Ich kann mir denken, dass nur die Wenigsten darauf kommen, um welche Pflanze es sich hier handelt. Und wenn ich sage: „Rhabarber“, dann rechne ich mit Zustimmung, aber nur weil „Rhabarber“ nicht nur für eine Pflanze steht, sondern auch für „unsinniges Zeug“. Aber diese winzigen Herzchen – deren Größe man anhand der im Samenstand herumturnenden Ameisen abschätzen kann (ca. 6 – 8 mm) – haben mit Rhabarber sehr viel zu tun. Sie sind die Samen einer leibhaftigen Rhabarberblüte. Vielleicht erinnert sich der eine oder die andere an den kürzliche erschienenen Beitrag „Wenn der weiße Rhabarber wieder blüht“. Dieser Rhabarber ist nun verblüht und versprüht seine unzähligen ebenfalls naturschönen Samen. Der Rhabarber hat es also ganz schön in sich nicht nur im Hinblick auf sein Sauersein (von sauer gibt es offenbar kein passendes Nomen).
Pfingstrose
Verhaucht sein stärkstes Düften
Hat rings der bunte Flor,
Und leiser in den Lüften
Erschallt der Vögel Chor.
Des Frühlings reichstes Prangen
Fast ist es schon verblüht –
Die zeitig aufgegangen,
Die Rosen sind verblüht.
Doch leuchtend will entfalten
Päonie ihre Pracht,
Von hehren Pfingstgewalten
Im tiefsten angefacht.
Gleich einer späten Liebe,
Die lang in sich geruht,
Bricht sie mit mächtgem Triebe
Jetzt aus in Purpurglut.*
Die Pfingstrose – hier im typischen Kugelstadium – ist ein Verpackungskünstler. Jedenfalls erlaubt sie, die Entfaltung schrittweise nachzuvollziehen, wenn sie in den nächsten Tagen ihr Purpur zum Glühen bringt. Der Entfaltungsvorgang wie er in Blüten und Blättern stattfindet ist m.E. eine Art Naturorigami, das mich immer wieder begeistert. Siehe frühere Beiträge, z.B. hier und hier und hier und hier und hier und hier.
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* Ferdinand von Saar (1833 – 1906). Saar gehört neben Marie von Ebner-Eschenbach zu den bedeutendsten realistischen Erzählern der österreichischen Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Seine Werke zeichnen sich durch humanistisches Ethos und Sozialkritik aus.
Als ich mich ein wenig in die Naturschönheit einer blauen Iris versenkte erblickte ich plötzlich ein Fabeltier, das mich ein wenig an einen blauen Pfau mit offenem Schnabel und geschlossenem Auge erinnert. Ich habe die Blume fotografiert und zeige hier den Ausschnitt, der mir ins Auge gestochen war. Schaut selbst, seht ihr nicht auch das blaue Tierchen?
Texte, Kunstwerke transformieren lediglich andere Texte und andere Kunstwerke in ein netzartiges und spiralförmiges Kontinuum über die Zeiten hinweg. Das gestaltgebende Gewebe, das allen gemein ist, ist das des Mediums und der verfügbaren Konventionen. Individueller dichterischer GENIUS oder historische Einzigartigkeit sind totemistische Begriffe, die weitgehend auf Illusion beruhen. *
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* Georg Steiner. Von realer Gegenwart. Hat unser Sprechen Inhalt? Wien 1990, S. 159
Der Wald hat heute viele seiner Geheimnisse verloren. Hänsel und Gretel sind ebenso verschwunden wie Rotkäppchen und der Wolf. Bevor Bäume absterben werden sie abgeholzt. Wälder sind meist aufgeräumt. Man darf kaum noch vom vorgezeichneten Weg abweichen. In unserem Wald gibt es Hinweisschilder auf „Kein Weg“, eine doppelte Paradoxie. Denn einerseits muss nicht eigens auf etwas hingewiesen werden, was nicht ist. Andererseits ist ein Weg nicht einfach weg, wenn man es mit einem Hinweisschild behauptet.
