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Astronomie

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Frühlingsanfang 2024

Obwohl in diesem Jahr der Frühling schon seit einiger Zeit zugange ist, kann ab heute auch offiziell und astronomischerseits von Frühling gesprochen werden.
Als ich jung war, wusste ich, dass der (astronomische) Frühling am 21. März beginnt. So stand es im Kalender und schien eine der Konstanten des Lebens zu sein. Doch dass dieses Datum nicht für alle Zeiten festgeschrieben ist, ging mir erst viel später auf, als irgendwann der Frühling schon am 20. März startete.
Gefühlt mag das zwar wegen des zunehmenden globalen Temperaturanstiegs gerechtfertigt sein. Aber die Gründe dafür sind andere. Schuld ist die jährliche Reise der Erde um die Sonne. Zweimal im Jahr steht die Sonne über dem Äquator. Tag und Nacht sind dann gleich lang und man spricht dann auch von Tagundnachtgleiche: Frühlingsbeginn im März und Herbstbeginn im September.
Da die Reise der Erde um die Sonne aber nicht genau 365 Tage dauert, sondern 365 Tage, 5 Stunden und 49 Minuten, muss dafür gesorgt werden, dass die Jahreszeiten nicht allmählich wegdriften. Zwar werden die sich auf diese Weise ansammelnden Fehlstunden von 23 Stunden und 16 Minuten in vier Jahren in Form eines Schalttages am 29. Februar ergänzt. Aber so ein Schalttag hat eben 24 Stunden – und nicht 23 Stunden und 16 Minuten. Da dies aber weniger als ein Tag von 24 Stunden und damit die Korrektur etwas zu groß ausfällt, rückt der Frühlingsanfang entsprechend etwas vor. Seit 2012 beginnt der Frühling daher bereits am 20. März.
Auf lange Sicht ist auch das nicht mehr tragbar und so wurde in der Vergangenheit zu den Jahrhundertwechseln immer mal wieder ein Schalttag im Februar weggelassen. Und auch in Zukunft wird das so sein müssen, weil der Frühlingsanfang allmählich auf den 19. März vorrückt.
Diese Verschiebungen und Maßnahmen dagegen betreffen natürlich nicht nur den Frühlingsanfang, sondern auch den Beginn der anderen Jahreszeiten in gleichem Maße.

Wintersonnenwende 2023

Vor einigen Wochen hat man noch deutlich gemerkt, dass die Tage kürzer wurden. Jetzt zum Schluss kann man kaum noch Änderungen feststellen, weil sich die Sonne dem Wendepunkt nähert und heute die Talsohle durchschreitet.
Die Sonne hat auf der Nordhalbkugel die kleinste Mittagshöhe und hält sich im Verlauf des Tages die kürzeste Zeit des Jahres über dem Horizont auf. (Ganz abgesehen davon, dass die Sonne in unserer Gegend heute ohnehin nicht zu sehen ist und sich alles hinter einer sturmgepeitschten Wolkenwand abspielt.) Ab morgen steigt sie wieder von Tag zu Tag an, wodurch die Tage wieder länger werden. Aber der Zuwachs ist zunächst ebenfalls sehr langsam. Obwohl heute der kürzeste Tag ist, hatten wir den frühesten Sonnenuntergang bereits vor einigen Tagen und der späteste Sonnenaufgang wird erst in einigen Tage erreicht sein. Das ist eine Folge der sogenannten Zeitgleichung, wonach es an jedem Ort einen zeitlichen Unterschied zwischen der wahren Sonnenzeit („wahre Ortszeit“) und der mittleren Sonnenzeit („mittlere Ortszeit“) gibt.
Noch kürzer als bei uns sind die Tage im Norden. Am nördlichen Polarkreis gibt es heute überhaupt keinen Sonnenaufgang.
Obwohl ab jetzt die Sonnenscheindauer von Tag zu Tag zunimmt, markiert die Wintersonnenwende offiziell den Beginn des astronomischen Winters. Was die Vorbereitung der Natur auf den Winter betrifft, so sind wir dabei uns dem Ende des wärmsten Jahres seit Aufzeichnung des Wetters zu nähern. Das spricht sehr deutlich dafür, dass die klimatologisch bedingte Erderwärmung in vollem Gang ist. Dagegen sprechen auch nicht mögliche Wetterumschwünge, die in den nächsten Monaten noch für Eis und Schnee sorgen könnten. Denn es geht um die Durchschnittstemperaturen, die über nun schon lange Beobachtungszeiträume eindeutig nach oben tendieren.

