Seit ein paar Tagen habe ich turnusgemäß damit begonnen, Meisenknödel auszuhängen. Ich habe die Plätze so gewählt, dass möglichst nur die kleinen Vögel herankommen. Die größeren werden an anderer Stelle versorgt. Nur einer der größeren Vögel scheut keine akrobatischen Verrenkungen, um an die Knödel heranzukommen – der Buntspecht. Er hackt wie schon in den Vorjahren munter drauf los und die kleinen Vögel picken die „Späne“ darunter auf, die dabei unweigerlich fallen.
Da es seit einigen Jahren derselbe Buntspecht ist, betrachte ich seine Aktion mit Wohlwollen. Wir haben uns an uns gewöhnt. Er ist stets als erster zur Stellen, wenn ein neuer Knödel aufgehängt wird.
Die Menschen neigen dazu, Disteln abzulehnen. Weniger wegen ihres Aussehens als wegen der Berührungsängste. Bei den Insekten sind Disteln hingegen sehr beliebt als Futterquellen. Deswegen habe ich es zugelassen, dass einige Exemplare, die sich von selbst in meinem Garten eingenistet haben, zu dulden. Sie bedanken sich mit einer schönen Blüte. Man muss Diesteln ja nicht unbedingt umarmen wollen.
Ich sitze auf einer Bank am Rande eines kleinen Sees und beobachte die beiden Schwäne wie sie versuchen miteinander anzubändeln. Ich wurde dadurch an einen Satz des Verhaltenforschers Konrad Lorenz (1903 – 1989) erinnert, er sagte: Gänse sind eben auch nur Menschen. (Lorenz untersuchte u. A. das Verhalten von Graugänsen).
Mir ist im Laufe der Zeit klar geworden, dass dieser Satz nicht nur für Graugänse gilt.
Der bekannte Wasserfall – pisse vache – stürzt sich in einem solchen Bogen vom Felsen, daß man unter ihm weggehen kann und also gegen Regen zugedecket ist*.
Unter einem Wasserfall herzugehen übt auf den Menschen offenbar ein großes Vergnügen aus. Im Außenbereich des Bremer Science Center Universum gibt es einen kleinen Wasserfall, unter dem man ohne nass zu werden hergehen und sich darüber freuen können, nicht nass zu werden. Er wird insbesondere von Kindern reichlich frequentiert. Obwohl die Erfahrung und die Naturgesetze dafür gerade stehen, dass das herabstürzende Wasser seinen vorgeschriebenen und als Schiefer Wurf berechenbaren Weg nimmt, stellt das fallende Wasser immer wieder eine Herausforderung und für Kinder oft eine Mutprobe dar. Die meisten nehmen beim Unterqueren des Wassers eine geduckte Haltung ein, um ganz sicher zu gehen. Dem flüssigen Element traut man im Zweifelsfalle doch nicht so ganz über den Weg – zumal er schief ist.
Trotz dieser an sich unproblematischen Situation stellt man immer wieder fest, dass Eltern schließlich ihre nass gewordenen, aber glücklichen Kinder in Empfang nehmen.
*Jean Paul: Siebenkäs. In: Sämtliche Werke Abt. I, Bd. 2. München 1996, S.556
Wenn sich Hühner fortbewegen untermalen sie jeden Schritt mit einem übertrieben erscheinenden Kopfnicken. Aber sie sind damit nicht allein. Auch andere Vögel wie zum Beispiel Tauben sind für ihre notorische Nickbewegung bekannt. Dass das Nicken mit den Schritten koordiniert zu sein scheint, wird dadurch unterstrichen, dass die Nickfrequenz mit der Laufgeschwindigkeit zunimmt. Das spricht dafür, dass es sich nicht um eine bloße Marotte handelt, sondern um eine physikalisch-physiologische Notwendigkeit. Weiterlesen
Ob Pilze mit Schirm Vorbild für unserer Sonnen- und Regenschirme waren, ist nicht bekannt. Es ist allerdings erstaunlich, wie sehr sie manchen Pilzen ähneln. Dass die Pilze sich hier gegenseitig beschirmen, ist zwar ein typisch menschlicher Gedanke, aber kein schlechter.
