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Transparenz

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Ach, hier hat er sich versteckt…

Ich habe ihn an einem seiner langen Ohren erkannt. Hätte er sich nicht auf diese Weise der Sonne exponiert, ich wäre ihm wohl nicht so schnell auf die Spur gekommen. Denn zugegeben, sich in einem Tropfen zu verstecken und gleichzeitig zu sonnen, ist schon eine sehr originelle Art, sich vom Verteilen der Eier zu erholen oder sich dem gar zu entziehen. Die physikalisch äußerst interessante Frage, wie er in den Tropfen hineinkam und erst recht, wie er wieder herauskommt, möchte ich hier einmal ungeklärt lassen…

Anmerkung: Es handelt sich um ein echtes Foto, Photoshop war nicht im Spiel. Man könnte auch sagen: Reiner Zufall und die Disposition Pareidolien zu sehen, in diesem Fall aus aktuellem Anlass Osterhasen in den Augen oder sonstwo zu haben.

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Durch die Scholle gesehen

Die Nordmanntanne schimmert bereits umrisshaft durch die Eisscholle hindurch, die ich aus der schmelzenden Eisschicht des bis vor kurzem zugefrorenen Teichs herausbrach. Sobald sie sich verflüssigt hat, wird der Blick frei und ein naturschönes Relikt des vorangegangenen Frosts vergangen sein. Die schöne Tanne wird bald danach ihre Nadeln abwerfen und ebenfalls vergehen.
Dazu fällt mir der Vers aus »Reuters Morgengesang« von Wilhelm Hauff (1802-1827) ein: Ach, wie bald schwindet Schönheit und Gestalt!

Querblick durch einen Tropfen

Ein großer Tropfen in der Gabelung einer Pflanze mit leicht hydrophober (wasserabweisender) Oberflächenbeschaffenheit zeigt sich hier in einigen seiner optischen Möglichkeiten mit großer Deutlichkeit.
Er ist transparent: Man blickt von der Seite her durch ihn hindurch auf eine kleine Verzweigung. Durch die Brechung des Lichts tritt ein Sprung auf zwischen dem was man durch den Tropfen hindurch sieht und dem direkt gesehenen Teil der Verzweigung.
Er zeigt Reflexionen: partielle Spiegelungen der Umgebung und eine diffuse Reflexion der auf dem rechts verlaufenden Stängel fokussierten Sonnenstrahlen. Diese ist so stark, dass es zu einer Überstrahlung (Irradiation) kommt: Der grüne Stängel erscheint daher weiß.
Außerdem ist das ganze Szenario naturschön – vor allem deshalb habe ich dieses Motiv fotografiert.

Wortschatten

Im Schatten, den das geschriebene Wort wirft, verbergen sich dessen Geschwister. Man ahnt ihre Körper, Gesichter, Gerüche und Stimmen, so wie man eine Familienähnlichkeit bei flüchtig Bekanntem zwar ausmachten, aber nicht orten kann. Folglich ist der ungeschriebene Text immer länger – aber nicht vollständiger – als der geschriebene. Fehlt das gegenseitige Verweisen von Hell und Dunkel, Ausgesprochenem und Unausgesprochenem  aufeinander, das heißt, geht es um einen ganz und gar ausgeleuchteten Text, dann gibt es auch nichts mehr zu verstehen.*

Als ich vor einigen Jahren an einem heißen Sommertag ein nicht sehr anspruchsvolles Buch las, schien die Sonne von hinten durch die Buchseite hindurch, die ich gerade auf der Schattenseite las. Es war in dieser Lage nicht zu verhindern, dass der Text spiegelverkehrt als Schatten der Buchstaben und Worte hindurchschimmerte und ich mich dabei erwischte, den umseitigen Text entziffern zu wollen. Das war schwierig aber auch herausfordernd. Interessanterweise mischte sich die Bedeutung der stückweise entzifferten spiegelverkehrten Schattenworte in die Bedeutung des normal gelesenen Textes mit ein. Daraus gingen teilweise kreative und inspirierende Einsichten hervor, die vom Autor des Buches nicht im Entferntesten intendiert waren. Daran wurde ich erinnert als ich das anregende Buch* von Dagmar Leupold las.


