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Marginalia

Die Wissenschaft freilaufender Hühner

Wissenschaft ist eine ernsthafte Angelegenheit. Das hat sich bis zu den Hühnern herumgesprochen, die seitdem ihre eigene Forschung betreiben. Das gilt insbesondere für die Astronomie:

EIN ASTRONOMENHUHN behauptet, sämtliche Galaxien des Universums zusammen seien nichts anders als Staubwölkchen, die von einem Huhn aufgewirbelt würden, das in einem unendlich viel größeren Universum scharre. Und was ist dann jenseits der Galaxien?, fragten seine Mithühner. Wenn ihr genau hinschaut, dann seht ihr, ganz dort hinten, die Krallen des Huhns, das die Staubwölkchen aufgewirbelt hat*.

Die neuzeitlichen Wissenschaften haben den Hühnern viel zu verdanken. Man denke nur daran, dass die babylonischen Schriftzeichen und damit wichtige Informationen über diese ferne Zeit letztlich den Hühnern zu verdanken sind:

EIN BABYLONISCHES Huhn trippelte auf ein paar ungebrannten, noch weichen Tonziegeln auf und ab. Seine Füße sanken in den Ton ein und hinterließen Zeichen. Die Ziegelsteine kamen zum Brennen, aber sie wurden nicht verwendet und blieben auf einem Haufen im Lager liegen. Mehr als dreitausend Jahre später fanden Archäologen, die Ausgrabungen machten, um die Ruinen von Babylon freizulegen, die Ziegelsteine mit den Abdrücken des Huhns. Sie stellen viele Untersuchungen an, und schließlich gelang es ihnen, jene Zeichen zu entziffern und in die modernen Sprachen zu übersetzen. So waren die Archäologen, dank jenes babylonischen Huhns, in der Lage, ein Stück Geschichte zu rekonstruieren, das andernfalls im Dunkel geblieben wäre*.
Man muss sich nicht wundern, dass die Hühner wissenschaftlich so weit waren und sind. Ist nicht ein Hühnerhof eine wahre Analogiequelle für wissenschaftliches Denken? Der Newtonsche Apfel und anderes Fallobst gehören ebenso dazu wie die Körner, die selbst von blinden Hühnern gefunden werden.


* Luigi Malerba. Die nachdenklichen Hühner. Frankfurt 1991

Diskussionen

27 Gedanken zu “Die Wissenschaft freilaufender Hühner

  1. Schöne Geschichte aus Babylon 🙂

    Im DLF gab es dieses Jahr einen Beitrag zum Huhn, das aufzeigte, daß es nicht so dumm ist wie allgemein behauptet.
    https://www.deutschlandfunk.de/menschlichere-nutztierhaltung-huhn-im-glueck.740.de.html?dram:article_id=407832

    Immer mehr stellt man fest, daß die menschliche Intelligenz garnicht soooo besonders ist – wenn man Intelligenz als Fertigkeiten begreift.

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    Verfasst von kopfundgestalt | 6. Oktober 2018, 00:13
  2. Wunderbar. Wir haben Deinen Beitrag als Frühstückslektüre bei einem leckeren Frühstücksei genossen, Liebe Grüße

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    Verfasst von juergenkuester | 6. Oktober 2018, 09:43
  3. Besonders bemerkenswert finde ich, dass auf diese Weise die weibliche Überlegenheit auch in der wissenschaftlichen Forschung endlich anerkannt wird. Nicht Hähne waren es, die über die babylonischen Ziegeln liefen. Und kein männlicher Urknall, sondern fleißiges weibliches Scharren stand am Anfang der Galaxienentstehung. Bravo!

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    Verfasst von gkazakou | 6. Oktober 2018, 11:46
  4. Die Bedeutung von Hühnern für die Wissenschaften finde ich ausgesprochen faszinierend und gar die Verbindung zur Erfindung der Schrift 🙂 Wäre ja auch interessant, wie die mesopotamischen Hühner so ausgesehen haben.

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    Verfasst von Myriade | 6. Oktober 2018, 11:51
  5. In diesem Sinn.

    War zuerst die Henne, Huhn oder das Ei? 😉
    https://de.wikipedia.org/wiki/Henne-Ei-Problem

    oder das Ei des Kolumbus
    https://de.wikipedia.org/wiki/Ei_des_Kolumbus

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    Verfasst von Malabar | 6. Oktober 2018, 22:43
    • Das Henne-Ei-Problem ist ein fundamentales philosophisches Problem. Es weist auf die Schwierigkeit hin, in einer Kausalkette den Anfang zu finden und damit einmal mehr auf die wissenschaftliche Bedeutung der Hühner. Das Ei des Kolumbus spielt bei der Lösung des Problems eine wichtige Rolle, als es auf die Möglichkeit verweist, die Kausalkette an einer Stelle einfach zu zerschlagen bzw. zu zerreißen.

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 7. Oktober 2018, 09:58

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