Aber man kann sich behelfen. Wälder und Bäume haben bestimmte Geheimnisse behalten. Sie sind voll von Pareidolien, also Strukturen, die visuell meist ohne unser Dazutun mit anderen Bedeutungen belegt werden. Man muss lediglich eine Bereitschaft mitbringen, solche Umdeutungen gegen das eigene Denken zuzulassen. Ein Beispiel ist der im Foto abgelichtete Baumstumpf. Er bekommt plötzlich ein Gesicht und zwar eines, das in der Lage ist, den derzeitigen Zustand des Waldes nonverbal zum Ausdruck zu bringen.
Aus Erfahrung und in voller Übereinstimmung mit den Gesetzen der Physik strömt das Wasser in Vorwärtsrichtung aus einem waagerechten Rohr und bewegt sich dann unter dem Einfluss der Schwerkraft in etwa in Form einer Wurfparabel nach unten – wie auf dem Foto zu sehen ist.
Doch wie so oft liegt der Widerspruch bereits im System. So auch hier. Man erkennt einen zweiten kleinen Wasserstrom, der offenbar Einspruch gegen diese Richtung zu erheben scheint – wenn auch tröpfchenweise.
Ob es wirklich weise ist, genau in Gegenrichtung zu strömen, ist physikalisch schwer zu beurteilen, da der Begriff der Weisheit in der Physik nicht definiert ist. Merkwürdig ist es dennoch. Vielleicht wird die Eine oder der Andere an ein ganz ähnliches Phänomen erinnert: Beim Einschenken von Tee aus einer herkömmlichen Teekanne in eine Tasse, weicht die Flüssigkeit zuweilen auch in Gegenrichtung aus und verfehlt die Tasse – insbesondere dann, wenn man vorsichtig vorgeht und genau diesen Effekt zu vermeiden versucht.
Aber weder das eine (Foto), noch das andere (Tee auf Tischdecke) geschieht aus Boshaftigkeit oder um die Physik Lügen zu strafen. Vielmehr betrifft es den sogenannten Teekanneneffekt, bei dem Kräfte ins Spiel kommen, die nicht so leicht zu durchschauen sind.
Aber das ist noch nicht alles. Wenn man der Flüssigkeit genügend Raum zur Entfaltung lässt oder sogar bietet, kommt es zu weiteren naturschönen Phänomenen, die man andeutungsweise bereits beim obigen Brunnenstrahl beobachten kann – der Strahl beginnt sich zu drehen.
Wir blicken in eine Wasserpfütze, in der ein Baum spiegelnd reflektiert wird. Die Sonne steht noch tief, ihr roter Schimmer auf dem Asphalt leu(ch)tet einen neuen Tag ein.
Soweit zur Morgenstimmung.
Der schwarze Asphalt absorbiert im Idealfall so gut wie alles auftreffende Licht, gleich welcher Farbe es ist. Dass man ihn hier dennoch im Morgenrot schimmern sieht, ist auf die Benetzung durch Wasser zurückzuführen. Das Wasser auf den passend orientierten Steinchen im Asphalt reflektiert das Sonnenlicht spiegelnd in die Augen des morgendlichen Spaziergängers. Die Wasserfläche in der Pfütze reflektiert zwar auch das auftreffende rote Sonnenlicht, aber nicht in unsere Augen. Diese müssen mit dem aus einer anderen Richtung kommenden Himmellicht vorlieb nehmen. Und das alles, weil der Reflexionswinkel des Lichts gleich dem Einfallswinkel ist.
Der Hibiskus stammt ursprünglich aus den Tropen und ist heute auch in den gemäßigten Klimazonen anzutreffen, wo ich ihn nicht nur in seinen roten, sondern auch seinen ebenso schönen gelben Blüten in freier Natur antraf.
Als Topfpflanze kennen wir dieses Malvengewächs inzwischen auch in den eigenen vier Wänden. Er fasziniert nicht nur durch seine auffallend leuchtenden Farben seiner großen Blüten. Erstaunlich ist auch sein Verhalten, seine Blüten nachts zu schließen und tagsüber wieder zu öffnen. Damit kommt er dem menschlichen Verhalten ziemlich nahe. Diese schließen nachts die Augen und viele von ihnen öffnen sie tagsüber auch wieder. Allerdings ist die Motivation für diesen Wechsel eine andere. Durch das Schließen soll die Blüte vor der nächtlichen Kälte geschützt werden (siehe auch den früheren Beitrag).
