn er durch keine Kraft daran gehindert wird. Der mit den Reifen in Bewegung gesetzte Schmutz wird auf eine Rundreise gezwungen. Das macht er aber nur solange mit, wie die Adhäsionskraft ausreicht, die Kraft mit der der Schmutz vom drehenden Reifen zum Zentrum der Drehbewegung gezogen wird, zu kompensieren. Da diese sogenannte Zentripetalkraft mit der Geschwindigkeit zunimmt, die Adhäsionskraft aber konstant ist, kommt es schließlich zur Trennung von Reifen und Schmutz. Auf diese Weise sich selbst überlassen bewegt sich der Schmutz geradlinig gleichförmig weiter und entfernt sich tangential vom Reifen. Die Kotflügel sind dazu da, den sich entfernenden Schmutz aufzufangen. Dabei kann es passieren, dass insbesondere bei Kurvenfahrten ein Teil streifend an der Karosserie entlang schleift und teilweise haften bleibt. Dadurch werden die geraden Bahnen gewissermaßen aufzeichnet (siehe Foto).
Genau genommen ist der Weg des frei gewordenen Schmutzes auch nicht ganz gerade und gleichförmig. Denn sobald er den Reifen verlassen hat, macht sich die Erdanziehungskraft bemerkbar, durch die er auf eine Bahn des schiefen Wurfs gezwungen wird. Aber diese Kraft ist vergleichsweise so gering, dass die Bahnkrümmung auf dem kurzen Weg bis zum Kotflügel nicht zu sehen wäre. Nur wenn der Kotflügel fehlte, würde der schräg nach oben startende Schmutz im hohen Bogen wieder zur Erde oder vorher auf andere Verkehrsteilnehmer zurückkommen. Dabei hätte er abermals Gelegenheit, seine Anhänglichkeit unter Beweis zu stellen.
Doch kaum einer interessiert sich für die spannende Geschichte des Schmutzes und die rühmliche Rolle, die ein Kotflügel spielt…
Kein Wunder, dass für diesen Nikolaus der Eingang verwehrt wird. Denn er hat offensichtlich keine Geschenke dabei und sitzt dennoch auf einem hohen Ross.
Dieses Ross, vulgo Hochrad, war weder für Nikoläuse noch für für Akrobaten vorgesehen, sondern war mal als Alltagsfortbewegungsmittel gedacht. Es hat sich, wie man weiß, nicht durchgesetzt. Zum Glück, denn mit diesem Gefährt wäre der Radverkehr noch unbedeutender geworden, als er es mit dem nicht lange nach dem Hochrad entwickelten Fahrrad wie wir es heute kennen leider immer noch ist.
Wie kommt es zu dieser geraden Begrenzung der Reifschicht?
Erklärung des Rätselfotos des Monats November 2021
Frage: Warum krümmt sich der Strahl?
Antwort: Das ist eine alte Frage und hat zu zahlreichen Erklärungen geführt. Neueren Untersuchungen zufolge spielt die Benetzbarkeit (Hydrophilie) des Tüllenmaterials, die bei üblichen Teekannen verhältnismäßig groß ist, die entscheidende Rolle bei der Krümmung der Flüssigkeitsströmung. Die Stärke der Benetzbarkeit kann durch den sich zwischen Tülle und Flüssigkeit einstellenden sogenannten Kontaktwinkel charakterisiert werden. Ein kleiner Kontaktwinkel weist auf eine starke Anziehung (Adhäsionskraft) hin. Wenn die Flüssigkeit über die nach unten gekrümmte Tülle strömt, tendiert sie einerseits aufgrund der Trägheitskraft dazu, ihre Richtung beizubehalten. Andererseits wird sie aufgrund der Adhäsionskraft von der Tülle „festgehalten“ und folgt ihrer Krümmung. Da die Trägheitskraft mit der Strömungsgeschwindigkeit zunimmt, überwiegen die Adhäsionskraft und damit die Krümmung umso mehr, je langsamer die Flüssigkeit strömt. Beim vorsichtigen Einschenken des Tees wird dieser also auch gegen die Schwerkraft zur Kanne hin gekrümmt. Erreicht der Strom dabei den ebenfalls hydrophilen Kannenhals, wird der Strahl durch diesen angezogen und bildet den im Foto zu sehenden gekrümmten Strahl aus.