 * Dagmar Leupold. Destillate. Frankfurt 1996, S. 53

Fenster als Fenster im Fenster

Ursprünglich war das Fenster ein praktisches Bauelement, das eine semitransparente Kommunikation mit der Außenwelt ermöglicht. Durch das Fensterglas wurde es möglich, Räume materiell von der Außenwelt zu trennen ohne wesentliche optische Einschränkungen hinnehmen zu müssen. Doch die Glasscheiben führen darüber hinaus ein multivisuelles Eigenleben, dass oft zu verblüffenden, manchmal sogar künstlerisch anmutenden Effekten führt. Im vorliegenden Foto erleben wir Fenster von außen, wobei ihre Wirkung als Lichtfalle und Spiegel dominiert. Obwohl dies ursprünglich kaum beabsichtigt war, kann ihne eine gewisse Ästhetik nicht abegesprochen werden. Auch spielen Fenster in der Kunst eine wichtige Rolle.

Die Kugel ist eine Idealgestalt

Obwohl viele natürlich Prozesse zur Idealgestalt der Kugel tendieren, wird diese vor allem infolge „störender“ Wechselwirkungen mit anderen Systemen in der Realität nur näherungsweise erreicht. Man denke beispielsweise an Wassertropfen, Blasen und Planeten usw., die zwar in ihrem „Bemühen“ zur Kugel zu werden angetroffen werden, aber diese Form nie ganz erreichen.
Auch bei manchen Früchten hat man den Eindruck, dass die Form partout auf eine Kugel hinausläuft. Diesen Eindruck gewann ich vor einigen Tagen, als ich beim Weintraubennaschen im Gegenlicht diese zauberhaften Kugeln zu Gesicht bekam (siehe Foto). Ich fand sie so schön, dass ich es zunächst nicht wagte, sie einfach aufzuessen. Die schön aufeinander abgestimmten Farbtöne zwischen Gelb und Grün zusammen mit der fast perfekten Kugelgestalt der Beeren machen den ästhetischen Reiz dieses an sich alltäglichen Phänomens aus.
Interessant ist die Entstehung der Farben. Je mehr Licht durch die einzelnen Beeren dringt, desto größer ist der Einfluss des hellen Safts auf den Farbeindruck, der sich durch Mischung mit der grünen Außenhaut ergibt.

Durchblick mit Goldrand

Das künstlerisch gestaltete, mit Goldrand versehene Fenster fordert geradezu dazu heraus, durchschaut zu werden. Auch wenn der Erkenntnisgewinn sich dabei in Grenzen halten mag, kann doch der Eindruck mitgenommen werden, einen Durchblick gehabt zu haben – auch wenn man dabei nur durch Fenster blickt, die einem durch ihre transparenten Scheiben dabei sehr entgegen kommen. Außerdem blickt man durch zwei Fenster. Und so oft hat man nun auch wieder nicht die Gelegenheit, einen doppelten Durchblick mit Goldrand zu haben.
Ehrlicherweise muss jedoch zugegeben werden, dass trotz dieser Doppelung der Durchblick nicht vollkommen sein kann. Ein vollkommener Durchblick würde nämlich ins Nichts führen. Man muss sich also schon damit begüngen, dass der Durchblick endlich bleibt und günstigenfalls in der Weitsicht endet.
Diese Weitsichtigkeit besteht in diesen Zeiten bereits darin, dass man genügend Abstand nimmt, auch wenn wir wissen, dass Weitsichtigkeit weit mehr bedeutet. Sie bringt uns unseren Zielen näher und verschafft uns Übersicht und Umsicht. Solange sich Weitsichtigkeit nicht als bloßer Augenfehler entpuppt, kann sie zu Visionen führen, wenn es glingt Wissen und Sehen kreativ miteinander zu verbinden.