Löwenzahn
Keine Vase will dich. Keine
Liebe wird durch dich erhellt.
Aber deines Samens reine
weiße Kugel träumt wie eine
Wolke, wie der Keim der Welt.
Lächle! Fühl dich gut gedeutet!
Blüh! So wird aus Schweigen Huld.
Bittre Milch und Flaum, der gleitet:
O, nicht Haß – den Himmel weitet
Weisheit. Stillesein. Geduld.
Wärst du auf der Höh geboren,
ferne, selten, früh empor:
Teilnahmslosem Gang der Horen
blühtest ruhmvoll, unverloren,
groß, dein Wunder vor.*
Faszinierend an den Löwenzahnsamen ist u. A. ihre physikalisch raffinierte Weise, sich in der Luft zu neuen Ufern auszubreiten. Im Unterschied zu anderen Samen hängen diese nicht an flächigen Flügeln. Ihr Gleitschirm besteht aus einem filigranen Faserskelett, das auf den ersten Blick nicht besonders geeignet erscheint, um sich optimal fortzubewegen. Doch in ihrer Größenordnung erweist es sich gerade wegen der feinen Struktur als besonders prädestiniert, langsam und stabil durch die Luft zu gleiten. Physikalisch gesehen ähnelt die Forbewegung der an ihren Pappussen hängenden Samen eher dem Schwimmen als dem Gleiten in der Luft, weil für so winzige Objekte bereits die Zähigkeit der Luft bemerkbar macht.
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* Joseph Weinheber (1892 -1945)
Ich liebe den kurzen Zeitraum am Morgen, wenn die Sonne gerade über den Horizont blinzelt und eine Lichttangente über das flache Land legt. Heute hatte ich Gelegenheit, diesen Moment in einer kaum zu überbietenden Feinheit zu erleben. Als ich eine Schnecke ähnlich gemächlich über den Weg rutschen sah, wie die Sonne aufstieg, flammte plötzlich der flache orangefarbene Schneckenkörper im hellen Sonnenlicht auf. Wie man an den angestrahlten Tannennadeln und Steinchen auf dem Weg erkennt, wurde hier das ästhetisch Prinzip des Ton in Ton in hervorragender Weise erfüllt.
Die Tage im Mai sind für mich in dieser Hinsicht besonders passend, weil wir – die Sonne und ich – etwas zur gleichen Zeit aufstehen.
Hier entwickelt – oder sollte man lieber sagen – entrollt sich ein pflanzliches Blatt, das später zu einem großen Farnblatt wird, das seine Fläche zur Sonne hin ausrichtet. Schaut man sich den pflanzlichen Ring genauer an, so entdeckt man im Innern bereits andeutungsweise die Verzweigungen einzelner Farnblätter, die zu diesem selbstähnlich sind. Selbstähnliche Strukturen sind solche, bei denen Ausschnitte wie das Ganze aussehen.
Mit einem vielzitierten Spruch von Wilhelm Busch, kann man nur sagen: So blickt man klar, wie selten nur, Ins innre Walten der Natur.
Komplexität ist eine scheinbare Unordnung, bei der man Gründe hat, eine verborgene Ordnung zu vermuten; oder auch, Komplexität ist eine Ordnung, deren Code man nicht kennt.* (Übers. HJS)
Dennoch kann man sich angesichts dieses vielschichtigen Gebildes des Eindrucks nicht erwehren, dass man es mit einer wie auch immer zu benennenden Ordnung zu tun hat, die ihre Berechtigung nicht aus einer abstrakten Gesetzmäßigkeit bezieht, sondern letztlich aus einem tief empfundenen Gefühl für die Schönheit der Struktur.
