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Didaktik, Geschichte, Wissenschaftstheorie, Strukturbildung, Selbstorganisation & Chaos

Die Strukturen der Unordnung – Chaosphysik zwischen Zufall und Notwendigkeit

Schlichting, H. Joachim. In: Essener Unikate 11/1999, S. 9-21.

Wir müssen glauben, daß alles in der Welt eine Ursache habe, so wie die Spinne ihr Netz spinnt, um Fliegen zu fangen. Sie tut dieses, ehe sie weiß, daß es Fliegen in der Welt gibt“. Wie kommt es zu einem solchen Glauben? Darauf gibt es offenbar keine eindeutige Antwort…

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Diskussionen

8 Gedanken zu “Die Strukturen der Unordnung – Chaosphysik zwischen Zufall und Notwendigkeit

  1. Hab ich nun studieret mit fleißigem Sinn. Hoffentlich mir zu Nutzen. Einiges habe ich verstanden, und ich bedanke mich herzlich für die auch einer Laiin verständliche Darstellungsweise. Besonders schön das Wasserrad und die dabei sich entwickelnden Figuren.
    Wie immer in solchen Fällen, wenn ich das eine oder andere zuverstehen meine, werden auch meine Fragen dringlicher.
    Fragen einer Nicht-Physikerin:
    Die dualistische Annahme von res cogitans und res extensa – wobei sich das Forschungsinteresse auf die res extensa beschränkt – hat einerseits zu großartigen Ergebnissen in der Physik und Technologie geführt, andererseits wurde gleichzeitig der denkende, willensbegabte Mensch (res cogitans … selbst er wurde zur res erklärt!) zu einer schrumpfenden Restgröße des Weltgeschehens, ein Störfaktor. Diesem unwägbaren Rest den Garaus zu machen, ist wohl immer noch das heimliche Ziel der naturwissenschaftlichen Denkungsart.
    Lieber führt man ein clinomen ein, als dass man das Geistige als integralen Bestandteil einer nicht-dualen Welt gelten ließe.
    Das Ergebnis: der Mensch trägt sich selbst zu Grabe, ersetzt sich durch Automaten (künstliche Intelligenz), die viel besser wissen, wie es in der Welt zugehen muss als das unvollkommene Wesen Mensch.

    Für mich ist das alte Magie, die das Denken und Handeln der Menschen hat erstarren lassen, und behaupte: Menschen und Tiere und Pflanzen und Planeten und Sternenbewegungen sind keine Sachen, sondern geistige Wesenheiten, und sie sind nicht getrennt voneinander, sondern in einem ständigen lebendigen Austausch begriffen… Den Dualismus von Subjekt und Objekt überwinden, das einheitliche Sein wieder herstellen…. Unsere Sprache hilft uns leider nicht dabei, solchen Gedanken Ausdruck zu geben, und eine andere haben wir noch nicht. Außer vielleicht in der Kunst, der Poesie. „Man sieht determiniert, man kann auch anders sehen“.

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    Verfasst von gkazakou | 1. Februar 2019, 21:43
    • Für die Entwicklung der neuzeitlichen Naturwissenschaften ist Descartes Trennung in res cogitans und res extenda insofern von großem Vorteil als man sich dadurch viele Dinge vom Leib gehalten hat, mit denen die Philosophie sich heute noch herumschlägt. Entscheidend war und ist dabei die Messbarkeit und Mathematisierbarkeit. Alles andere wurde als nicht zum Gegenstandbereich der physikalischen Wissenschaften (Chemie, Physiologie, Biophysik etc.) gehörig ausgeschlossen. Von dieser Basis aus dringt man in unserer Zeit immer weiter in Bereiche vor (Psychologie, Hirnforschung etc.) die ursprünglich zur res cogitans gehörte. Dahinter steckt ebenfalls die Überwindung des Dualismus aber auf ganz andere Weise als es dir vorschwebt. Das führt dann soweit, dass menschliche Gefühle, Kunst, Poesie etc. nur noch als Epiphänomene angesehen werden, die letztlich auch auf physikalische Vorgänge reduziert werden können.
      Diese Ansicht erhält leider immer wieder Nahrung von namhaften Wissenschaftlern, wie etwa von Stephen Weinberg, der mit der normativen Kraft eines Nobelpreises im Rücken nur der Physik grenzenlose Erkenntnismöglichkeiten zubilligt, da diese frei von historischen, philosophischen oder – wie er es zusammenfassend nennt – „kulturellen“ Einflüssen sei. „Unsere Behauptungen über die Naturgesetze stehen in einem 1:1-Verhältnis zu Aspekten der objektiven Realität“.
      An anderer Stelle sagt er durchaus mit einer gewissen Konsequenz, die sich aus seinem Weltbild ergibt: „Je begreiflicher uns das Universum wird, um so sinnloser erscheint es auch. Doch wenn die Früchte unserer Forschung uns keinen Trost spenden, finden wir zumindest eine gewisse Ermutigung in der Forschung selbst… Das Bestreben, das Universum zu verstehen, hebt das menschliche Leben ein wenig über die Farce hinaus und verleiht ihm einen Hauch tragischer Würde.“ Spätestens an dieser Stelle hätte er merken müssen, dass dies eine Konsequenz der selbst auferlegen Vereinfachungen ist, die der Physik zugrunde liegen.
      Für mich ist die Physik eine von mehreren Sehweisen. Man kann die Dinge so betrachten (physikalisch) oder auch so (lebensweltlich, künstlerisch…).