Eine kleine Fusselgeschichte

Vor kurzem bekam ich von Dierk Wendt ein Rätselfoto, das ich doch gerne weitergeben möchte:
Hauptakteur ist ein unscheinbarer Fussel, der im Innern einer Duschkabine liegt. Er stammt vielleicht von einem weißen Handtuch. Nachdem die Duschkabinentür zugeschoben wurde, liegt es nunmehr ansonsten völlig gleich in Form und Lage auf einem Handtuch, das sich ihm gewissermaßen untergeschoben hat. Das ist allerdings in der Berührungslosigkeit, in der das hier geschehen ist, nur möglich, wenn das Handtuch nicht von dieser Welt ist. Weiterlesen

Gestaffelte Schatten eines Schmetterlings

Ein Schatten ist so gut wie niemals ein Gebiet mit völliger Abwesenheit von Licht. Auf diesem Foto fällt die Sonne gerade so ein, dass die Flügel eines Kohlweißlings mehrere Streifen unterschiedlich dunkler Schatten werfen. Man muss schon genau hinschauen, um zu erkennen, was hier materiell und was nur virtuell ist. Weiterlesen

Ein Blick in die Blätter

Wenn man von einem Blick in die Blätter spricht, denkt man meist an Zeitungen und Zeitschriften und nicht daran, dass man in und durch die Blätter eines Baumes zum Himmel blickt. Auch dabei gibt es oft viel zu erfahren. Beim hier dargestellten Blick haben mich vor allem die elegante Form des Ausschnitts und die durchscheinenden roten Blätter beeindruckt verbunden mit der Frage, wo denn das Blattgrün bleibt, das für die Fotosynthese unabdingbar ist.
Pflanzen mit roten Blättern besitzen ebenso das grüne Chlorophyll wie andere grüne Blätter. Es wird lediglich durch den pflanzlichen Farbstoff Anthocyanin visuell überdeckt. Dieser ist übrigens auch in der Farbe von Erdbeeren, Kirschen u. A. enthalten. Daran erkennt man, dass das Sonnenlicht die Blätter durchdingt und die fotosynthetisierenden Zellen im Blattinnern immer noch an die Sonnenenergie herankommen.

Verwirrende Transparenz

Als ich diese höchst reale Szenerie eines Straßenrestaurants in Florenz erblickte, empfand ich sie in ihrer Undurchschaubarkeit als Manifestation von Transparenz, so wie sie uns in realen und metaphorischen Zusammenhängen begegnet. Man meint durchzublicken und die Situation zu durchschauen, weil es hier um real agierende Personen an einem Tisch plaudernd, trinkend und rauchend geht. Allerdings mischen sich auf einer an sich transparenten Plexiglas-„Sicht“blende im oberen Bereich spiegelnde Reflexionen der im Sonnenlicht liegenden Umgebung ein, wodurch die das Gehirn beherbergenden Köpfe der Personen in einen ganz anderen Kontext eingebunden erscheinen, während sie im unteren Bereich durch ein engmaschiges Drahtgitter auf eine ansonsten unverfälschte Weise sichtbar sind.

Spielt nicht diese Überlagerung materieller und immaterieller Transparenz im gesellschaftlichen Alltag eine zunehmende Rolle? Wir können zwar im Prinzip alles was uns umgibt auf eine bestimmte Weise durchschauen, aber wir verkennen viele uns beeinflussende Dinge sowohl in ihren Details als auch in ihrem Zusammenhang, weil die Kontexte immer komplexer werden und ihre Durchschaubarkeit mit wachsender Anstrengung verbunden ist. Damit nimmt aber auch das Interesse daran ab und gewöhnen uns an Anblicke wie diesen.