* Henri Atlan. Entre le cristal et la fumee. Paris 1979, p.78 (Im Original: „la complexité est un désordre apparent ou l’on a des raisons de supposer un ordre caché; ou encore, la complexité est un ordre dont on ne connait pas le code.“
Visuelle Ähnlichkeiten entdeckt man oft in völlig verschiedenen Bereichen und Zusammenhängen. Als ich diese Felswand (links) fotografierte, erinnerten mich die hellen Lichtbänder an Kaustiken wie man sie oft in flachen Gewässern beobachten kann (rechts). Tatsächlich hat das eine mit dem anderen rein materiell gesehen nichts zu tun. Unser Mustererkennungsvermögen kennt oft keine Grenzen welcher Art auch immer und stellt Zusammenhänge her, die realiter gar nicht bestehen. Aber diese unsere Fähigkeit völlig verschiedene „Ansichten“ miteinander zu verknüpfen, stellen eine Grundlage für die Entwicklung neuer Ideen und Möglichkeiten dar, auf die man durch bloßes Nachdenken wohl kaum gekommen wäre.
Moostee
Sechzehn Jahr’ – und wie ein greiser
Alter sitz ich, matt und krank;
Sieh, da senden mir der Geiser
Und der Hekla diesen Trank.
Auf der Insel, die von Schlacken
Harter Lava und von Eise
Starrt, und den beschneiten Nacken
Zeigt des arkt’schen Poles Kreise;
Über unterird’schen Feuern,
In nordlichterhellten Nächten,
Bei den Glut- und Wasserspeiern
Wuchsen diese bittern Flechten.
Aus den dampfumrollten Kegeln,
Aus der Berge schwarzem Tiegel,
Gleich blutroten Sagenvögeln –
Flammenzungen ihre Flügel –
Sahn sie feurig auf zum schwarzen
Himmel mächt’ge Steine sprühen,
Und ein Meer von heißen Harzen
Durch das Schneegefilde ziehen.
Von den Jökuln zu den Fjorden
Durch das dän’sche Inselland,
Breit, ein riesiger Dan’brogorden,
Schlängelt sich das Flammenband.
Wolken, Rauch und Asche wallen,
Und am Strand die Robben winseln,
Und die roten Steine fallen
Nieder auf entfernten Inseln;
Die zerrißnen Berge zittern,
Und das Eismeer schäumt und braut –
Dorten wuchsen diese bittern
Flechten, wuchs dies herbe Kraut. –
Daß die kranke Brust gesunde,
Und sich freue neuer Kraft,
Biet ich träumerisch dem Munde
Ihren dunkelgrünen Saft.
Feuer zuckt durch meine Nerven,
Vor mir liegt das wüste Land;
Die weitoffnen Krater werfen
Himmelan den flüss’gen Brand.
Kühner fühl ich mich und stärker
Bei dem Lodern dieser Glut,
Und die Wildheit der Berserker
Tobt durch mein genesend Blut.
Lavaschein und Nordlicht röten
Mein Gesicht; die Pulse schlagen
Schneller; Edda, laß mich treten
Vor die Helden deiner Sagen!
Ha! wenn dieser Insel Pflanzen
Mir den Lebensbecher reichen,
Mög’ ich dann in meinem ganzen
Leben dieser Insel gleichen!
Feuer lodre, Feuer zucke
Durch mich hin mit wildem Kochen;
Selbst der Schnee, in dessen Schmucke
Einst mein Haupt prangt, sei durchbrochen
Von der Flamme, die von innen
Mich verzehrt: wie rot und heiß
Hekla Steine von den Zinnen
Wirft nach der Faaröer Eis:
So aus meinem Haupt, ihr Kerzen
Wilder Lieder, sprühn und wallen
Sollt ihr, und in fernen Herzen
Siedend, zischend niederfallen!*
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* Ferdinand Freiligrath (1810 – 1876)
Was nie geschrieben wurde, lesen, wer möchte das nicht, wer möchte nicht in allem Wahrnehmbaren wie in einem Buch lesen? Jeder Stein, jeder Fuchs, jede Brücke wäre Buchstabe, Silbe oder Wort und es gälte, diese Elemente zu einem Satz, vielleicht zu einer Frage, zusammenzufügen. Vielleicht besaßen wir diese Fähigkeit bis zu einem gewissen Grad, und sie ist uns im Laufe der Jahrtausende abhanden gekommen.*
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* Anne Weber. Besuch bei Zerberus. Fankfurt 2004, S. 65
Normalerweise sieht man sie nicht, sondern ist unangenehm berührt – ein nur schwer zu beseitigendes Kitzeln im Gesicht durch aufgringliche Anhänglichkeit zeigen, dass es bereits zu spät ist – der Spinnfaden ist gerissen.