Tag- und Nachtgleiche 2023

Heute treten wir in die dritte Jahreszeit ein, den Herbst. Einige Anzeichen machen sich schon seit längerem bemerkbar, andere suchen wir vergeblich. Astronomisch gesehen bedeutet die Tag-und Nachtgleiche, auch Äquinoktium genannt, dass die Sonne senkrecht über dem Äquator steht und der Tag und die Nacht überall auf der Erde gleich lang sind, nämlich 12 Stunden.
Danach werden die Tage kürzer als die Nächte – die dunkle Jahreszeit nimmt hier ihren Anfang. Menschen, Tiere und Pflanzen stellen sich darauf ein. Der moderne Mensch in seiner durch künstliche Beleuchtungen bestimmten Umwelt ist von der zunehmenden Dunkelheit nicht wirklich betroffen, obwohl die Eine oder der Andere gefühlsmäßig auf die astronomisch bedingten Veränderungen reagiert.
Der Herbst wird oft mit dem Herbst des Lebens in Beziehung gebracht, wie es beispielsweise in dem folgenden Gedicht von Emanuel Geibel (1815 – 1884) anklingt:

O wär’ es bloß der Wange Pracht,
Die mit den Jahren flieht!
Doch das ist’s, was mich traurig macht,
Dass auch das Herz verblüht;

Dass, wie der Jugend Ruf verhallt
Und wie der Blick sich trübt,
Die Brust, die einst so heiß gewallt,
Vergisst, wie sie geliebt.

Ob von der Lippe dann auch kühn
Sich Witz und Scherz ergießt,
’s ist nur ein heuchlerisches Grün,
Das über Gräbern sprießt.

Die Nacht kommt, mit der Nacht der Schmerz
Der eitle Flimmer bricht;
Nach Tränen sehnt sich unser Herz
Und findet Tränen nicht.

Wir sind so arm, wir sind so müd’,
Warum, wir wissen’s kaum;
Wir fühlen nur, das Herz verblüht,
Und alles Glück ist Traum.

Es ist schon interessant, wie ein astronomisches Detail, eine Stelle der Erdbahn um die Sonne, zu derart tiefen Gefühlen Anlass geben kann. Offenbar ist das Astronomische nur ein Aspekt der Angelegenheit, der den meisten Menschen noch nicht einmal bewusst ist.

Teleskope sind Zeitmaschinen…

denn mit ihnen schaut man in die Vergangenheit des Universums.

Seit Galilei als einer der ersten mit einem Teleskop ins Weltall geblickt und dabei u. A. die Jupitermonde entdeckt hat, die er zunächst für Sterne hielt, hat sich die Technik immer weiter entwickelt. Heute „blickt“ man auf diese Weise sozusagen bis ans Ende der Welt. Das heißt aber auch, dass das was man sieht schon nicht mehr wahr ist, weil es bereits der Vergangenheit angehört. Denn das Licht braucht seine Zeit, um bis zu den Teleskopen zu gelangen. Zwar ist die Lichtgeschwindigkeit von 300000 km/s durch nichts zu toppen und wenn es dann trotzdem tausende von Jahren unterwegs ist, hat man vielleicht eine Vorstellung davon wie tief die Vergangenheit und wie groß unser Universum ist. Nein, man hat keine Vorstellung, denn das ist nicht vorstellbar, sondern nur darstellbar.
Diese Gedanken gehen mir durch den Kopf, wenn ich mit Mühen den Roque des los Muchachos (2425 m hoch) hochkraxele und die Sternwarten vor dem blauen Himmel in der Sonne glitzern sehe. Mehr als glitzern können sie am Tage nicht, sie haben die „Jalousie“ herungergelassen und warten auf die Nacht, denn: Der Tag des Astronomen ist die Nacht.

Sonnenwende und Sommeranfang

Von meinem Fenster aus beobachte ich bis jetzt am Abend immer (sofern der Himmel frei ist), dass die Sonne stets bei einem weiter nördlich (rechts) stehenden Pfahl untertaucht. Ab heute geht es wieder zurück: Kaum dass der Sommer begonnen hat, beginnt die Sonne auch schon damit, sich langsam wieder abzuWENDEn. Man spricht von der Sommersonnenwende. Die Tage werden wieder kürzer. Davon merken wir zunächst kaum etwas, weil es kaum merklich langsam beginnt. Aber die Richtung ist vorgegeben. Erst am 22. Dezember, zur Wintersonnenwende, wendet sich das Blatt erneut und die Tage werden wieder länger.