Denn mit dem Schirm oder der manchmal auch eher an einen Hut erinnerenden Abdeckung werden die Sporen geschützt, die sich in den Lamellen oder Röhren an der Unterseite befinden. Erst wenn sie reif sind, werden sie frei gegeben und von Wind und Wasser in der Umwelt verteilt. Der Schopftintling setzt die Sporen auf eine sehr ungewöhnliche Weise frei – er verflüssigt sich gleich selbst.
Obwohl die Abdeckung mit einem Schirm oder Hut als typisch für Pilze angesehen wird, kommen viele Pilze auch ohne ihn aus.
Weitere Beiträge zu Pilzen findet man hier und hier und hier und hier und hier.
So fand ich das Tierchen kurz vor dem Gewitter. Kurz danach war es wohlbehalten und trocken immer noch da. Ob es geahnt hat, was kommen würde?
Dieser Spruch fiel mir ein, als ich den Buntspecht (Foto) zum ersten Mal auf dem Balkon direkt neben meinem Schreibtischfenster entdeckte. Er macht sich hier jetzt schon seit Monaten über die Meisenknödel her, die eigentlich für kleinere Vögel gedacht waren. Während letztere lautlos an der Speise nippen – wenn man einmal von kleineren akustisch untermalten Streitereien absieht – bearbeitet der Specht (es ist ein Männchen) mit kurzen, sehr schnellen Trommelwirbeln die Brüstung, die fast überall im Haus zu hören sind. Ich bekomme schon vom bloßen Hinschauen Kopfschmerzen. Weiterlesen
In diesem Jahr sah ich in der Nähe von Pferdewiesen immer wieder zeltartige Vorrichtungen mit einem großen schwarzen Ball darunter (siehe Foto). So harmlos und rätselhaft zugleich dieses Gebilde auch aussehen mag, für einige Insekten, vor allem Bremsen wird es zur tödlichen Falle. Dabei wird einerseits die Verhaltensweise von Bremsen ausgenutzt, sich bei Warmblütern wie etwa Pferden eine Blutmahlzeit zu verschaffen. Da sie andererseits mit ihren Facettenaugen nicht feststellen können, ob es sich bei körperwarmen Gegenständen tatsächlich um Lebewesen handelt, landen sie oft auch auf den falschen Objekten, in diesem Fall auf dem warmen schwarzen Ball. Weiterlesen
Wie der Name schon sagt: Meisen mögen (M)Eisen. Jedenfalls nistet in diesem Jahr ein Meisenpaar ausgerechnet in unserer alten Pumpe, mit der wir Wasser für den Gartenbedarf fördern. Ich muss wohl eine Zeit lang die Pumpe außer Acht gelassen haben. Als ich sie wieder in Betrieb nehmen wollte kroch mit ein wenig Mühe eine Meise aus der wirklich sehr engen Öffnung, durch den die Kolbenstange geführt wird. Als ich mich der Pumpe ungläubig näherte und durch das Loch blickte, hörte ich ein irgendwie zischendes Geräusch des kleinen Vogels aus dem Innern des Zylinders, das die Luftsäule darin in Schwingung versetzte und daher merkwürdig außerirdisch klang.
Mir war sofort klar, dass die Wasserförderung per Pumpe in diesem Frühjahr tabu sein würde. Um die Vögelchen im Rohr zu schützen, band ich dann auch gleich den Schwengel fest, damit ja kein anderer auf die Idee kommt, diesen zu betätigen. Das wäre vermutlich verheerend für die Vogelfamilie, die hier ihr Zuhause gefunden hat.
Mittlerweile wechseln sich die beiden Eltern ab und tauchen mit Futter im Schnabel ins Eisenrohr ab, um kurz danach wieder aufzutauchen. So wie Eisen in Meisen steckt steck auch Eis in Eisen. Dies ging mir in den letzten Tagen durch den Kopf, als wir nachts einige Minusgrade zu verzeichnen hatten. Mein Gedanke war, dass durch die perfekte Wärmeleitung des massiven Eisens es im Rohr ziemlich kalt werden würde. Ich spielte schon mit den Gedanken, die Pumpe mit Stroh zu umgeben, nahm aber dann von dem Gedanken Abstand, weil der Eingriff in das Pumpenreich der Meisen vermutlich noch verheerender gewesen wäre als die Kälte. Und offenbar haben die Vögelchen alles im Griff. Ich denke, dass das Nest genügend wärmedämmend ausgestattet ist.