In diesem Fall (Foto) wurde ich im letzten Moment gewarnt. Der Faden hatte sich eine größere Sichtbarkeit zugelegt, indem seine wasserliebende Oberfläche mit winzigen Tröpfchen belegt war. Ich bückte mich also und entging damit einer Minidusche, obwohl diese Erfahrung vielleicht ganz interessant gewesen wäre.
Warum und wie die Spinne den Faden über den Wanderweg gespannt hat, blieb ihr Geheimnis. Ich hätte ihr geraten, sich eine andere Stelle zu suchen. Zwar würde der nächste oder übernächste Wanderer ins unfertige Netz gehen, aber trotz der fetten Beute hätte die Spinne nichts davon. Vielleicht war es ja auch nur eine künstlerische Installation, der ich durchaus das Prädikat „naturschön“ verleihen würde.
Erstaunlich erscheint der einen oder dem anderen vielleicht, wie straff der Faden trotz der verhältnismäßig großen Wasserlast gespannt ist. Die Ursache dafür habe ich in einer früheren Arbeit beschrieben.
Nicht ich schien die Wand zu berühren, sondern aus dem Stein lösten sich feine Teilchen und strömten meiner Hand zu, zogen mich in einen Regelkreis, in dessen pulsierendem Gleichmaß die Grenzen der Dinge mehr und mehr schwanden und einem Zustand Raum gaben, der alle Unterschiede, Konturen und Selbstgewißheiten zu einem chaotisch an- und abschwellenden Rauschen umschmolz.*
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* Klaus Modick. Die Schrift vom Speicher. Frankfurt 1994, S. 74.
Wolken sind faszinierende Gebilde. Jede sieht anders aus. Sie lassen sich aber hinsichtlich ihrer physikalischen und meteorologischen Merkmale klassifizieren. Kürzlich hatte ich zur Kenntnis genommen, dass Im Jahr 2017 die Weltorganisation für Meteorologie 12 Überarbeitungen des Internationalen Wolkenatlas angenommen hat. Darunter befindet sich auch die Einführung eines neuen zusätzlichen Wolkenmerkmals, der Asperitas. Und schon gibt es überzeugende Belege dafür, dass ein zusätzliches neues Wolkenmerkmal, das „Supercilium“, ebenfalls für die Aufnahme in den Atlas in Betracht gezogen werden sollte. Supercilium sind kurzlebige Wolkenmerkmale, die in turbulenten Luftströmungen über und meist im unmittelbaren Windschatten von Bergen auftreten können.
Ich habe vor einigen Jahren dieses Foto einer Wolkenformation gemacht, die bisher in der Kategorie „Ungewöhnliche Wolkenformationen“ abgespeichert war. Vielleicht gehört sie ja zzu dieser Kategorie Supercillium. Sie erinnert jedenfalls mehr an Augenbrauen als manche andere im Internet zu findende Wolken unter dieser Rubrik. Wie auch immer, der Anblick ist selten, naturschön und stimmungsvoll.
Obwohl der Sand von einheitlicher Farbe ist, schaffen Licht und Schatten eine beeindruckende Koloration, die den sanft geschwungenen Dünen eine Struktur verleihen, von der man sich nur schwer vorstellen kann, dass sie durch die formende Kraft der Winde geschaffen wurde.
Nachdem der Winter nunmehr schrittweise auf dem Rückzug ist, drängen sich immer mal wieder Hinterlassenschaften der kalten Jahreszeit in den Blick. Manchmal zeigen diese sich von der schönsten Seite, wie beispielsweise im obigen Foto. Es handelt sich um eine Fliese, die während der Vereisung vor einiger Zeit mit Salz bestreut wurde, um die Eisschicht zum Schmelzen zu bringen und damit die Rutschgefahr zu beseitigen.