Merkwürdig mag auf den ersten Blick erscheinen, dass die höchsten Temperaturen des Jahres und damit das Wetter, dass typisch für den Sommer ist, normalerweise* erst in einigen Wochen auftreten. Aber Boden und Wasser werden weiterhin erwärmt, sodass die mittlere Temperatur weiterhin steigt, auch wenn die Tage kürzer werden und damit die Sonnenscheindauer und mittlere Sonnenhöhe abnehmen. Erst wenn man sich der Tag- und Nachtgleiche nähert, verkürzt sich die Tageslänge wesentlich schneller und auch die dadurch bedingte Abnahme der Erwärmung führt wieder zu einer Abkühlung von Boden und Wasser. Eine ähnliche Verzögerung des Temperaturänderung können wir auch am Tage beobachten. Am kältesten ist es am Morgen normalerweise erst etwa eine Stunde nach Sonnenaufgang. Und am wärmsten wird es nicht mittags, wenn die Sonne am höchsten steht, sondern erst später so gegen 15 bis 16 Uhr. Natürlich gelten diese Aussagen nur im Mittel, Ausnahmen beobachtet man immer mal wieder.

Die astronomische Ursache für die Sonnenwende ist darin zu sehen, dass die gedachte Achse, um die sich die Erde dreht, bei ihrer jährlichen Rundreise um die Sonne dieselbe Schiefstellung bezüglich der Ebene beibehält, in der sie sich bewegt. Man kann auch sagen, dass die Achse immer auf dieselbe Stelle des Sternenhimmels zeigt, in unserem Zeitalter ziemlich genau zum Polarstern. Das bedeutet, dass die Nordhalbkugel am Mittsommertag der Sonne maximal zugeneigt ist – im doppelten Wortsinn – und – wenn die Wolken es zulassen – durch das Sonnenlicht „verwöhnt“ wird. Sie erreicht die größte Mittagshöhe des Jahres und bleibt am längsten über dem Horizont. Aber – wie gesagt – jetzt werden die Tage wieder kürzer und die Mittagssonne verliert allmählich wieder an Höhe.

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* Ich habe wohlweißlich „normalerweise“ geschrieben. Denn im Moment ist es bei uns so heiß (über 30° C), dass man sich kaum noch wünschen kann, dass der Sommer mit noch höheren Temperaturen, überhaupt erst in Fahrt kommt.

Die Sonne klingt wie ein Gong

Die Sonne sieht manchmal nicht nur wie ein Gong aus, sie ist auch einer. Jedenfalls schwingt sie, auch wenn wir sie mit unseren Ohren nicht klingen hören. Denn sie Sonne ist ein materieller Körper und damit auch schwingungsfähig. Um diese Analogie zum akustischen Schwingen eines Gongs oder einer Glocke für unser Gehör erfahrbar zu machen, haben NASA-Wissenschaftler die Vibrationen der Sonne in hörbare Schallwellen übersetzt. Die verschiedenen physikalischen Ursachen für diese solaren „Töne“ sind äußerst komplex und haben unterschiedliche physikalische Ursachen. Daher sollte man dem Sonnenklang keine über die Hörbarmachung hinaus gehende Bedeutung beimessen. Selbst wenn es ein Ohr geben würde, das die Sonne klingen hören könnte, so würde der Klang nie bis an dieses Ohr vordringen, denn zwischen Ohr bzw. Erde und Sonne herrscht Ultrahochvakuum, das kein akustisches Signal transportieren könnte.

Man wird vielleicht an Goetes Prolog im Himmel seines „Faust. Der Tragödie erster Teil“ (1808), erinnert, wo es heißt:

Solare Wellen wie sie von NASA-Forschern in hörbare Schallwellen übersetzt wurden. © NASA/GSFC

Die Sonne tönt nach alter Weise
In Brudersphären Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit Donnergang.
Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,
Wenn keiner sie ergründen mag;
Die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.


Und schnell und unbegreiflich schnelle
Dreht sich umher der Erde Pracht;
Es wechselt Paradieseshelle
Mit tiefer, schauervoller Nacht;
Es schäumt das Meer in breiten Flüssen
Am tiefen Grund der Felsen auf,
Und Fels und Meer wird fortgerissen
In ewig schnellem Sphärenlauf.