Die beste Möglichkeit zur Vermeidung des Teekanneneffekts besteht demnach darin, die Teekannentülle aus Material mit einer geringen Benetzbarkeit (hydrophob) zu fertigen, was durch entsprechende Beschichtungen erreicht werden könnte.
H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 8 (2020)
Wer lauter große Dinge sehen will,
muß sich zu einer Mücke wünschen.
Wilhelm Heinse (1746 – 1803)
Im freien Flug überleben kleine Insekten selbst den Aufprall vergleichsweise schwerer Wassertropfen. Paradoxerweise rettet die Tiere ausgerechnet ihr geringes Gewicht. Weiterlesen
Galileo Galilei hat mit seiner Behauptung, dass alle Gegenstände gleich schnell fallen würden, eine wesentliche Grundaussage für die zu seiner Zeit entstehende neuzeitliche Physik getroffen. Diese gilt natürlich nur im luftleeren Raum, in dem der Luftwiderstand entfällt.
Aber selbst wenn man diese Voraussetzung akzeptiert, fragt sich die eine oder der andere* vielleicht, warum die größere Masse nicht „stärker“ beschleunigt wird und eine größere Fallgeschwindigkeit erlangt. Gibt es dafür eine plausible anschauliche Erklärung?
Ich denke man könnte rein anschaulich folgendermaßen argumentieren: Weiterlesen
Abbé Montret tauchte zwei Kekse auf einmal in sein Glas
und schnappte sie gierig auf, bevor sie sich in der Flüssigkeit auflösten und im Glas verschwinden konnten.
Pascal Quignard*
Einen Keks in den Tee oder Kaffee zu tunken, entspricht nicht den allgemein akzeptierten Tischmanieren. Vielleicht nur deshalb, weil dabei leicht „Unfälle“ passieren können, bei denen die weiche und anhängliche Keksmaterie an Stellen geraten kann, wo sie nicht hingehört. Denn der eingetunkte und dadurch mehr oder weniger stark aufgeweichte Keks (wenn man denn überhaupt noch von „Keks“ sprechen kann) birgt die Gefahr entweder im Getränk zu versinken, was ein späteres Auslöffeln der Kekssuppe nach sich ziehen würde, oder auf dem Wege zum Mund unter dem eigenen Gewicht zu zerfallen und vom noch harten Teil, an dem er angefasst wird, abzufallen. Weiterlesen
Das Kunststück ist einfach: Eine in sich geschlossene Kette wird mit der einen etwas gespreizten Hand so gehalten, dass die beiden Halbketten locker dicht nebeneinander herunterhängen. Mit der anderen Hand wird von unten ein Ring über die Kette geschoben. Indem die beiden Teile der Kette den Ring berühren, lässt man den Ring fallen und das Unerwartete tritt ein: Der Ring fällt nicht zu Boden, sondern wird von der Kette gefesselt und bleibt am unteren Ende hängen. Man muss den Knoten in der Kette lösen, um den Ring wieder frei zu bekommen.
Die mit etwas Übung leicht durchzuführende Aktion steht in keinem Verhältnis zur Unglaublichkeit des Ergebnisses. Wie die nebenstehenden Bilder einer Slow-motion Fotoserie* zeigen, ist hier jedoch keineswegs Zauberei im Spiel sondern knallharte Physik. Weiterlesen
H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 50/5 (2019), S. 251
Beim Bestreben eines horizontal aus einer Öffnung austretenden flachen Flüssigkeitsstrahls Zylinderform anzunehmen, schießt er aus Trägheit über das Ziel hinaus.