Durch Salz wird der Schmelzpunkt von Wassereis herabgesetzt. Es gefriert bei einer niedrigeren Temperatur als reines Wasser. Es bleibt also auch bei Temperaturen flüssig, die allerdings nicht zu weit unter dem normalen Gefrierpunkt von 0 °C liegen dürfen. Diese Bedingung ist in unseren Breiten den meisten Fällen erfüllt.
Auch eine bereits vorhandene Eisschicht kann oft mit Salz aufgetaut werden, weil sie stets mit einer dünnen Wasserschicht bedeckt ist, die sich mit dem Salz verbindet und zu immer tieferen Schichten vordringt.
Nachdem es wieder wärmer geworden, das Wasser verdunstet ist, bleibt das gelöste Salz zurück und verfestigt sich wieder. Dabei bilden sich der Gitterstruktur des Salzes (Natriumchlorid) entsprechend Salzkristalle, die teilweise ästhetisch ansprechende Muster bilden wie hier auf der früher vereisten und mit Salz behandelten Fliese.
Ich weiß, man sollte beim Enteisen mit Salz sparsam umgehen. Das tue ich normalerweise auch, aber in diesem Fall handelte es sich um eine lokal beschränkte Maßnahme, bei der alles Salz wieder zurückgewonnen wurde. Bevor ich die Fliesen säuberte, erlaubte ich mir jedoch das obige – wie ich meine naturschöne – Foto zu machen.
Die Tage werden zwar bereits seit dem Winterbeginn wieder länger, aber davon merkt man so richtig erst etwas in der letzten Zeit. Dieser Anblick zeigt besonders eindruckvoll die Ankunft des Lichts in gleißender Weiße an dünner Bewölkung gestreut…
Der verschwundene Stern
Es stand ein Sternlein am Himmel,
Ein Sternlein guter Art;
Das tät so lieblich scheinen,
So lieblich und so zart!
Ich wußte seine Stelle
Am Himmel, wo es stand;
Trat abends vor die Schwelle,
Und suchte, bis ich’s fand.
Und blieb denn lange stehen,
Hatt‘ große Freud in mir,
Das Sternlein anzusehen;
Und dankte Gott dafür.
Das Sternlein ist verschwunden;
Ich suche hin und her
Wo ich es sonst gefunden,
Und find es nun nicht mehr.*
An dieses Gedicht von Matthias Claudius wurde ich erinnert, als ich seit dem 4. März, also vor gut einer Woche, vor meinem Fenster erlebte wie sich Jupiter und Venus nahekamen. Danach wurde der Vorhang zugezogen. Der Rest trug sich also zumindest von meiner Warte aus im Verborgenen zu. Jedenfalls gab es von da an keinen Tag, an dem der Himmel frei war. Heute waren die Sternlein verschwunden oder wenn man ihren Charakter als Wandelsterne (Planeten) berücksichtigt, bereits wieder so weit voneinander entfernt, dass man sie kaum noch als Paar ansehen kann. Allenfalls nur deshalb, weil sie in diesem Augenblick die einzigen waren, die sich am Firmament (sic!) sehen ließen.
Soweit die allzu menschlichen Gedanken, die einem dazu einfallen können. In Wirklichkeit hatten sie sich weder genähert, noch gab es irgendeine Unsicherheit, was hinter der Wolkendecke seitdem passierte. In voller Erfüllung der Keplerschen Gesetze haben sie sich (weitgehend) deterministisch verhalten und für jeden Moment war ihre Position rein rechnerisch präsent. Das ist für manche Menschen beruhigend. Am vertrauten Himmel gibt es – zumindest aus der Perspektiv des menschlichen Erlebens – kaum Überraschungen.