Und Stürme brausen um die Wette,
Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer,
Und bilden wütend eine Kette
Der tiefsten Wirkung ringsumher.
Da flammt ein blitzendes Verheeren
Dem Pfade vor des Donnerschlags;
Doch deine Boten, Herr, verehren
Das sanfte Wandeln deines Tags.


Der Anblick gibt den Engeln Stärke,
Da keiner dich ergründen mag,
Und alle deine hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.

Goethes tönende Sonne ist allerdings nicht als geniale Vorwegnahme der modernen physikalischen Untersuchungen zur schwingenden Sonne anzusehen, sondern geht auf die altgriechische Vorstellung der Sphärenmusik zurück. Demnach ging man nach der von Pythagoras von Samos und seinen Anhängern vertretenen Idee davon aus, dass bei den Bewegungen der Himmelskörper und der sie tragenden durchsichtigen Kugeln (Sphären) Töne entstehen, die einen harmonischen Zusammenklang ergeben. Demzufolge würden der Physik der Sphären bzw. der Astronomie dieselben Gesetzmäßigkeiten zugrunde liegen wie der Musik (Sphärenmusik). Noch Johannes Kepler, einer der ersten neuzeitlichen Physiker, hat von diesen harmonischen Vorstellungen (erfolgreich) Gebrauch gemacht, auch wenn sie in den schließlich aufgestellten Gesetzen keine Rolle mehr gespielt haben.

Was wurde aus der Planetenkonjunktion

Der verschwundene Stern

Es stand ein Sternlein am Himmel,
Ein Sternlein guter Art;
Das tät so lieblich scheinen,
So lieblich und so zart!

Ich wußte seine Stelle
Am Himmel, wo es stand;
Trat abends vor die Schwelle,
Und suchte, bis ich’s fand.

Und blieb denn lange stehen,
Hatt‘ große Freud in mir,
Das Sternlein anzusehen;
Und dankte Gott dafür.

Das Sternlein ist verschwunden;
Ich suche hin und her
Wo ich es sonst gefunden,
Und find es nun nicht mehr.
*

An dieses Gedicht von Matthias Claudius wurde ich erinnert, als ich seit dem 4. März, also vor gut einer Woche, vor meinem Fenster erlebte wie sich Jupiter und Venus nahekamen. Danach wurde der Vorhang zugezogen. Der Rest trug sich also zumindest von meiner Warte aus im Verborgenen zu. Jedenfalls gab es von da an keinen Tag, an dem der Himmel frei war. Heute waren die Sternlein verschwunden oder wenn man ihren Charakter als Wandelsterne (Planeten) berücksichtigt, bereits wieder so weit voneinander entfernt, dass man sie kaum noch als Paar ansehen kann. Allenfalls nur deshalb, weil sie in diesem Augenblick die einzigen waren, die sich am Firmament (sic!) sehen ließen.
Soweit die allzu menschlichen Gedanken, die einem dazu einfallen können. In Wirklichkeit hatten sie sich weder genähert, noch gab es irgendeine Unsicherheit, was hinter der Wolkendecke seitdem passierte. In voller Erfüllung der Keplerschen Gesetze haben sie sich (weitgehend) deterministisch verhalten und für jeden Moment war ihre Position rein rechnerisch präsent. Das ist für manche Menschen beruhigend. Am vertrauten Himmel gibt es – zumindest aus der Perspektiv des menschlichen Erlebens – kaum Überraschungen.
Auch wenn ich aus astronomischer Sicht das Verschwinden von Sternen nur mit Planeten, also Wandelsternen, wie man sie damals auch nannte, in Verbindung zu bringen vermag, kamen mir jedoch Zweifel, ob Claudius wirklich an reale Sterne/Planeten gedacht hat. Denn meine Recherchen erbrachten, dass Clemens von Brentano und Achim von Arnim dieses Gedicht unter dem Namen „Christiane“ in „Des Knaben Wunderhorn“ aufgenommen hatten, um damit an Claudius‘ Tochter Christiane zu erinnern, die im Alter von 20 Jahren an Typhus starb. Das legt natürlich eine ganz andere Deutung nahe.

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* Matthias Claudius (1740 – 1815).

