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Wir empfinden mit Abstraktion

Wir empfinden mit Abstraktion“ sagt Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) Franz Grillparzer (1791 – 1872) zitierend und fährt fort: „wir wissen kaum mehr, wie sich die Empfindung bei unseren Zeitgenossen äußert; wir lassen sie Sprünge machen, wie sie sie heutzutage nicht mehr macht.„*
Das ist ein Ergebnis der Sozialisation in unserer Kultur. Aber gilt nicht auch, dass wir umgekehrt Abstraktes konkretisieren. Können wir uns überhaupt – beispielsweise einem abstrakten oder nur verfremdeten Bild – anders als mit konkreten, oft sehr persönlichen Vorstellungen nähern? Was seht ihr / sehen Sie bei Betrachtung dieses Bildes?


* Friedrich Nietzsche. Unzeitgemäße Betrachtungen. Werke in drei Bänden Bd. 1. München 1973, S. 133f

Diskussionen

13 Gedanken zu “Wir empfinden mit Abstraktion

  1. Ich dachte gleich an Neuronen, obgleich die viel beziehungssüchtiger sind wie die Gebilde hier.

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    Verfasst von kopfundgestalt | 8. Februar 2022, 00:11
  2. Die wenigsten Leute können /wollen ein abstraktes oder nichtgegenständliches Bild betrachten ohne sich zu überlegen, welches konkrete Ding, welche Person oder Landschaft dargestellt ist. Die erste Frage lautet praktisch immer „was soll den das sein?“

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    Verfasst von Myriade | 8. Februar 2022, 00:23
  3. Ein hervorragendes Stichwort! Danke für das Nietzsche Zitat.
    Ergänzend möchte ich ein paar ketzerische Zusatzbemerkung wagen: Wir werden zur Abstraktion genötigt, gelenkt, gezwungen. Ein ganzes Leben hängen wir an den seidenen Fäden der Abstraktion. Stecken in „Knoten“, sind „Knoten“. Wir rühmen uns auch dessen und nennen sie „soziale Knoten“. Ersatzweise adeln wir die Ratlosigkeit durch „Sinn“ dem wir uns dann „verschreiben“!! Sagen es sogar laut und gehen davon aus das wir geadelt sind weil wir einen Sinn verfolgen. Ist es doch nur unser Schatten?

    Verdanken wir der Abstraktion das „reiche“ Leben? Sind wir weder Individuen noch sozial, sondern Abstraktionisten? Vielleicht aber „individuelle Abstraktionisten“ oder „soziale Abstraktionisten oder …
    Sind wir „religiös“ weil selbst die Abstraktionen „in den Himmel wachsen“? Haben wir die Abstraktion um an der Realität nicht zu verzweifeln?

    Ja, vielleicht ist auch das „nur“ eine Abstraktion (für eine noch immer nicht „hieb und „stichfeste“ ??…Tatsache!??)
    Ist das nicht der „wahre Skandal“ aus dem sich „fast“ alles erklärt: die Kämpfe um den „richtigen“ Gott; Kriege; Ängste; Weltmächte die eine kollektive Abstraktionsgemeinschaft schaffen wollen. Und WIR? Wir hängen uns dran, weil wir nicht „in der Luft hängen“ wollen. Lieber eine schlechte abstraktion als keine.

    Im Alltag sagen wir ja alle einmal den Satz „Jetzt hänge ich aber in der Luft“ oder „Da bin ich sprachlos“, „Jetzt bin ich Ratlos“..wenn die „passende Abstraktion“ fehlt, d.h. das Wort, die Sprache, das Sinn meinende Bild.

    Es wird ja von diversen „skandalösen Kränkungen“ gesprochen, denen wir ausgesetzt worden seien: dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Weltalls ist, dass der Mensch aus der Tierreihe hervorgegangen ist, daß das Ich nicht Herr sei in seinem eigenen Haus. Nun steht die nächste ins Haus: Wir seien kein ICH sondern nur der Anhang unseres Gehirns. Bevor wir denken, denkt etwas in uns.

    „Alles fließt“..ja, ja: im Fluß der Abstraktionen. Die letzte Abstraktion schmilzt soeben wie Schnee vor der Sonne, da kommt schon die nächste ins eMailfach, auf den Bildschirm, auf den Büchermarkt, auf den Forschertisch.
    Gerade noch räkelte ich mich in meiner Abstraktion „einer guten Tasse Kaffee am Morgen“ ..und nun ist sie über den Text kalt geworden. Ich werde mir eine neue Abstraktion holen. Das ist ja das liebenswürdige an ihr: sie steht überweigend dienstbereit zur Seite. Hoffentlich verbrenne ich mir nicht die Finger..Ja was wäre dass dann? Eine „Tatsache“, mitten in der Abstraktionen? War es nicht ein Philosoph der während der „Arbeit an der Abstraktion“ in einen Brunnen gefallen war? Ich glaube wir haben noch längst nicht alle Abstraktionen aus dem Brunnen geschöpft.

