Beim Duschen beobachte ich seit einiger Zeit das folgende auf den ersten Blick merkwürdig erscheinende Phänomen. Immer dann, wenn ein kleiner Fladen Seifenschaum auf den nassen, d.h. mit einer dünnen Wasserschicht bedeckten Fliesenboden fällt, entsteht darin ein „Loch“, das als rundes trockenes Gebiet mit einem deutlichen Rand in Erscheinung tritt. Das Gebiet ist knochentrocken, was nicht nur an der stumpfer gewordenen Farbe zu erkennen ist, sondern auch mit dem trockenen Finger erspürt werden dann.
Als erstes denkt man vielleicht an einen mechanischen Effekt, der darin besteht, dass der fallende Schaumfladen den Flüssigkeitsfilm zu den Seiten wegdrückt. Doch die zeitliche Entwicklung des Vorgangs zeigt, dass davon nicht die Rede sein kann. Das Loch entsteht erst kurz nachdem der Schaum sich ausgebreitet und als solcher je nach Größe ganz oder zum großen Teil verschwunden ist.
Zur Ausbildung von Grenzflächen zwischen Flüssigkeiten, Gasen und Festkörpern ist Grenzflächenenergie erforderlich. Die Grenzflächenenergie zwischen Seifenlauge und Luft ist deutlich geringer als die zwischen Wasser und Luft. Da die Natur bestrebt ist, so viel Energie wie unter den gegebenen Umständen möglich an die Umgebung abzugeben (2. Hauptsatz der Thermodynamik), wird – sehr vereinfachend gesprochen – die dünne Wasserschicht mit der hohen Grenzflächenenergie durch die sich ausbreitende Seifenlauge mit der niedrigeren Grenzflächenenergie verdrängt – solange der Vorrat reicht. Dieser Effekt ist so stark, dass die Lauge bis auf eine molekular dünne Schicht ausgenutzt und in Kauf genommen wird, dass Höhenenergie aufgebracht werden muss, um die höhere Wasserschicht der Umgebung auf Distanz zu halten.
Die verbleibende Schicht im Bereich des verdrängten Wassers ist so dünn, dass sie völlig trocken erscheint.
Auf molekularer Ebene spielt sich folgendes ab. Die Tenside der Seife bestehen aus Molekülen mit einem wasserabweisenden (hydrophoben) Kopf und einen wasserliebenden Schwanz. Sie verteilen sich so auf der Oberfläche, dass der Kopf in die Luft und der Schwanz in die Wasserschicht tauchen. Wenn schließlich nur noch eine Schicht von molekularen Ausmaßen in Form des trockenen Bereichs mit den in die Luft reichenden wasserabweisenden (hydrophoben) Köpfen übrig bleibt, hat man eine wasserabweise Schicht. Die an sich hydrophilen Fliesen werden auf diese Weise hydrophob und es kommt zu einer sogenannten Autophobisierung* des Lochs. Gibt man einen Tropfen Wasser auf die Schicht, so wird er abgestoßen.
* Abia B. Afsar-Siddiqui. Dewetting Behavior of Aqueous Cationic Surfactant Solutions on Liquid Films. Langmuir 2004, 20, 7575-7582
Daß man sich Hydrophobie leisten kann auf unserer Welt ?! 😉 Scherz.
Der Tropfen Wasser, den man auf die hydrophobe Molekülschicht aufbringt, zeigt sehr schön, daß da etwas ist, was ungewöhnlich ist und eine Art Kopfnuss darstellt. Bis hin zur völligen Unverständlichkeit :;-) Ich wäre wohl zum Fliesenleger gerannt, um mich zu beschweren.
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In so trockenen Zeiten wie in den letzten 3 Jahren wäre Hydrophobie in der Tat eine unverständliche Angstneurose.
Merkwürdig ist es in der Tat, dass eine derart dünne Schicht, die derart deutliche Wirkungen (Verscheuchen des Wassertropfens) zeigt.
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Der Tropfen besteht ja aus Myriaden von Wassermolekülen. Daß sozusagen eine solch geballte Übermacht nichts ausrichten kann, ist schon lehrreich.
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Naja, man könnte es auch umgekehrt sehen. Die Noli-me-tangere-Oberfläche der Fliesen, macht es den Wassermolekülen einfacher beieinander zu bleiben. Die normale Fliesenoberfläche zwingt den Tropfen, sich in einer dünnen Schicht zu verlieren. 😉
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Was für ein armer Tropf dann…
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🙂
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