Zur „Weißheit“ des Seifenschaums

In einem kürzlich gesendeten Beitrag im Rahmen der Sendung mit der Maus wird für die Kinder erklärt, warum Seifenblasen weiß erscheinen, obwohl die einzelnen Blasen durchsichtig sind. Die Erklärung geht so, dass eine zunächst ebenfalls transparente Glasscheibe zertrümmert und zerbröselt wird, bis auch dieses Glasgranulat weiß aussieht. Ein Schulkind fragte mich daraufhin mit Recht: Und warum ist zerstoßenes Glas weiß? Um die Sache auf die Spitze zu treiben antwortete ich spaßeshalber: Das ist wie beim Seifenschaum, je kleiner die Bläschen, desto weißer erscheint der Schaum. Weiterlesen

Dies ist in Wirklichkeit nur jenes…

Aber, ist Denkstil nicht wiederum nur ein anderer Ausdruck für Zeitgeist? Wittgenstein hat mit seiner Formel Dies ist in Wirklichkeit nur jenes das Grundschema aller Welterklärungen angegeben und zugleich deren Reizwert bestimmt. Auf diesem Schema verbleibend, gibt es noch die Steigerung des Reizwertes mit der gleichfalls schon von den Griechen entdeckten Formel: Alles ist eines. Dies ist es, worauf die Vernunft jederzeit Anspruch hatte und was ihr jeweils endlich erfüllt werden soll; dies ist es aber auch, was die Bildungserwartung bestärkt, einen derart auf Einfachheit zulaufenden Sachverhalt werde alsbald jedermann begreifen und die Welt dadurch für sich durchsichtig machen können.*

Was auf dem Foto durch Wasser so durchsichtig gemacht wurde ist das Pflaster vor der Kathedrale in Florenz (Santa Maria del Fiore). Behauptete nicht Thales von Milet (*624/23 v. Chr.; † zwischen 548 und 544 v. Chr), dass alles (aus) Wasser ist?


* Hans Blumenberg. Die Verführbarkeit des Philosophen. Frankfurt 2000, S. 42

Ein Hauch wie Klatschmohn

Die Blumen im „hohen Gras, die kaum berührt, schon ihre Blüte verlieren, nachgebend dem leisesten Hauch: wie der Klatschmohn auf langen Stengeln, Gipfel der Zerbrechlichkeit, kleine Pavillons, kurzlebig, vergänglich, für ein Volksfest, einen Dorfschmuck. Doch es ist jedenfalls immer ein Fest, eine Feier, eine Art Zustimmung: niemals Verweigerung, niemals Weinen“*.

Die Kurzlebigkeit und Vergänglichkeit der Blüten des Klatschmohns wird durch die Unermüdlichkeit der Pflanze aufgehoben immer wieder neue Blüten nachzuliefern bis spät in den Herbst. Beeindruckend ist nicht nur das charakteristische Rot der Blütenblätter, sondern auch der Eindruck, dass sie aus sich heraus leuchten würden. Die Ursache dafür ist in der Eigenschaft der dünnen Blätter zu sehen, das aus dem Spektrum des Sonnenlichts „gefilterte“ rote Licht nicht nur  auf der der Sonne zugewandten Seite auszusenden, sondern es auch passieren zu lassen.
Die erstaunliche Stabilität der hauchfeinen Blütenblätter verdankt sich hauptsächlich dem Druck in den feinen Zellen, der durch die physiologischen Vorgänge in der Pflanze aufrechterhalten wird. Viel Materie ist nicht dran an einem solchen Blütenblatt. Zerdrückt man es zwischen den Fingern, so bleiben ein wenig rote Flüssigkeit und ein wenig Biomasse. Die entfalteten Blätter sind also viel mehr als die Summe ihrer materiellen Bestandteile, sie sind nur Mittel zum Zweck. Und was ist der Zweck?
Zu weiteren Aspekten dieser beeindruckenden Blume habe ich mich schon früher geäußert, zum Beispiel: hier und hier und hier und hier und hier und hier.

Ab heute bin ich eine gute Woche offline und kann daher auf evtl. Kommentare erst später antworten und auch mir liebgewonnene Seiten erst danach besuchen. Für einige Beiträge habe ich aber trotzdem vorgesorgt.