    PS: Was ich auf Deinem Bild sehe? Das sind Abstraktionen die sich ineinander verhaken um sich vor den Menschen zu retten. Denn der ist hungrig nach ihnen. Er lebt von ihnen. Er lebt nur durch sie. Er kann nicht ohne. Ohne wäre er …“glaubt er“.

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    Verfasst von paulpeterheinz | 8. Februar 2022, 07:34
    • Ich glaube, dass nicht so sehr das völlig Abstrakte gemeint ist, sondern die Abstriche, Abrundungen… die gemacht werden müssen, damit verschiedene Menschen mit verschiedenen individuellen Hintergründen einen gemeinsamen Kern ausmachen.
      An deiner Einschätzung zum Foto zeigst du eine reiche Fantasie, die man sehr leicht zusammenschnurren lassen könnte, wenn man das Foto in seinen Komplementärfarben betrachtete. Denn das ist die einzige Veränderung, die ich an dem Foto vorgenommen habe.

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 8. Februar 2022, 10:14
      • Ich bin weder ein begnadeter Fotograf noch ein professioneller Fallensteller, um Tarnungen als Abstraktion zu erkennen. Aber ich überlege mal, ob ich mich in diesen Zeiten noch um das Studium von Fake-news kümmern werde.

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        Verfasst von paulpeterheinz | 8. Februar 2022, 11:17
      • Verstehe ich. Und ich würde es vermutlich auch nicht erkennen, weil unsere Sehgewohnheiten, diese „technische“ Manipulation noch nicht mit einbeziehen. Fake ist es insofern nicht, als alle Informationen offen zu Tage liegen.

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        Verfasst von Joachim Schlichting | 8. Februar 2022, 11:21
  4. Lurchig-Radikales. Kreisend kriechend bewegt.

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    Verfasst von Ule Rolff | 8. Februar 2022, 09:14
  5. AbstrAktion denkt kleine blauschimmernde bizarre unbekannt organische Wesen in sehr! tiefem Wasser das durch Unsichtbares beleuchtet wird. Jedewaig Abstraktion entledigt, nichts außer Farbe fühlend PAZIFISCH BLAU

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    Verfasst von ꜼƢAMAɠYÑIC🌐 | 8. Februar 2022, 10:09
  6. Deine Frage ist, ob wir uns einem Abstrakten anders als mit konkreten (persönlichen) Vorstellungen nähern können? Nun, abstrakt ist das Bild eigentlich nicht, sondern begrifflich nicht zugeordnet. Das mögen wir nicht. Wir brauchen einen Begriff, um das noch nicht Bekannte beherrschbar zu machen. Die Zuordnung wahrgenommenes Bild – Begriff geschieht durch Rückgriff auf bereits Bekanntes. Gerhard sieht Neuronen, weil er schon Abbildungen von Neuronen gesehen hat und weil ihn das Thema interessiert. Ich sehe blau eingefärbte in Entwicklung begriffene Lebewesen, die mit einander verbunden sind, was mich stört. Da können ja nur siamesische Geschöpfe bei rauskommen, denke ich und schaudere. Wahrscheinlich fühle ich eine Bedrohung durch genmanipulierende Forschungen und neue Züchtungen, und übertrage das auf das Bild..

    Abstraktion ist der umgekehrte Vorgang – im günstigen Falle. Da sehen wir viele Einzelphänomene, bemerken gemeinsame Merkmale und fassen sie in einem Begriff zusammen. In den meisten Fällen ist dieser abstrahierende Vorgang allerdings von anderen vorweggenommen worden, und wir plappern die Abstraktionen nur nach, indem wir entspechende öterr benutzen. (Mit Wörtern lässt sich trrefflich streiten, mit Worten ein System bereiten…“).

    Tatsächlich ist unser Denken und Fühlen sehr abstrakt (oder wortlastig) geworden. Die Erde ist uns ncht mehr bevölkert. Nicht Wirkliches berührt uns, sondern wir hantieren mit abstrakten Vorstellungen wie Bruttosozialprodukt, Klimagerechtigkeit, Kolonialismus, Wirtschaftswachstum und was auch immer. Schon Kleinkinder werden heute mit Abstrakta gefüttert, während der Zugang zu Realerfahrungen immer mehr eingeschränkt wird. oder genauer: während für die Realerfahrungen kaum noch Begrriffe zur Verfügung stehen.
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    Verfasst von gkazakou | 9. Februar 2022, 00:59
    • Du hast Recht. Als Bild habe ich ganz bewusst das Negativ einer ansonsten unbearbeiteten Fotografie (die in meiner Dunkelkammerzeit immer als erstes zutage kam) ausgewählt, um die Unterscheidung zwischen abstrakt und konkret ein wenig zu relativieren. Was mir wichtig erscheint ist, dass die individuell unterschiedliche Betrachtung/Beurteilung von Sachverhalten/Situationen verschiedener Menschen letztlich nur einen „Kern“ von objektiven Aspekten überig lässt – und ein solcher Vorgang ist m.E. eine mehr oder weiniger große Abstraktion.

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 9. Februar 2022, 08:38

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