Schlichting, H. Joachim. Spektrum der Wissenschaft 6 (2018), S. 62 – 63
Subtile spiralförmige Strömungen in umgerührtem Tee schichten darin verbliebene Blattstücke zu einem kleinen Häufchen in der Mitte des Tassenbodens auf. Weiterlesen
Der Hype mit dem Fidgetkreisel ist weitgehend vorbei. Man wischt sich die Augen und fragt: War das alles? Oder etwas konstruktiver: Was bleibt? Eines bleibt auf jeden Fall; das ist die Idee, einen Kreisel mit einem Kugellager zu versehen. Weiterlesen
Wer beim Eingießen von Tee oder Kaffee den Flüssigkeitsstrahl ins Visier nimmt, könnte sich über eine oszillierende Struktur des Strahls wundern. Dass ein Flüssigkeitsstrahl dazu tendiert, zwischen zwei verschiedenen Querschnitten, einem breiten und einem schmalen hin- und her zu schwingen, ist mir zum ersten Mal in Marrakech aufgefallen, als mir bei einer Einladung der traditionelle Minztee eingeschenkt wurde. Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 7 (2017), S. 70 – 71
Das Sein ist eine aus lauter Knoten
bestehende Linie
Friedrich Hebbel (1813–1863)
Egal, wie fest man die Schleife bindet, irgendwann öffnet sich beim Laufen jeder Knoten. Das geschieht meist innerhalb weniger Schritte, wenn sich unscheinbar kleine Effekte plötzlich katastrophal aufschaukeln. Weiterlesen
… unternahm Karl von Drais heute vor genau 200 Jahren. Mit seiner hölzernen, zweirädrigen Laufmaschine fuhr er von Mannheim zum Schwetzinger Relaishaus und zurück. Diese Strecke von ca. 15 Kilometern legte er in einer Stunde zurück und war damit schneller als die Postkutsche. Wer sich heute die Laufmaschine ansieht, ist mit dem Wissen um die weitere Entwicklung des Fahrrads vielleicht weniger beeindruckt als es die Erfindung wirklich verdient. Weiterlesen
Auch vergilbte Blätter sitzen manchmal noch sehr fest an der Pflanze. Wem das nicht klar ist, dem kann es so gehen wie mir. Ich möchte das Blatt von einer Topfblume entfernen und reiße den ganzen Topf von der Fensterbank. Sicherer ist es, wenn man die Restblume mit einer Hand festhält und das Blatt mit der anderen Hand abzieht. Weiterlesen
»Betrachten Sie mein Kleid oder meinen Körper?« fragte sie und richtete sich auf, um die Brust herum leicht anschwellend.
»Ich bin sehr oberflächlich, also sehe ich nur Ihre schönen blauen Mäander. Das ist so ein altes Muster. Eigentlich hat
es etwas Verzweifeltes, finden Sie nicht?«
»Wieso?« Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim. Spektrum der Wissenschaft 11 (2015), S. 52 – 53
Der Strahl einer fallenden, zähen Flüssigkeit kann sich falten und zu Spiralen winden. Dabei wirken sein zugleich fester und flüssiger Charakter zusammen.
Der Wirbel ist nicht etwas Feststehendes,
sondern beständig Wandelbares – aber
in jedem Augenblick neu Reproduziertes.
Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775 – 1854)
Erklärung des Rätselfotos vom Vormonat: Blauer Sternenhimmel
Ein ruhender Gegenstand wird oft als Inbegriff von Stabilität angesehen. Ein Stuhl mit vier Beinen steht unverrückbar auf dem Boden. Erst wenn Bewegung ins Spiel kommt, wenn man beispielsweise mit dem Stuhl kippelt, wird die Situation instabil und es kann zu spektakulären Um- bzw. Unfällen kommen.
