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Ich und der Mond

Der Mond segelt durch die Wolken

„Wir saßen nebeneinander in der Straßenbahn, und ich wunderte mich die ganze Zeit über den Mond, der hoch über uns mitzufahren schien. Wenn die Straßenbahn hielt, hielt auch der Mond, und wenn sie wieder anfuhr, fuhr auch der Mond weiter bis zur nächsten Haltestelle. Und als wir nach drei Stunden wieder nach Hause führen, war auch der Mond wieder da und begleitete uns fahrend nach Hause. Als wir ausstiegen, stieg auch der Mond aus und ging mit uns zur Haustür. Als Kind hielt ich es für nicht völlig ausgeschlossen, daß es am Himmel eine Straßenbahn gab, eine Extrastraßenbahn nur für den Mond. Seltsamerweise drängt es mich nicht, meine Mutter um Aufklärung zu bitten. Ich wartete nur immer wieder darauf, daß der Mond in seine Straßenbahn stiege und uns begleitete, nur uns, meine Mutter und mich; ich glaubte nämlich, ich sei der einzige, der von der Himmelsbahn des Mondes wüßte“.*

Wilhelm Genazino beschreibt hier sehr schön das Erlebnis, das wohl viele Kinder so oder ähnlich gehabt haben und vielleicht auch noch haben. Wenigstens einige, denn zumindest in den Städten ziehen künstliche Lichtquelle oft eine größere Aufmerksamkeit auf sich als der Mond. Ich möchte auf diesem Wege alle ermutigen Kinder auf das „merkwürdige“ Verhalten des Monds aufmerksam zu machen. Vielleicht kann man sogar die vermeintlichen Unterschiede zwischen dem Verhalten des Mondes und einer irdischen Lichtquelle diskutieren und sie auf diese Weise für den Alltag in der wissenschaftlich-technischen und natürlichen Welt zu sensibilisieren.
In diesem Zusammenhang ist es vielleicht von Interesse darauf hinzuweisen, dass gerade das von Genazino angesprochene Phänomen in früheren Zeiten Lernpsychologen und Didaktiker besonders beschäftigt hat. Hier eine Passage aus einem Werk von Jean Piaget:

SAR (7 Jahre): „Was tut die Sonne, wenn du spazieren gehst? – Sie bewegt sich. Wenn ich mich nicht bewege, bewegt sie sich auch nicht. Und der Mond ebenfalls. – Und wenn du rückwärts gehst? – Dann kehrt sie um.

KENN (7 Jahre): „Hast du den Mond schon gesehen? –Ja. – Was geschieht dabei? – Er folgt uns. – Folgt er uns wirklich? –Ja. – Geht er nicht vorwärts? – Nein. – Also folgt er uns nicht wirklich? – Er folgt uns. – Warum folgt er uns? – Um uns den Weg zu zeigen. – Kennt er den Weg? –Ja. – Welche Wege? – . . . – Kennt er die Wege in Genf? –Ja. – Die Wege auf dem Salève? – Nein. – Die in Frankreich? – Nein. – Und die Leute in Frankreich? Was tut der Mond bei ihnen? – Er folgt ihnen. – Hat es den Mond dort auch? –Ja. – Ist es der gleiche wie hier? – Nein, ein anderer.

Wir haben GIAMB als 7jährigen schon im Zusammenhang mit der Magie kennengelernt (Kapitel IV, Abschnitt 2). Wir konnten das Kind im Alter von 8 ½ Jahren noch einmal befragen: Es glaubte noch immer, die Gestirne würden ihm folgen. „Wenn du spazieren gehst, was tut dann die Sonne? – Sie folgt uns.“ „Und der Mond? –Ja. wie die Sonne. – Wenn jemand dir entgegenkommt, welchem von beiden folgt er dann? – Er folgt dem einen, und wenn der heimkommt, folgt er dem anderen.

BLOND (8 Jahre): Der Mond „geht mit uns, er folgt uns. – Folgt er uns wirklich. oder sagt man nur, er folge uns? – Er folgt uns wirklich.