Wieder einmal ein Beispiel dafür, dass die Tiere ebenso wie die Pflanzen die technischen Errungenschaften der Menschen (in diesem Fall sehr alte Technik) fraglos (?) in ihr Leben integrieren.
Da die Meisen sehr scheu sind, war es sehr schwierig sie zu fotografieren. Daher ist das Foto, das den Einstieg einer Meise zeigt, qualitativ nicht besonders gut. Es gibt aber einen Eindruck von dem, was sich hier seit vielen Tagen abspielt. Den Gedanken, wie ich später die Hinterlassenschaften der Meisenfamilie aus der Pumpe wieder herausbekomme, verfolgen ich vorerst noch nicht weiter.
Als ich heute Morgen die Zeitung las, fiel mir sofort in der Rubrik „Tage wie dieser“ eine kurze dpa-Meldung unter der Überschrift „Meisenascher“ ins Auge. Ich zitiere sie hier kommentarlos, weil ich ansonsten eine Lawine von weiteren Gedanken lostreten würde (Warum erscheint die Notiz gerade heute, als ich diesen Beitrag schreibe? Warum habe ich früher von derartigen Merkwürdigkeiten nichts gehört?):
„Da will Feuerwehrmann in Ruhe seine Kippe abknicken – und plötzlich piept’s im Ascher? Gibt’s das? Ja, in Herdecke. Bei der dortigen Feuerwehr hat sich eine Meisenfamilie eingenistet. Das Gezwitscher , das aus der Raucherecke ertönte, habe die Einsatzkräfte stutzig gemacht, auf der Suche nach der Quelle des Geräuschs wurden sie schließlich fündig: Die neuen Untermieter sind fünf Blaumeisen-Küken. Um diese zu schützen, wurde der Aschenbecher abgesperrt und ein Hinweisschild aufgestellt. Ein Feuerwehrmann, der Tierpfleger ist, wolle nun regelmäßig nach ihnen schauen, hieß es“. (FR vom 13. Mai 2019, S. 36)
Da sage noch einer, die Abwärme einer Heizung gehe ungenutzt durch den Schornstein. Auf diesem Foto ziehen zwei Krähen an einem kalten Novembertag unmittelbaren Nutzen aus den periodisch aufsteigenden und den Edelstahlabzug aufheizenden Abgasen. Ich beobachte die beiden eine Zeit lang und stelle fest, dass sie sich nach welcher Regel auch immer, abwechseln. Jeder darf mal auf dem Rand des Abzuges sitzen und sich die warme „Luft“ direkt durch die Federn ziehen lassen. Ja, selbst wenn die Abgase aktiv durch den Schlot ziehen, versuchen die beiden die Stellung zu halten.
Der Schornsteinfegermeister meinte nach der Überprüfung der Heizungsanlage im Spaß, die Anlage sei so sauber, dass man die Luft inhalieren könnte. Interessant, dass den Vögeln offenbar die Wärme so wichtig ist, dass sie die Beeinträchtigungen (Gestank, Geräusch?) über sich ergehen lassen.
Ein kleiner brauner Schmetterling fliegt vor ihren Füßen auf; und setzt sich wieder, nur 3 Schritt weiter – und wieder auf :nur 3 Schrittchen weiter -?- bis Ann’Ev‘ tadlnd zu ihm sagt : „Dummer Mensch. Flieg doch nach rechts.“ (Da tut Der das auch.)
Arno, Schmidt: Abend mit Goldrand. Frankfurt 1975
Welchen Schmetterling Arno Schmidt im Auge hatte, weiß ich nicht. Mein Schmetterling, dem ich auf einem Baumstaumm sitzend begegnet bin, ist ein Großer Perlmutterfalter. Früher habe ich ihn öfter beobachten können, in den letzten Jahren hat er sich für mein Gefühl rar gemacht. Ich freue mich, hier meinen einzigen Perlmutterfalter dieses Jahres zeigen zu können.
…und scheinbar auch zu vertieften Betrachtungen fähig; hier am Beispiel eines romantischen Springbrunnens im Gegenlicht der aufgehenden Sonne.
Es fällt schwer, es so zu sehen und das durch die Christianisierung zum Todesvogel degradierte Tier anders als im Lichte negativer Zuschreibungen zu sehen.