Auch wenn ich aus astronomischer Sicht das Verschwinden von Sternen nur mit Planeten, also Wandelsternen, wie man sie damals auch nannte, in Verbindung zu bringen vermag, kamen mir jedoch Zweifel, ob Claudius wirklich an reale Sterne/Planeten gedacht hat. Denn meine Recherchen erbrachten, dass Clemens von Brentano und Achim von Arnim dieses Gedicht unter dem Namen „Christiane“ in „Des Knaben Wunderhorn“ aufgenommen hatten, um damit an Claudius‘ Tochter Christiane zu erinnern, die im Alter von 20 Jahren an Typhus starb. Das legt natürlich eine ganz andere Deutung nahe.
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* Matthias Claudius (1740 – 1815).
Der Winter hat gestern Nacht vermutlich mit einer schönen Schneelandschaft den Schlusspunkt unter seine diesjährige Saison gesetzt. Nachdem die letzten 10 Tage Eis, Wasser und Wasserdampf den Blick zum Himmel verstellt hatten, ist vorletzte Nacht alles heruntergekommen: Der Himmel ist frei, tiefblau, das Land mit einer weißen Schicht bedeckt… Halt, bevor ich fortfahre. Es ist nicht weiß; der Schnee hat einen deutlichen Blaustich, jedenfalls überall dort, wo die Sonne nicht hinkommt.
So haben wir früher gesungen mit lachendem Herzen. Da viele Anzeichen dafür sprechen, dass der Winter nach einem kurzen Aufbäumen nun endgültig Abschied zu nehmen scheint, möchte ich ihm noch eines meiner letzten Pfützenfotos hinterher schicken. Diese Eisstruktur zeigt den Winter einmal mehr von einer seiner ästhetisch ansprechenden Seite. Entsprechend vielfältig sind die physikalischen Vorgänge, die diesen Anblick hervorgebracht haben. Dazu habe ich mich früher mehrfach geäußert.
Diese magische Berglandschaft mit dendritischen Strukturen und blauen Gipfeln ist nichts weiter als eine mit Tropfen belegte Glasscheibe, die einerseits den blauen Himmel und andererseits Bäume spiegeln. Die Orangefärbung verdankt sich einem intensiven Sonnenaufgang, der seine Farben insbesondere den Bäumen mitteilt, die sie wiederum an die Tropfen weiterreichen.
Als ich vor dieser aus einem Felsen mit einer überdimensionalen Säge herausgearbeiteten glatten Wand stand, hatte ich kurzfristig den Eindruck, das Steinpaar im rechten Drittel würde sich über den holprigen Hangweg von einer zur anderen Erhebung hüpfend nach links unten bewegen. Zugegeben – eine Täuschung. Aber vielleicht bewegt er sich ja tatsächlich, wenngleich dem Kontext entsprechend geologisch langsam 😉 , also mit einer Geschwindigkeit von derselben Größenordnung in der der Fels selbst entstanden ist. Man könnte die Szenerie aber auch als Dornröschenschlaf ansehen, das wäre wesentlich poetischer und würde die naturschöne Ansicht kongenial begleiten.
Als ich vor einigen Tagen frühmorgens dieses Bild vor Augen hatte, liefen die letzten Jahre wie ein Film vor mir ab und hinterließen äußerst zwiespältige Gefühle. Zwar ist die Maske nach wie vor in Betrieb – jede Arztpraxis zeigt, wie aktuell sie noch ist – aber gleichzeitig wird sie auf Eis gelegt bzw. eingefroren – wie es dieses vielsagende Bild aus der Natur nahezulegen scheint. Irgendwie wehrt sich etwas in mir, dieses Bild als naturschön anzusehen, obwohl äußerlich alles zu stimmen scheint: Die Symbolkraft überwiegt die Ästhetik.
Meeresstrand
Ans Haff nun fliegt die Möwe,
Und Dämm’rung bricht herein;
Über die feuchten Watten
Spiegelt der Abendschein.
Graues Geflügel huschet
Neben dem Wasser her;
Wie Träume liegen die Inseln
Im Nebel auf dem Meer.
Ich höre des gärenden Schlammes
Geheimnisvollen Ton,
Einsames Vogelrufen –
So war es immer schon.