*aus: Philippe Jaccottet Sonnenflecken Schattenflecken. Gerettete Aufzeichnungen 1952-2005

 

 

 

Doppelschatten einmal anders

Dass der Mensch nicht nur seinen Schatten verlieren (man denke an den armen Schlemihl), sondern in bestimmten Situationen einen zweiten oder noch mehr Schatten erwerben kann, haben wir schon früher  gezeigt. Einen Doppelschatten der besonderen Art sieht man auf dem nebenstehenden Foto. Einen dunklen „Kernschatten“, der von einem ephemeren, transparenten und wesentlich größeren Schatten überlagert wird. (Die Ansicht gegebenenfalls durch Klicken auf das Bild vergrößern).
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Zuviel ist zuviel

So sieht es aus, wenn man doppelt im Regen steht: es regnet und der Verkehr staut sich. Wird der Scheibenwischer auch nur einen Augenblick ausgestellt, so trübt sich der Durchblick; so sehr, dass nicht einmal das Kennzeichen des vorausfahrenden Fahrzeugs zu erkennen ist. Schuld daran ist nicht das für die Informationsübertragung fehlende Licht. Man bekommt eher im Gegenteil zu viel Licht vor allem von Stellen, wo es völlig fehl am Platze wäre. Weiterlesen

Vernebelte Durchsichten

Schlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 9 (2017), S. 70 – 71

Licht streuende Partikel zwischen einem Gegenstand und dessen Betrachter trüben den Anblick. Dabei kommt es nicht so sehr auf deren Menge an, sondern vor allem auf ihren Abstand zum Objekt. Weiterlesen

Im Brennpunkt der Seife

In: H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 48/2, (2017, S. 101

Manche Seifen haben nicht nur die Form einer Sammellinse, sie verhalten sich auch so, wenngleich ihre Form alles andere als optimal ist.

Als ich neulich unter der Dusche die neue Seife ausprobierte, war ich weniger durch deren Waschkraft und Duft beeindruckt als vielmehr durch einen Lichtfleck, der den Wamdschatten der Seife aufhellte. Weiterlesen

Multiplizierte Durchsicht – kopfstehend

tropfenstreifen_rvAuf den beschlagenen Fensterscheiben verdichtete sich die Feuchtigkeit hier und da zu Wassertropfen, die beim Hinuntergleiten dunklere, duchsichtigere Spuren hinterließen. Durch einen dieser Guckstreifen sah Sperber, dass sich die Lippen des alten Mannes bewegten.

Anne Weber. Tal der Herrlichkeiten. Frankfurt 2012 Weiterlesen

Rundum verborgen

Glassflügel SchmetterlingSchlichting, H. Joachim. Spektrum der Wissenschaft 8 (2016) S. 40 – 41

Selbst transparente Objekte verraten sich oft noch durch Lichtreflexionen. Nanostrukturen können die Oberflächen entspiegeln und so nahezu unsichtbar machen.

Ist es dein Traum nicht,
einmal unsichtbar zu sein?
Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)

Foto: Radwanul Hasan Siddique/KIT

PDF: Rundum verborgen.

Rätselfoto des Monats August 2016

127_Worüber_wundert_der_sic

Wie lässt sich diese Situation physikalisch erklären? Weiterlesen

Transparenz durch Nässe

Nassdunkelhell_1aSchlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 6 (2015), S. 50 – 51

Farblose Textilfasern wirken optisch wie eine blickdichte Nebelwand und können Gewebe daher weiß erscheinen lassen. Wasser macht diesen Effekt aber zunichte.