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 2. Februar 2019, 10:51
      • Danke, Joachim. Das sind sehr interessante Zitate. Wie du sagst und wie es leider niemand bestreiten kann, hat sich die Sichtweise, die nach Descartes zum Dogma wurde, auf alle Seinsbereiche ausgedehnt. Das hat Folgen, die zur Vernichtung des Lebens überhaupt führen – zuerst geistig, dann physisch. Der Hauch tragischer Würde mag den Physiker trösten, nicht aber den, der gern drauf verzichten würde, von den Handlungen, die seinem Weltbild entspringen, zerstört zu werden.
        Die Zweiteilung der Weltvorgänge in zwei verschiedene „Sachen“ – res cogitans und res extenda – hat auch auf der Seite der „res cogitans“ zu Verwüstungen geführt – und zwar nicht nur deshalb, weil ihr immer weitere Bereiche entzogen und der res extenda zugerechnet wurden. Darüberhinaus wurden große Anstrengungen unternommen, diesem res cogitans seine Ich-Kraft, seinen freien Willen, sein Denken, sein Fühlen zu verkrüppeln oder ganz abzusprechen, und alle Ansätze zur Entwicklung und Wiederaufrichtung des Menschen als geistiges fühlendes Wesen wurden als Mystizismus, Aberglauben, Illusionstheater lächerlich gemacht oder sogar kriminalisiert. Im übrigen wurde dieser Rest von den etablierten Kirchen verwaltet, die ebenfalls keine Konkurrenz duldeten.

        Nehmen wir als Beispiel die Homöopathie, die, das ist wahr, naturwissenschaftlich „Unmögliches“ behauptet: je verdünnter die Substanz, desto größer die Wirkung. Wer so etwas behauptet, vergeht sich an der Leichtgläubigkeit der Kranken, will Geld machen, gehört verboten. Grad läuft wieder eine mächtige Kampagne gegen die Homöopathie. Es geht darum, den dummen Menschen zu helfen, nicht an den Unsinn feinstofflicher Wirkungen zu glauben. Denn wenn solcher Glaube um sich greift, ist das naturwissenschaftliche Modell mit all seinen lukrativen Fortsetzungen in Industrie und Politik am Ende.
        Dennoch will sich das Unkraut des Aberglaubens, dass „Feinstoffliches“ reale wirkungsmächtige Kraft hat, nicht ausrotten lassen. Es wuchert in allerlei Nischen fort, wo es dann tatsächlich merkwürdige Blüten treibt.

        Ich weiß nicht, lieber Joachim, ob ich mich verständlich machen kann. Die Art, wie du Physik darstellst, fasziniert mich nicht, weil du verständlich erklärst, sondern weil ich in deinem Denken etwas Ganzheitliches wittere. So wie du auf die Dinge schaust (Fotos) und Dichter, Philosophen zitierst, kommt es mir vor, als würdest auch du den tödlichen Dualismus von Wissenschaft und Leben nicht mitvollziehen wollen. So als hättest auch du eine Sehnsucht danach, unsere seit Descartes fortschreitende Verdinglichung zu überwinden.

        Liebe Grüße! Und Pardon, falls dies allzu verschwommen klingt.

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        Verfasst von gkazakou | 2. Februar 2019, 11:36
      • Liebe Gerda, ich stimme mit deinen Ausführungen überein, sodass ich dem eigentlich nichts hinzuzufügen habe. Leider sehen das nicht alle so – oder sagen wir besser – zu wenige. Und das ist meiner Einschätzung nach nicht gut für die Welt.
        Wie gesagt halte ich die Physik für eine Sehweise neben anderen, aber eine wichtige. Und daher stört es mich, dass u.a. wegen der mangelnden Akzeptanz, die wiederum zu einem Großteil aus schlechtem Physikunterricht resultiert, die Physik in ihren positiven Aspekten verkannt wird. Hier möchte ich ein wenig tätig werden, wobei ich versuche zu zeigen, dass der physikalische Blick nicht unbedingt etwas kaputtmacht, sondern auch bereichern kann.
        Du hast Recht, dass es mir ein Anliegen ist, der fortschreitenden Verdinglichung entgegen zu wirken. Deine und die Kommentare einiger anderer Personen zeigen mir, dass ich nicht ganz auf taube Ohren stoße. Andererseits profitiere ich meinerseits von deinen und auch den Beiträgen anderer Personen, die mit Kunst, Poesie und philosophischen Gedanken andere Aspekte der Reichhaltigkeit unserer Welt darstellen und inszenieren. Dafür auch noch mal an dieser Stelle vielen Dank! Nichts klingt bei dir verschwommen, ich glaube genau zu verstehen was du meinst.
        Herzliche Grüße, Joachim.

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        Verfasst von Joachim Schlichting | 2. Februar 2019, 15:15
  2. Ein schöner Artikel, der ein 2tes mal von mir gelesen werden wird.
    Die Querverweise machen auch Lust.
    Ich hab das auch einem Freund,einem dr. Der klinischen Biologie, geschickt .

    Danke!

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    Verfasst von kopfundgestalt | 29. April 2021, 21:22

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