In der altnordischen Mythologie waren die Raben dank ihrer Intelligenz hoch angesehen. So sagt der germanische Göttervater Odin in einem Lied der Edda:
Hugin und Munin müssen jeden Tag
Über die Erde fliegen.
Ich fürchte, dass Hugin nicht nach Hause kehrt;
Doch sorg ich mehr um Munin.
Dem müssen entsprechende Erfahrungen der Menschen mit den Raben zugrunde liegen.
Heute weiß man, dass Raben (insbesondere der Kolkrabe) zu den intelligentesten Vögeln zählen. Sie sind der weisen Eule weit überlegen, die man vermutlich wegen des durch die Befiederung vorgetäuschten großen Kopfes für besonders intelligent hielt.
Ein Beispiel dafür, dass Raben ihre körperliche Unterlegenheit durch intelligentes Verhalten kompensieren können, erlebe ich fast jedes Jahr während der Brutzeit. Dann ist das Rabepärchen öfter damit befasst, die in unserer Gegend anzutreffenden Bussarde aus der Nähe ihrer Nistplätze zu vertreiben. Was man in einiger Höhe sieht, sind zwei kleine Vögel – die Raben –, die einen großen Vogel (den Bussard) durch gezielte Provokationen vor sich her treiben, bis dieser offenbar genervt schließlich das Weite sucht.
Physikalisch interessant ist hier, dass das an sich transparente Wasser blendend weiß erscheint. Weil das Wasser mit Luft durchsetzt ist, wird das Licht an den Grenzflächen zwischen Wasser und Luft in alle möglichen Richtungen gebrochen und reflektiert, sodass das das Wasser-Luftgemisch selbst zu einer Art Lichtquelle wird, die unabhängig von der Einstrahlung des Sonnenlichts in alle Richtungen ausgesendet wird.
Lichtdurchflutete Springbrunnen haben wir auch schon früher betrachtet, z.B. hier und hier und hier .
Eigentlich wollte ich die Seerosen im Teich fotografieren. Aber dann wird meine Aufmerksamkeit auf ein veritables Geplänkel en miniature gelenkt. Zwei winzige Wasserläufer umschwänzeln einander wie im richtigen Leben. Meiner Einschätzung nach müsste es sich den Vorurteilen entsprechend bei dem kleineren Exemplar um das Weibchen handeln, denn es weicht immer mal wieder ein Stück zurück, wenn er zu aufdringlich wird, entfernt sich aber auch nicht zu weit und wartet offenbar, bis er wieder herankommt. Inzwischen berühren sie sich bereits mit den Beinchen. Weiterlesen
Meine Großeltern hatten Hühner und Enten, die ich als Kind als Spielkameraden ansah, was von diesen allerdings nicht ganz so gesehen wurde. Als ich kürzlich mal wieder nur wenige Tage alte Entenküken antraf, die sich in einem größeren Sonnentaler wärmten, wurde ich an eine alte Episode aus Kindheitstagen erinnert. Aus welchen Gründen auch immer ließen meine Großeltern manchmal Enteneier von Hühnern ausbrüten. Sie wurden ihnen im wahrsten Sinne des Wortes einfach untergeschoben. Weiterlesen
In diesem Jahr habe in meinem Garten mit einer Invasion von Nacktschnecken fertigzuwerden, wie ich sie vorher noch nicht erlebt habe. Im Frühsommer fing es damit an, dass sie in einer Nacht die Blüten einer ganzen Rabatte radikal abfraßen. In der Folgezeit hatten fast alle Pflanzen, die sich aufmachten groß und stark zu werden, unter dem Hunger ganzer Divisionen von Schnecken zu leiden. Da ich gern auf Seiten der Schwächeren bin und mich auch selbst angegriffen fühlte, ließ ich mir das nicht länger bieten.
Ich habe an sich nichts gegen Schnecken, auch nichts gegen glibberige Nacktschnecken. Der Beweis sind mindestens zwei Auftritte, die ich den Schnecken bislang in meinem Blog gewährte. Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 41/10 (2010), S. 30-31
Vögel sind auch nur Menschen
Konrad Lorenz (1903 – 1989)
Vögeln, die auf Hochspannungsleitungen rasten, sollte eigentlich nichts geschehen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.