SART (12 Jahre): „Kann der Mond tun, was er will? –Ja, wenn man geht, folgt er uns.“**

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* Wilhelm Genazino. Das Licht brennt ein Loch in den Tag. Reinbek 2000
** Jean Piaget. Das Weltbild des Kindes. München 1988.

Teleskope sind Zeitmaschinen…

denn mit ihnen schaut man in die Vergangenheit des Universums.

Seit Galilei als einer der ersten mit einem Teleskop ins Weltall geblickt und dabei u. A. die Jupitermonde entdeckt hat, die er zunächst für Sterne hielt, hat sich die Technik immer weiter entwickelt. Heute „blickt“ man auf diese Weise sozusagen bis ans Ende der Welt. Das heißt aber auch, dass das was man sieht schon nicht mehr wahr ist, weil es bereits der Vergangenheit angehört. Denn das Licht braucht seine Zeit, um bis zu den Teleskopen zu gelangen. Zwar ist die Lichtgeschwindigkeit von 300000 km/s durch nichts zu toppen und wenn es dann trotzdem tausende von Jahren unterwegs ist, hat man vielleicht eine Vorstellung davon wie tief die Vergangenheit und wie groß unser Universum ist. Nein, man hat keine Vorstellung, denn das ist nicht vorstellbar, sondern nur darstellbar.
Diese Gedanken gehen mir durch den Kopf, wenn ich mit Mühen den Roque des los Muchachos (2425 m hoch) hochkraxele und die Sternwarten vor dem blauen Himmel in der Sonne glitzern sehe. Mehr als glitzern können sie am Tage nicht, sie haben die „Jalousie“ herungergelassen und warten auf die Nacht, denn: Der Tag des Astronomen ist die Nacht.

Was heißt schon Unendlichkeit?

Was ist feierlicher als zwei Striche im Sand, zwei Parallelen? Schau an den fernsten Horizont, und es ist nichts an Unendlichkeit; schau auf das weiter Meer, es ist Weite, nun ja, und schau in die Milchstraße empor, es ist Raum, daß dir der Verstand verdampft, unausdenkbar, aber es ist nicht das Unendliche, das sie allein dir zeigen: zwei Striche im Sand, gelesen mit Geist. . . .*

Max Frisch spricht hier einen wesentlichen Aspekt der Anschauung an, nämlich die Schwierigkeit, sich Grenzbegriffen, wie dem der Unendlichkeit zu nähern. Es geht offenbar nur über gedankliche Prozesse, durch die man zumindest auf den Weg in die Unendlichkeit geführt wird. Mehr kann man offenbar bei wachem Bewusstsein kaum erlangen.

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*Max Frisch. Don Juan oder die Liebe zur Geometrie. In: Stücke. Frankfurt 1962, S. 259

Wer hat Angst vor Langfingern

Als mir jemand freundlicherweise die Tür aufmachte, gerieten seine Finger in das streifend einfallende Licht der Morgensonne. Der dadurch hervorgerufene und mir vorauseilende Schatten jagde mir einen kleinen Schrecken ein. Vermutlich waren es die langen Schatten der Finger, die diesen Effekt auslösten. Doch auf welche Urerfahrungen greift mein Unterbewusstsein hier zurück, um mich zu warnen oder…? Jedenfalls haben wir anschließend versucht, die Situation so nachzustellen, wie ich glaube sie erfahren zu haben (siehe Foto).

Wenn aus Gesteinsschichten Geschichten werden…

Ich befinde mich in einem alten Steinbruch, stehe eine Weile vor einer Felswand und versuche mir vorzustellen, dass ich auf einen ehemaligen Meeresboden blicke. Meine Vorstellungskraft ist groß genug, sodass ich den Kopf nicht zur Seite neigen muss, um den Meeresboden auch in dieser durch erdgeschichtliche Vorgänge schräge aufgefalteten Lage als solchen zu erkennen. Ich erkenne in der Blätterteigstruktur das Ergebnis von Sedimentationen in einem ehemaligen Meer und deren späterer Versteinerung. Weiterlesen

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