Es kann aber auch umgekehrt sein, nämlich dass ein bewegter Gegenstand stabiler gegen solche Umfälle ist als ein ruhender. Eindrucksvolle Beispiele dafür sind der Kreisel und das Fahrrad. Beim Kreisel ist es die Drehimpulserhaltung, die den rotierenden Kreisel daran hindert, einfach so umzufallen, wie er es täte, wenn er in Ruhe wäre. Beim Fahrrad hält sich hartnäckig das Gerücht, dass auch hier die Drehimpulserhaltung (der rotierenden Räder) entscheidend ist. Sie spielt allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Wichtiger ist der Einfluss der Trägheit (genau genommen ist auch das „Ausweichen“ des Kreisels ein Trägheitseffekt, aber der ist hier nicht gemeint.). Unter Trägheit verstehen wir die in vielen Situationen anzutreffenden Eigenschaft von Gegenständen, im Zustand der Ruhe oder geradlinig gleichförmigen Bewegung zu verharren, solange keine äußere Einwirkung erfolgt. Wenn ein Ball in Ruhe ist, so muss ich eine Kraft aufwenden, ihn in Bewegung zu setzen. Wenn es dann aber in Bewegung ist, „möchte“ er auch in Bewegung bleiben und wenn ich ihn fange und damit wieder zur Ruhe bringe, muss ich abermals Kraft aufwenden, um ihn zu bremsen. Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim, Ucke, Christian: In: Physik in unerer Zeit 44/5 (2013), S. 240-242
Was auf den ersten Blick wie ein simples Geduldsspiel erscheint, ist in Wirklichkeit ein raffiniertes physikalisches Spielzeug: die Kugelwippe. Was mit Geduld nur sehr schwer zu erreichen ist, gelingt mit einem physikalischen Trick.
PDF: Kann beim Autor angefordert werden.
Schlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 44/10 (2013), S. 54 – 55
Ihre Anatomie hindert Katzen und Hunde daran, Flüssigkeiten einfach einzusaugen.
Den Durst können die Tiere nur dank einiger Tricks stillen.
Es muß in der Physik fast Alles
neu untersucht werden,
selbst die bekanntesten Dinge,
weil man gerade da am wenigsten
etwas Neues oder Unrichtiges vermuthet
Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799)
PDF: Schlabbern mit Stil
Schlichting, H. Joachim. In: Naturwissenschaften im Unterricht – Physik 3/12, 18 (1992).
Obwohl Schüler i.a. Erfahrungen mit geschleuderten bzw. an einer Schnur herumgewirbelten Gegenständen haben, erscheint ihnen meiner Erfahrung nach der Umlauf auf der Kreisbahn als ungezwungene, sich selbst erhaltende, natürliche Bewegung. Hier zeigt sich einmal mehr, daß bestimmte lebensweltliche Sehweisen physikalischen Ideen der aristotelischen Physik ähnlich sind. Im Rahmen der neuzeitlichen Physik wird die Kreisbahn jedoch nicht mehr als einfach angesehen. Die gerade Linie ist hier das bestimmende Paradigma. Die Kreisbahn muß man sich als „gewaltsam“ aus der geraden Linie hervorgebracht denken. Das intuitive Festhalten an der als überwunden geglaubten aristotelischen Auffassung mag Ausdruck der Tatsache sein, daß
das intuitive Erfassen der „vollkommenen“ Gestalt des Kreises dem lebensweltlichen Denken näher ist als der analytische Zugang über die Dynamik der Kreisbewegung…
Schlichting, H. Joachim. In: Praxis der Naturwissenschaften- Physik 41/2, 5 (1992).
Die so genannte Kugelwippe (siehe Abb. 1) wird als Geduldspiel bzw. Puzzle vertrieben[1]. Sie läßt sich aber auch leicht selbst herstellen[2]. Die Spielaufgabe besteht darin, die beiden Kugeln, die sich normalerweise im Minimum der Mulde befinden, in die beiden Nischen am rechten und linken oberen Rand der Wippe zu befördern. Versucht man, das Problem auf die zunächst naheliegend erscheinende Art zu lösen, durch Neigen der Wippe zuerst die eine Kugel und dann auf dieselbe Weise die andere Kugel in die jeweilige Nische zu bringen, dann wird man je nach Länge des jeweiligen Geduldsfadens früher oder später
feststellen, daß es so nicht geht. Denn gemeinerweise rollt die bereits am Zielpunkt fixierte Kugel unweigerlich wieder aus der kleinen Vertiefung heraus, wenn man anschließend die Wippe zur anderen Seite neigt, um auch die zweite Kugel ins Ziel zu bringen. Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim. In: Naturwissenschaften im Unterricht- Physik 39/10, 16-17 (1991).