Planetenkonjunktion vor meinem Fenster

Mein Schreibtischfenster zeigt nach Westen. Da der Anblick von Feld und Wald geprägt ist, sehe ich zurzeit wenig Spektakuläres. Aber das ändert sich, weil sich vom Südwesten her der Sonnenuntergang anschickt, mit Riesenschritten in mein Gesichtsfeld einzutreten. Im Schlepptau der untergehenden Sonne befindet sich Venus, die der Sonne folgt und erst einige Zeit später untergeht, wenn es schon relativ dunkel ist. Seit mehreren Tagen nähert sich ihr ein zweiter heller Himmelkörper – Jupiter. Er scheint ihr immer mehr auf den Pelz zu rücken. Manch einer wird sich jetzt denken: Das kennt man doch vom Göttervater.
Zum Glück habe ich das Szenario ohne größere Vorkehrungen zu treffen vom Schreibtisch aus fotografiert. Ich muss wohl geahnt haben, dass es danach von hier aus nicht mehr zu sehen sein würde. In der Tat verschleiert seit gestern hochnebelartige Bewölkung den Blick.
Ob sich damit Venus und Jupiter bei der Vereinigung den Blicken der Öffentlichkeit entziehen wollen? Von einem realen Aufeinandertreffen kann indes nicht die Rede sein. Denn beide sind auf völlig unterschiedlichen Bahnen unterwegs, die himmelweit (hunderte Millionen Kilometer) voneinander entfernt sind. Sie kreuzen lediglich etwa alle zwei Jahre das von der Erde gegebene Blickfeld.
Wenn ich das nächste Mal wieder freien Blick auf die beiden habe, werde ich feststellen, dass sie sich bereits wieder getrennt haben und immer weiter voneinander entfernen bis dann nichts mehr an diese Konjunktion vulgo Begegnung erinnert. Aber für den 12. August 2025 ist das nächste Treffen anberaumt. Leider kann ich das dann nicht von meinem Fenster aus beobachten, denn die Begegnung findet am Morgenhimmel statt.

Der kürzeste Tag – Sonnenwende

Sonnenwende. Heißt das jetzt, dass von nun an die Sonne von unten durch die Ritzen strahlt (siehe Foto)? Und was hat die Wintersonnenwende, der kürzeste Tag, mit Schneewittchen et al. zu tun? Das verrät uns der folgende Text aus einem alten Buch einer volkstümlichen Himmelskunde. Ich zitiere eine kurze Passage, die in dem ansonsten naturwissenschaftlich geprägten Text auftaucht.

Nun will ich noch erzählen, wie unsre Vorfahren, den kürzesten Tag feierten. Sie nannten ihn Sonnenwendtag, weil sie meinten, die Sonne, die sich schon fast ganz abgewandt habe, wende sich ihnen nun wieder zu. Nun löschten sie alles Feuer und Licht im Hause vollends aus; es wurde ganz finster und kalt. Aber Wodan, ihr höchster Gott, wollte heute neues, wundertätiges Feuer bringen. Man mußte ihm nur dabei helfen.

Ein starker Eichenpfahl wurde in die Erde geschlagen, ein Loch hineingebohrt und in dies Loch die Asche eines neuen Rades eingelassen. Das Rad, Jul genannt, hatte neun Speichen, die mit trockenem Stroh umwickelt waren; an diesen wurden Stricke befestigt, und die schönsten Jünglinge und Jungfrauen drehten nun das Rad von Ost nach West, so wie die Sonne läuft, bis die Asche sich entzündete und das Stroh Feuer fing. Lauter Jubel begrüßte das Julfeuer; alle steckten ihre Fackeln an dem Rade in Brand, trugen die heilige Flamme in die Häuser und entzündeten dort auf dem Herde den Julkloben für das künftige Jahr. Denn ein ganzes Jahr brannte das Herdfeuer von diesem Brande; auch nachts glomm es unter der Asche fort. Die Asche des Julfeuers wurde auf die Felder gestreut und in die Krippen der Tiere; der Rauch durchzog die Obstbäume und Fischernetze; dann aller Fruchtbarkeit Anfang war das neue Sonnenfeuer. –

Auch den Märchen von Rotkäppchen, Sneewittchen, Dornröschen u. a. liegt der Gedanke zugrunde, daß mit dem kürzesten Tage die Erde dem Tode nahe ist. Es wird dunkel wie im Wolfsbauch; ein gläserner Sarg von Eis deckt alles Leben; die Rosen tragen Dornen und keine Blüte mehr. Aber die Erde ist nur scheinbar tot. Ein schmucker Jäger, ein strahlender Königsssohn erweckt sie wieder zu neuem Leben.

Da wacht die Erde grünend auf,
weiß nicht, wie ihr geschehen,
und lacht in den sonnigen Himmel hinauf
und möchte vor Lust vergehen.