Noch einmal schauert leise
Und schweiget dann der Wind;
Vernehmlich werden die Stimmen,
Die über der Tiefe sind.*
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* Theodor Storm (1817 – 1888)
Eine dicke Wolke absorbiert das Sonnenlicht. Das heißt nicht ganz. Denn dort wo sie dünner ist, am ausfransenden Rand, kommen einige Sonnenstrahlen hindurch. Sie haben bei ihren Reflexionen an den Wassertröpfchen nur einen Teil an Intensität verloren und erscheinen durch den starken Kontrast zur übrigen Wolke besonders hell. Dieser Kontrast macht auch die Naturschönheit dieser Szenerie aus. Solche kontrastreichen Ränder von Wolken beherbergen oft bemerkenswerte Pareidolien. In diesem Fall sehe ich das Profil eines Gesichts mit Knollnase.
Was braucht es denn schon, könnte man sich fragen, um die Regeln der Perspektive zu entdecken? Wir brauchen doch nur ein Glas oder einen Spiegel zwischen die Szene und uns zu schieben, die Umrisse der Objekte zu zeichnen, wie sie uns durch das Glas erscheinen, und dann die Eigenschaften der Formen und Gestalten zu untersuchen, die wir gezeichnet haben – dann entdecken wir die perspektivische Verkürzung, entdecken wir die Fluchtlinien.*
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* Roberto Casati. Die Entdeckung des Schattens. Berlin 2001; S. 247.
Bislang hat uns hier der Winter nicht gerade mit winterlichen Ansichten verwöhnt. Lediglich die in den letzten Nächten immer wieder zugefrorenen Wasserpfützen, gaben beim Sonnenaufgang immer mal wieder einen Eindruck der Schönheit winterlicher Kreationen, bevor sie von derselben Sonne gnadenlos und im wahrsten Sinn des Wortes liquidiert wurden (siehe Foto). Man sieht einerseits das Blau des Himmels, das hier durch die an der Unterseite mit weißem Reif bedeckten Eisflächen einen pastellfarbenen Ton angenommen hat. An anderen Stellen dominiert das orangefarbene Sonnenlicht, das an einigen prominenten klaren Eisrändern gebrochen bzw. reflektiert wird. Der unebene Untergrund der Pfütze sorgt im Übrigen dafür, dass die Eisgebilde eine naturschöne Musterung angenommen haben.
Ein weiteres NaturKunstwerk. Der Fantasie (siehe Überschrift) sind da keine Grenzen gesetzt.
Es handelt es sich dabei um einen Ausschnitt einer vom Salzwasser der Nordsee maltraitierten Befestigung entlang der Küste, in der als Bindemittel Teer oder Asphalt benutzt wurde. Interessant ist hier die Wechselwirkung zwischen Teer und Salzwasser, die – so meine vorläufigen Recherchen – noch Gegenstand der Forschung sind.
Diese Pflanze hat eigentlich ihre Blütezeit lange hinter sich. Irgendwann kippte sie, der meisten Blüten verlustig, in den Teich, um dort allmählich zu verfaulen. Doch wie so oft im Leben nutzte sie dann die Gelegenheit, sich Ersatzblüten zuzulegen, um dem Zerfall noch eine letzte Grazie zu verleihen.
Die Gelegenheit ergab sich dadurch, dass sie mit einigen Ästen in einer Melange von Eis und Schnee steckte (siehe Foto). Als dann tags darauf die Sonne schien, erwärmten sich Teile der Pflanze wesentlich stärker als die Eis-Schnee-Mischung. Denn letztere reflektierte einen großen Teil der Strahlungsenergie und ließ einen anderen Teil durch, um am Boden des Teichs absorbiert zu werden.
Demgegenüber absorbierte die Pflanze einen großen Teil der auftreffenden Strahlungsenergie und sorgte dafür, dass das Eis-Schnee-Gemisch schmolz und sich um die Eintauchstellen herum verflüssigte. Möglicherweise wurde zusätzlich auch noch von der übrigen Pflanze absorbierte Energie durch Wärmeleitung zu den Eintauchstellen transportiert.
In der folgenden kalten Nacht froren dann diese Stellen wieder zu. Aber da sich dort kein Schnee mehr befand, blieb es dort transparent und damit dunkel, weil das einfallende Licht vom Teichboden absorbiert wurde.