Es wird ein Freihandversuch vorgestellt, an dem wesentliche Eigenschaften des Trägheitsprinzips erkennbar gemacht werden können. Im Anschluß daran, wird gezeigt, daß in zahlreichen Alltagssituationen in intuitiver Weise von diesem Prinzip Gebrauch gemacht wird.
Schlichting, H. Joachim. In: Naturwissenschaften im Unterricht – Physik 39/10, 18 (1991).
Wie kann man eine entleerte Getränkedose ohne Gewaltanwendung zermalmen? Eine Möglichkeit besteht darin, daß sich ein Schüler mit einem Fuß auf die (aufrecht stehende Dose ) stellt. (Er darf sich dabei z.B. an der Wand abstützen. Die Dose erweist sich normalerweise als so stabil, daß sie unter dieser Belastung ganz bleibt. Es genügt aber, wenn ein zweiter Schüler z.B. mit einem Lineal leicht gegen die seitliche Wandung der Dose drückt und dadurch eine kleine Einbeulung hervorruft. Es kommt augenblicklich zur Katastrophe: Die Dose wird unter dem Gewicht des Schülers „förmlich“ plattgedrückt (siehe [1]).
Schlichting, H. Joachim. In: Physik und Didaktik 19/1,78 (1991).
Obwohl wir auf einem in mehrfacher Weise rotierenden Planteten wohnen, haben wir wenig Erfahrung mit typischen Rotationseffekten: Das zeigen die vor allem körperlichen Überraschungen, die man in Karussells und anderen relativ schnell bewegten Objekten erleben und – von Schwindelgefühlen und anderen unangenehmen Begleiterscheinungen einmal abgesehen – genießen kann. Selbst beim Prellen eines harmlosen Flummis zeigt sich die mangelnde Erfahrung, wenn unsere bei normalen Bällen bestens bewährten Fangkünste (= intuitive Fähigkeit, die Bewegungsgleichung des Balls „im Fluge“ zu integrieren), zu hilflos erscheinenden, meist wenig erfolgreichen Fangversuchen geraten.
Schlichting, H. Joachim. In: technic-didact 10/1, 49 (1985).
Die Gleichgewichtsproblematik des Fahrrads läßt sich je nach der Drehachse, um die sich das aus der Gleichgewichtslage ausgelenkte Fahrrad drehen kann, in drei Abschnitte einteilen. Die Drehung um eine Achse durch das Fahrrad senkrecht zur Erdoberfläche spielt jedoch keine wesentliche Rolle und kann daher vernachlässigt werden. Die Drehung um eine Achse längs durch das Rad (in Fahrtrichtung) wurde unter der Thematik „Zur Gleichgewichtsproblematik beim Fahrradfahren“ in einer vorangegangenen Arbeit in dieser Zeitschrift behandelt /l/. Die Drehung um eine Achse quer durch das Rad (senkrecht zur Fahrtrichtung) soll in der vorliegenden Arbeit skizziert werden. Sie betrifft die Wirkung von Drehmomenten, die durch Bremsmechanismen zustande kommen. Wie schon in /l/ beschränken wir uns im weiteren auf qualitative Argumente und einige quantitative Abschätzungen.
Schlichting, H. Joachim. In: technic-didact 9/4, 257 (1984).
Die physikalische Beschreibung eines fahrenden Zweirads hat Mathematiker und Physiker immer wieder herausgefordert. WHIPPLE /10/ und Mc GAW /7/ dürften die ersten gewesen sein, die eine Theorie des Fahrradfahrens vorgelegt haben. Später befaßten sich TIMOSHENKO und YOUNG /9/ erneut mit der Problematik. Die Ergebnisse wurden kaum akzeptiert, weil viele vertraute Aspekte des Fahrradfahrens nicht erklärt werden konnten, Allenfalls spezielle, mathematisch leicht zu behandelnde Detailprobleme flossen in einige Lehr- und Fachbücher /8, 3/ ein. In jüngster Zeit hat man sich dieser Problematik sowohl experimentell als auch theoretisch erneut angenommen /6, 4/, vermutlich als eine Folge des Comebacks des Fahrrads…