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Physik im Alltag und Naturphänomene, Rubrik: "Schlichting! "

Weihnachtliche Krönung

Schlichting, H. Joachim: Spektrum der Wissenschaft 12 (2009), S. 35

Eine durch Beugungseffekte erzeugte Korona verleiht Kerzenflammen wahrhaften Glanz.

Als Wohnungen noch mit Öfen beheizt wurden und Fenster nur einfach verglast waren, sorgten die kälteren Monate oft für einen schönen Effekt: Kerzenflammen, betrachtet durch eine beschlagene Fensterscheibe, erschienen dann von mehr oder weniger farbigen Ringen umgeben. Auf diese Veredelung des Lichts muss man aber auch heute nicht verzichten. Ganz zeitgemäß kann als Ersatz für die (beschlagene) Scheibe eine (trockene) Overheadfolie dienen. Blickt man hindurch, erscheint die Flamme wie ehedem von einer (meist noch schöneren) Korona umgeben, deren Farbintensität und -diversität kaum zu wünschen übrig lässt.

Wie aber kommt es zum eindrucksvollen Phänomen der »Lichtkrone«? Betrachten wir den wohl einfachsten Fall. Zur Vorbereitung sticht man mit einer feinen Nadel ein winziges Loch von einigen Hundertstel Millimeter Durchmesser in ein Stück Papier, etwa eine Karteikarte. Diese presst man dazu fest auf eine Glasplatte, sodass sich der Durchstich auf die vorderste Nadelspitze beschränkt. Als Lichtquelle eignet sich der Sonnenreflex auf einer verspiegelten Weihnachtskugel, wie sie zurzeit ja leicht zu beschaffen ist. Nun endlich blickt man durch die Karte hindurch ins Licht.

KerzenkoronaLochkoronaWeil dieses am winzigen Loch gebeugt wird, kommt es im Auge zu richtungsabhängigen Auslöschungen und Verstärkungen einzelner Wellenlängen, sprich Lichtfarben. Und weil weißes Licht sämtliche Spektralfarben beinhaltet, erscheinen schließlich farbige, konzentrisch um das helle Zentrum gelegene Ringe.

Ganz ähnliche Koronen erzeugen auch kleine Partikel. Damit halten sie sich an das Babinet’sche Prinzip: Die Beugungsbilder zweier komplementärer Blenden entsprechen sich, ein »Loch« führt zum selben Effekt wie ein entsprechend großes Scheibchen. Das kann das Tröpfchen an einer beschlagenen Scheibe sein, aber auch eine dünne Tröpfchenwolke, die sich vor Sonne oder Mond schiebt.

Eine kleine Schwierigkeit tut sich allerdings auf: Damit die Intensität der so erzeugten Korona hinreichend groß wird, müssen sich die Beugungsbilder vieler Tröpfchen überlagern. Störungsfrei geschieht dies aber nur im Falle gleich großer Streuzentren. Je stärker hingegen die Tröpfchengröße variiert, desto mehr weichen die Beugungsbilder voneinander ab. Dann mischen sich die Farben zunehmend, sodass am Ende möglicherweise nur ein weißer Hof rund um die Lichtquelle zu sehen ist. Die Overheadfolie hingegen sorgt ganz mühelos für Farbenpracht. Denn sie ist nicht völlig homogen, sondern besitzt einen mikroskopisch feinen Belag, der nahezu gleich große, kreisrunde Partikel enthält. Welcher Funktion sie dort auch immer nachkommen: Uns dienen sie als ideale Streuzentren für lichtstarke Beugungsbilder.

Natürlich ließe sich, was jetzt an Formen und schillernden Farben zu sehen ist, schlicht als Lösung der Maxwellschen Gleichungen für elektromagnetische Wellen auffassen. Das Phänomen in Gänze erfasst man so aber nicht. Der Zauber der Kerzenkorona bleibt bestehen – und lässt sich nicht weiter reduzieren.Eine Kerzenkorona (rechts), wie sie beim Blick durch eine Overheadfolie entsteht, verdankt sich deren nahezu perfekten Streuzentren .

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