»… Relationen und Ähnlichkeiten zwischen Dingen zu finden,
die sonst niemand sieht …«
Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799)

Der Wind stößt in die nassen Wäschestücke hinein und bringt ein schönes Knattern hervor«, schreibt der Schriftsteller Wilhelm Genazino, ein genauer Beobachter auch profaner Alltagsdinge. »Manchmal bauscht ein einzelner kräftiger Windstoß die Laken hintereinander auf. Eine halbe Stunde vergeht, dann ist die Wäsche trocken und weiß. «Erst dann? Sollte sie nicht schon in dem Moment reinweiß erscheinen, in dem man sie frisch gewaschen aus der Waschmaschine holt?
Die Frage ist gerechtfertigt: Warum muss ein Hemd erst trocknen, damit es wirklich weiß strahlt? Oder andersherum: Wie schafft es völlig farbloses Wasser, weiße Wäsche dunkel erscheinen zu lassen?
Wenn das Gewebe eines weißen Hemds keine Farbpigmente enthält – was übrigens die Regel ist –, erscheint es aus demselben Grund weiß, wie dies auch Schnee und Nebel tun. Aber deren Farbe ist ebenso wenig selbstverständlich. Denn Schnee ist eine Ansammlung winziger Eiskristalle, Nebel besteht aus Wassertröpfchen. Sowohl Eis als auch Wasser sind allerdings farblos und im Prinzip durchsichtig wie Glas.
Entscheidend sind hier aber die Grenzschichten zwischen unterschiedlichen Medien. Wenn ein Objekt unter Wasser liegt oder im Eis eingefroren ist, durchquert das von ihm reflektierte Licht zunächst das jeweilige Medium und tritt an dessen Grenze in die Luft der Umgebung über. Dabei wird das Licht gebrochen, wobei es seine Richtung ein wenig ändert und teilweise ins Medium zurückreflektiert. Bei jeder Wechselwirkung wird zudem ein Teil des Lichts absorbiert, im Fall transparenter Medien jedoch nur ein kleiner.
Das genaue Ausmaß dieser Effekte hängt von den Brechungsindizes der beteiligten Medien ab. Unterscheiden sie sich stark, wird das auf die Grenzfläche treffende Licht auch stark von der ursprünglichen Richtung abgelenkt. Das an der Grenzfläche reflektierte und gebrochene Licht sorgt dafür, dass das transparente Medium überhaupt in Erscheinung tritt: Einerseits wird es durch das reflektierte Licht sichtbar, andererseits sorgt es durch die Brechung für ungewohnte Anblicke wie zum Beispiel den berühmten Strohhalm im Glas, der an der Wasseroberfläche abzuknicken scheint.