Natürlich gibt es eine einfache Erklärung dafür, dass Vögel unbeschadet auf Hochspannungsleitungen sitzen können. Die meisten von uns werden sie auch kennen. Warum aber sitzen die Tiere auf manchen Leitungen lieber als auf anderen? Warum scheint es eine Obergrenze der Spannung von 60-Kilovolt zu geben, welche die Vögel gerade noch tolerieren? Und warum achten sie auf einen Mindestabstand, wenn sich ein dritter Ankömmling zwischen zwei Sitzende drängt?
Während in Deutschland meist Erdkabel die Oberleitungen verdrängt haben, wurde die elektrische Energie in früheren Zeiten noch durch Freileitungen in die Häuser transportiert. Sie bestanden aus Strom führenden, nicht isolierten Drähten, und zum gewohnten Bild einer ländlichen Idylle gehörte es, dass die Vögel darauf wie Noten auf Notenlinien saßen. (Diese ergaben allerdings keine nennenswerte Melodie; Ausnahmen wie die unten angegebene bestätigen die Regel.). Dass den Vögeln ihr Sitzplatz nichts anhaben kann, war also Teil der Alltagserfahrung und darum wenig überraschend.
Sollte man sich aber nicht vielleicht doch darüber wundern, dass die Vögel keinen elektrischen Schlag bekommen?Wer im Haushalt eine stromführende Leitung berührt, wird Teil eines Stromkreises. Denn seine Füße sind mit dem Fußboden und dieser wiederum ist mit der Erde verbunden, die als Neutralleiter zum Kraftwerk fungiert. Dann kommt es unter anderem auf den Widerstand zwischen Erde und Füßen an: Ist er zu klein, kann der durch den Körper fließende Strom lebensgefährlich werden.
Vögel auf Freileitungen stehen indessen nicht in Kontakt mit der Erde. Damit ihnen ein Stromschlag droht, müssten sie schon zwei stromführende Leitungen, zwischen denen eine Spannung besteht, gleichzeitig berühren oder auch zwischen die Leitung und den erdverbundenen Strommast geraten. Kleinen Vögeln passiert dies selten, große jedoch erleiden vor allem aufgrund ihrer Flügelspannweite immer wieder tödliche Stromschläge. Die häufigste Todesursache für Weißstörche, so der Naturschutzbund Deutschland, sind Unfälle an Mittelspannungs-Freileitungen.
Im Großen und Ganzen aber dürften die Tiere nicht wählerisch bei ihrem Sitzplatz sein. Begeben wir uns also, auch wenn dies heutzutage einige Geduld erfordert, auf Ausschau nach Vögeln, die auf Hochspannungsleitungen rasten. Was sehen wir? Die fernen schwarzen Punkte haben keineswegs auf einer x-beliebigen Leitung Platz genommen.
Hochspannungsleitungen nutzen nicht nur die Erde als ″Rückleitung″ zum Kraftwerk, sondern außerdem einen zusätzlich mit der Erde verbundenen Neutralleiter. Dieser ist meist auf der Spitze der Hochspannungsmasten angebracht und, anders als die stromführenden Leiter, nicht durch Isolatoren von den Masten getrennt (siehe Abb. 2). Und tatsächlich: Genau hier, also auf dem Neutralleiter oder den Streben des eisernen Fachwerks der Masten, scheinen die Vögel mit Vorliebe zu sitzen. Haben sie mit den stromführenden Leitungen vielleicht doch unangenehme Erfahrungen gemacht?
Wenn sie die Leitungen im ″Sitzen″ mit beiden Füßen berühren, befindet sich zwischen diesen ein kurzes Leitungsstück. Könnte der Spannungsabfall bereits hier so groß sein, dass der über die Beine durch den Körper geleitete Strom zumindest zu unangenehmen Empfindungen führt? Nein, denn um Energieverluste gering zu halten, werden die Leitungen meist aus einer Eisenseele und darum gewickeltem Aluminiumdraht hergestellt. Der elektrische Widerstand dieser Leitungen ist so gering, dass zumindest auf sehr kurzen Strecken so gut wie keine Spannung abfällt. Es muss also andere Gründe geben, weshalb die Vögel den stromführenden Leitungen aus dem Wege gehen.
