Von Nebelbögen habe ich schon öfter gehört. Vom Flugzeug aus ist mir sogar schon einmal ein solcher Bogen andeutungsweise zu Gesicht gekommen. Vor kurzem hatte ich das Glück, am frühen Morgen bei leichtem Nebel in der Krummhörn (Ostfriesland) während zweier aufeinanderfolgender Tage Nebelbögen zu sehen. Obwohl der Nebel sich mit steigender Sonne schnell auflöste und tagsüber keine Spur von Nebel zu bemerken war, müssen wohl die lokalen meteorologischen Bedingungen so ähnlich gewesen sein, dass auch am folgenden Tag ein Nebelbogen zu sehen war. Er war ziemlich unscheinbar und ich hätte ihn vermutlich gar nicht wahrgenommen, wenn ich nicht aufgrund der Beobachtungen am Vortag intensiv danach gesucht hätte.
Im Prinzip entsteht ein Nebelbogen auf dieselbe Weise wie ein normaler Regenbogen. Im Strahlenmodell der geometrischen Optik lässt sich allerdings nicht erklären, warum er im Unterschied zum normalen Bogen nicht in den typischen Regenbogenfarben erscheint, sondern weiß ist. Allenfalls erkennt man zuweilen Andeutungen von Pastellfarben. Der Grund ist, dass der Nebelbogen nur bei sehr kleinen Tropfen entsteht, bei denen sich die Welleneigenschaften des Lichts deutlicher bemerkbar machen als bei den größeren Tropfen, die zum normalen Bogen führen.
Daher veranschaulichen wir im Folgenden die Entstehung des Regenbogens in einem einfachen Wellenmodell, wobei wir zunächst der Einfachheit halber eine monochromatische Welle betrachten.
Die in den Tropfen eintretende Wellenfront wird gebrochen und an der Rückwand des Tropfens teilweise reflektiert. Anschließend wird wiederum ein Teil des reflektierten Lichts aus dem Tropfen heraus gebrochen. Die Wellenfront wird also gewissermaßen in sich selbst zurückgefaltet und es kommt zur Überlagerung und Interferenz der beiden Teilwellen. Dadurch entsteht ein Interferenzmuster mit hellen und dunklen Streifen, das als Regenbogen wahrgenommen wird. Stellt man die Wellenberge und -täler der ebenen Welle als helle und dunkle Streifen dar, so kann das bei der Überlagerung entstehende Moirémuster als Visualisierung des Interferenzmusters aufgefasst werden (Abbildung).
Dabei erkennt man, einerseits, dass der helle breite Streifen beim maximalen Ablenkungswinkel dem primären Bogen entspricht. Interessant ist, dass zwei weitere Streifen auftreten. Sie entsprechen dem 1. und 2. überzähligen Bogen. Es zeigt sich also, dass die überzähligen Bögen keine Kuriosität darstellen, sondern notwendigerweise entstehen, wenn sich die Wellenfront in der Nähe des maximalen Ablenkungswinkels in sich selbst zurückfaltet. In der Realität sieht man die überzähligen Bögen allerdings nur selten und oft nur andeutungsweise, weil die Regenfront meist Tropfen unterschiedlicher Größen enthält.
Da das weiße Licht aus Wellen unterschiedlicher Wellenlänge (Farben) besteht und die Brechung und Interferenz für jede Wellenlänge eine andere ist, findet eine Farbzerlegung statt, die sich in den Maxima als mehr oder weniger intensive Farben widerspiegelt.
Beim normalen Regenbogen hat man es mit Regentropfen zwischen 1 – 5mm Durchmesser zu tun. Nebeltröpfchen sind aber wesentlich kleiner: Mit etwa 0,01 – 0,2mm Durchmesser sind sie nur 10 – 100 mal so groß wie die Wellenlänge des sichtbaren Lichts, sodass bei diesen Tropfen die Welleneigenschaft des Lichts sichtbar in Erscheinung tritt: Die aus dem Tropfen austretenden Lichtwellen überlagern und interferieren wie beim normalen Regenbogen und führen zum Nebelbogenmaximum 1. Ordnung und manchmal zu überzähligen Bögen. Wie die Visualisierung in der unteren Abbildung zeigt, werden die Farben allerdings so stark gespreizt, dass sie wieder gemischt werden und der Bogen weitgehend weiß erscheint. Da der Bogen vor dem Hintergrund des weißen Nebels gesehen wird, zeigt sich, dass die Intensität des von ihm ausgehenden weißen Lichts größer ist als die des Nebels.
Nebelregenbögen sind nicht nur bei Nebel zu erkennen, sondern werden manchmal auch von Flugzeugen aus auf Wolkenbänken gesehen. Da Nebel auch nur einen bestimmten Wolkentyp auf der Erde darstellt, besteht zwischen Wolkenbögen und Nebelbögen physikalisch kein Unterschied.
Die Visualisierungen durch Moirémuster gehen auf Raymond L. Lee Jr. und Alistair B. Fraser (The Rainbow Bridge. Washington 2001) zurück.
Da ist Ostfriesland ja mal wieder für eine schöne Überraschung gut gewesen! Und by the way: Es muss ja auch nicht immer alles in Farbe sein!
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Ja, Ostfriesland ist eine „Fundgrube“ für Naturphänomene. Siehe zum Beispiel auch: Farbige Lichtschirme über Straßenlaternen. Die zahllosen Sonnenuntergänge im Meer, die Einzugsgebiete der Priele im Watt und das „Rätsel der Sandbank“ nicht zu vergessen. Und du hast Recht: In diesem Fall ist das Weiße seltener als das Bunte.
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