Plötzlich unsichtbar
Je mehr sich ein Gegenstand optisch an das ihn umgebende Medium angleicht, je ähnlicher also die Brechungsindizes sind, desto mehr verliert er dagegen an Sichtbarkeit. Taucht man ein Reagenzglas aus Fiolax, einem speziellen Borsilikatglas mit einem Brechungsindex von etwa 1,47, in ein durchsichtiges Gefäß mit Olivenöl (Brechungsindex 1,46) und füllt es ebenfalls mit Olivenöl, wird es regelrecht unsichtbar (siehe Foto rechts). Sind die Indizes identisch, ist das Ergebnis noch eindeutiger: Schüttet man Wasser in Wasser, verschwindet es darin spurlos.
Wie steht es nun um Wasser, das in Form kleinster Tröpfchen als Nebelwand auftritt? Wirft ein vor oder hinter der Wand gelegener Gegenstand Licht auf die Nebeltröpfchen, wird es an ihren Grenzflächen viele Male in unterschiedlichste Richtungen reflektiert, bevor es am Ende vielleicht doch noch unsere Augen erreicht. Zu diesem Zeitpunkt hat es aber längst jegliche Information über seine Herkunft verloren. Die Nebelwand erscheint also ab einer bestimmten Dicke und Dichte schlicht undurchsichtig. Dahinterliegende Objekte sind dann nicht mehr zu erkennen.
Außerdem mischen sich die Farben im Verlauf der vielen Reflexionen perfekt und addieren sich zu Weiß. Nicht zu einem ganz reinen Weiß allerdings: Weil an jeder Grenzfläche auch ein wenig Licht absorbiert wird, zeigt sich die Nebelwand in einem mehr oder weniger hellen Grau. Sie ist also etwas dunkler als Weiß, aber genauso farblos. Aus demselben Grund erscheint Schnee hellgrau bis weiß, und Glasscheiben zerbersten bei einem kräftigen Schlag in winzige weißliche Brösel.
Im weißen Hemd kommen letztlich dieselben Effekte zum Tragen wie in einer blickdichten Nebelwand. Oft besteht ein solches Kleidungsstück aus transparenten Baumwoll- oder Acrylfäden, die in unterschiedliche Richtungen orientiert und überdies in winzige Fasern und Fädchen aufgefächert sind. Ein Teil des auf das Hemd fallenden Lichts wird an den Grenzflächen zwischen Luft (Brechungsindex nahe 1) und Fasern (Baumwolle: Brechungsindex etwa 1,52) in alle Richtungen reflektiert, gelangt also auch in unsere Augen. Ein weiterer Teil wird in das Hemd hinein gebrochen, durchdringt es und erreicht die Haut. Auch von ihr wird ein Teil absorbiert und ein anderer diffus reflektiert. Am Ende verleiht die Summe all dessen, was nach unzähligen Reflexionen, Ablenkungen und Absorptionen unsere Augen erreicht, dem Gewebe seine weiße Farbe.
Wasser verändert die Situation grundlegend. Dringt es zwischen die Fasern, verdrängt es dabei Luft. Mit seinem Brechungsindex von 1,33 ist es den Fasern aber optisch ähnlicher als Luft. Dadurch sinkt der Einfluss der Grenzflächen: Die Zahl der Reflexionen und Absorptionen an den Fasern verringert sich, und es gelangt ein größerer Anteil des Lichts auf geraderem Weg durch das Hemd hindurch bis auf die Haut. Diese absorbiert schließlich, abhängig von der jeweiligen Hautpigmentierung, einen beträchtlichen Teil der Strahlung. So kehrt weniger Licht zurück, und der nasse Fleck erscheint dunkler.
Dabei macht es einen Unterschied, ob das nasse Hemd den Körper locker umgibt oder direkt an der Haut klebt. Bleibt Raum zwischen Haut und Hemd, so verteilt sich das von der Haut kommende diffuse Licht über eine mehr oder weniger große Fläche des Gewebes. Weil es dort reichlich Gelegenheit zu weiteren Reflexionen und Absorptionen gibt, erscheint das nasse Hemd also relativ dunkel, aber undurchsichtig.
Liegt es hingegen direkt auf der Haut, wirkt es nahezu durchsichtig. In diesem Fall wird das von der Haut zurückfallende Licht nämlich nicht diffus in viele Richtungen geworfen, sondern kehrt nur wenig geschwächt und ohne größere Umwege direkt durch das Gewebe zurück und gelangt in unsere Augen.