In der ornithologischen Literatur finden sich dazu sehr differenzierte Aussagen. Axel Donges von der Naturwissenschaftlich-Technischen Akademie in Isny berichtet, dass sich Vögel oberhalb einer durch die Kabel übertragenen Maximalleistung von etwa sechzig Kilowatt nicht mehr auf Leitungsseilen aufhalten. Experimente mit Tieren in Gefangenschaft zeigten zwar, dass sie je nach Art auch höhere Spannungen akzeptieren. Die höhere Toleranz etwa von Brieftauben oder Staren dürfte sich allerdings auf ihre im Vergleich zur freien Natur geringeren Wahlmöglichkeiten zurückführen lassen.
Tatsächlich ist der durch die Leitungen fließende Wechselstrom von starken elektromagnetischen Wechselfeldern umgeben. So misst man an der Oberfläche der Leiter elektrische Feldstärken von bis zu 1500 Kilovolt pro Meter (kV/m) und magnetische Feldstärken von acht Millitesla. Nach heutigem Kenntnisstand gehen von magnetischen Feldern zwar keine nennenswerten Wirkungen auf den Organismus der Vögel aus. Das elektrische Wechselfeld jedoch macht sich durch gleich zwei Effekte bemerkbar. Zum einen lassen bereits Felder ab einer Stärke von fünf Kilovolt pro Meter die Behaarung von Säugetieren und die Federn von Vögeln vibrieren. Zum anderen wirkt der elektrisch leitfähige Vogelkörper, selbst wenn es nicht zum Kontakt mit dem Leiter kommt, wie eine Antenne. Durch kapazitive Ankopplung gerät er also unter Spannung, sodass elektrische Ströme fließen. Je nach Größe des Vogels erreichen sie einige hundert Mikroampère, auf die dann auch dessen Sinnesrezeptoren ansprechen. Mindestens einer der beiden Effekte wird von den Vögeln offenbar als unangenehm empfunden.
Vögel sind ″auch nur Menschen″, hatte einst der Verhaltensforscher Konrad Lorenz formuliert. Da stellt sich natürlich die Frage, ob Menschen auch Vögel sind, zumindest in der Hinsicht, dass sie ebenfalls ein Sensorium für elektrische Wechselfelder besitzen. Tatsächlich scheint es Menschen zu geben, die sich durch die Wirkungen von Wechselfeldern beeinträchtigt fühlen, weshalb nicht nur die Hochspannungsleitungen in der Nähe von Häusern, sondern auch die Stromleitungen in den Häusern selbst unter dem Stichwort Elektrosmog kontrovers diskutiert werden.
Eine weitere interessante Beobachtung kann gelingen, wenn man die Vögel bei ihrem Kommen und Gehen auf den Leitungen beobachtet: Sie nähern sich einander nur bis zu einem bestimmten Mindestabstand. Lässt sich eines der Tiere zwischen zwei bereits sitzenden Artgenossen nieder, so rückt meist derjenige zur Seite, dem der Neuankömmling zu nahe zu kommen droht. Versucht ein Vogel sich zwischen zwei andere zu drängen, die schon so dicht sitzen, dass der Mindestabstand in jedem Fall überschritten wird, werden manchmal sogar die übernächsten Nachbarn aktiv, um die Situation bereits präventiv zu normalisieren. Die hirnphysiologischen Mechanismen der Abschätzung des für sichere Starts und Landungen nötigen Sicherheitsabstands sind im einzelnen noch nicht geklärt. Da fallen einem natürlich eine ganze Menge Parallelen ein. Eine davon hat Petr Seba untersucht: Statistisch gesehen erzeugen Vögel beim Hinsetzen und Menschen beim Parken ihrer Autos dasselbe Lückenmuster. Menschen, so darf man schließen, sind also auch in dieser Hinsicht nur Vögel.
Literatur:
Sitzende Vögel als Melodiegeber: http://www.basicthinking.de/blog/2009/09/09/netzkunst-wenn-voegel-den-ton-angeben
Unfallgefahren durch Freileitungen: http://www.storchennest.de/de/index_storchenwelt_gefahren.html
Donges, Axel: Setzen sich Vögel wirklich auf Hochspannungsleitungen. MNU 53(6), S. 354, 2000. (dort weitere Literatur)
Seba, Petr: Parking and the visual perception of space. J. Stat. Mech., L10002, 2009.