Erscheint die nasse Stelle als dunkler Fleck? Oder als helle Fläche?
Das Phänomen der durch Nässe hervorgerufenen Transparenz kann man sich übrigens besonders gut veranschaulichen, wenn man einfach ein weißes Tuch mit einem großen Wasserfleck vor sich hält (Fotos oben). Hat man die Sonne im Rücken, sieht man die nasse Stelle als dunklen Fleck, weil sie das Sonnenlicht im Vergleich zu benachbarten trockenen Stellen leichter hindurchlässt, statt es in unsere Augen zu reflektieren. Hält man das Hemd jedoch gegen die Sonne, ist der Eindruck aus denselben Gründen gerade umgekehrt. Das durch den transparenteren Bereich hindurchgehende Sonnenlicht scheint recht direkt in unsere Augen, so dass der nasse Fleck heller wirkt als seine trockene Umgebung.
Bei farbigen Hemden, also solchen, die Pigmente enthalten, liegen die Verhältnisse etwas komplizierter. Die Pigmente absorbieren jeweils einen Teil aus dem Spektrum des weißen Lichts und reflektieren den Rest. Ein rotes Hemd erscheint rot, weil es nur rotes Licht zurückwirft. Die feinen Fasern der Gewebefäden reflektieren allerdings nicht nur Rot, sondern sämtliche Farben; sie fügen also zusätzlich diffuses weißes Licht hinzu. Dem Rot eines Hemds ist daher immer auch etwas weißes Licht beigemischt, so dass es ein wenig heller erscheint, als es in Wirklichkeit ist. Gelangt allerdings Wasser auf ein Hemd mit Farbpigmenten, kleben die kleinen Fasern zusammen; damit verringert sich auch die diffuse Reflexion weißen Lichts. Entsprechend dunkler und kräftiger erscheint das Rot.
Natürlich beschränken sich unsere Überlegungen nicht nur auf Hemden. Auch Salz, Zucker oder Schnee werden transparenter, wenn man Wasser hinzufügt, und erscheinen auf dunklem Hintergrund entsprechend dunkler. Mit Papier gelingt der Trick ebenfalls: Wird eine Zeitungsseite nass, schimmert die Schrift auf ihrer Rückseite hindurch. Wer dagegen Briefumschläge durchsichtig werden lassen will, kommt mit Wasser nicht sehr weit. Stattdessen muss er sie mit Öl tränken, das dem Briefpapier zumindest optisch stark ähnelt.

PDF: http://www.spektrum.de/alias/schlichting/transparenz-durch-naesse/1343327

Schatten, die keine sind

SchattenreflexeAuf den ersten Blick würde man sagen, dass wir hier auf die Schatten von Blättern auf der Wasseroberfläche eines Gewässers blicken. Doch bei näherem Hinsehen könnten auch Spiegelungen in Frage kommen, denn die andeutungsweise grüne Färbung der Abbildungen weist genau in diese Richtung. Dagegen spricht jedoch, dass bei einer Spiegelung der nur wenig Licht aussendenden Unterseite der Blätter die grüne Farbe kaum mehr zu erkennen sein dürfte. Der grüne Schimmer könnte vielleicht vom Boden stammen, da die Abbilder der Blätter das Wasser „durchsichtiger“ machen, als es an anderen Stellen ist und die Bodenstruktur besser erkennen lassen. Weiterlesen

Transparenz durch Schatten

schatten-auf-rauchSchatten nisten sich an den unmöglichsten Stellen ein. Hier erblickt man den Schatten eines großen Schornsteins auf einer Nebelfahne, die durch kondensierenden Wasserdampf entstanden ist. Doch dort, wo er auf den Nebel fällt, scheint dieser zu verschwinden. Tatsache ist, dass der Schatten den Nebel transparent werden lässt. Der Nebel ist in der Regel dadurch so undurchdringlich, dass er das auftreffende Licht diffus in alle Richtungen streut, auch zurück. Das führt in vielen Fällen dazu, dass der Nebel umso undurchsichtiger wird, je mehr man ihn in der Absicht beleuchtet, ihn zu durchdringen. Denn auf diese Weise, wird das von den Wassertröpfchen in die Augen des Beobachters zurückgestreute Licht intensiver, als das spärliche Licht, mit denen die Gegenstände hinter der Nebelfahne auf sich aufmerksam zu machen versuchen. Das Licht der Gegenstände wird schlichtweg überstrahlt. Da kommt der Schatten des Schornsteins gerade recht. Er schaltet gewissermaßen die diffuse Reflexion des Sonnenlichts an den Nebeltröpfchen aus, so dass wir nur das von den Gegenständen hinter dem Nebel ausgehende Licht sehen. Schön ist der direkte Vergleich des strahlenden und gleich daneben des abgedunkelten Nebels.

Andererseits wird auch das von hinten durch den Nebel dringende Licht teilweise gestreut und dadurch in der Intensität vermindert. Das sieht man dort, wo der Nebel vor den Hintergrund des hellen Himmels gerät und diesen Bereich etwas abdunkelt.

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