Aus: Georg Eilers. Am Schattenstab. Eine volkstümliche Himmelkunde in geschichtlicher Anordnung. Braunschweig 1920

Wintersonnenwende 2021

Heute „erleben“ wir den kürzesten Tag und die längste Nacht des Jahres. Die Sonne geht bei uns um 8:01 Uhr auf und um 16:22 Uhr unter, es vergehen also nur acht Stunden und 21 Minuten. Anders gesagt, die Sonne macht (auf der Nordhalbkugel) ihren kleinsten Bogen und erreicht mittags die geringste Höhe. Danach geht es wieder aufwärts. Die Tage werden wieder länger. Davon merkt man jedoch zunächst noch nichts, denn es sind zunächst nur wenige Sekunden. Außerdem macht sich die Verlängerung des Tages, bzw. die Sonnenscheindauer, so sie nicht ohnehin hinter den Wolken verborgen bleibt, zunächst nur beim Sonnenuntergang bemerkbar. Denn die elliptische Bahn der Erde um die Sonne führt dazu, dass die Sonne bis Ende des Jahres sogar noch etwas später aufgeht.

Mit dieser Wintersonnenwende beginnt der (astronomische) Winter. Angesichts der zunehmenden Tageslänge mag das paradox klingen, es hat aber eine gewisse Berechtigung wie ich anlässlich der letzten Wintersonnenwende kurz beschrieben habe. Wie dem auch sei, trotz der Zunahme der Sonnenscheindauer, stehen uns die Phänomene, die wir mit Winter verbinden sicherlich/hoffentlich noch bevor.
Das Foto wurde gestern in der Mittagszeit gemacht und zeigt für mich in etwa, wo die Sonne an diesem Tag ihren höchsten Stand erreicht. Immerhin reicht die Helligkeit sich ihren Weg durch das Geäst „hindurchzubrennen„.

„Feurig geht der Vollmond um Mitternacht auf…“

Dürfen Schriftsteller und Poeten „lügen“, indem sie Situationen beschreiben, die es so nicht geben kann? Ich maße mir nicht an, dies beurteilen zu wollen. Das müssen die Poeten unter sich ausmachen. Arno Schmidt ( 1914 – 1979) ist einer unter ihnen, der seine Kollegen immer wieder tadelt, wenn sie seiner Meinung nach  in dieser Hinsicht Fehlverhalten zeigen. Dabei nimmt er ein Wort von Samuel Butler (1835 – 1902) zum Motto: „I don’t mind lying, but I hate inaccuracy!“. Diese Ungenauigkeit wirft Schmidt zum Beispiel einem seiner Lieblingsautoren vor: Weiterlesen

Wintersonnenwende und Große Konjunktion

Bis heute tauchte die Sonne Tag für Tag etwas tiefer ab und ließ die Tage kürzer werden. Ab heute geht es wieder bergauf. Die Sonnenscheindauer nimmt wieder zu, auch wenn das zunächst so langsam vonstatten geht, dass man gar nichts davon merken wird. Trotz der damit verbundenen Verheißung von kommender Helligkeit und Wärme ist diese Wintersonnenwende der (astronomische) Beginn des Winters. Das ist insofern berechtigt, als die Abkühlung mit einer gewissen Verzögerung eintritt. Daran ändert die Zunahme der Sonnenscheindauer zunächst nichts. Im Gegenteil, es kann noch ganz schön kalt werden.
Die Wintersonnenwende läutet außerdem die Weihnachtsfeierlichkeiten ein. In diesem Jahr sogar mit einer seltenen Planetenkonstellation: Die beiden größten Planeten unseres Sonnensystems, Jupiter und Saturn kommen sich sehr nahe. Jupiter zieht knapp, d.h. mit einem Abstand von 6 Bogenminuten am Saturn vorbei. Man spricht auch von der Großen Konjunktion.
Das Himmelsspektakel lässt sich am besten am frühen Abend am Südwest-Himmel beobachten, sofern sich nicht wieder einmal die Wolken als Spielverderber erweisen. Allerdings ist der Beobachtungszeitraum relativ klein, weil die Planeten bald danach in der Dunstschicht des Horizonts versinken. Natürlich kann man auch noch einige Tage später hinschauen, wenn sie sich langsam wieder voneinander entfernen. Weiterlesen

Kepler – Vom Kreis zur Ellipse

Johann Kepler

Gestern, als ich vom nächtlichen Lager den Stern mir in Osten
Lang betrachtete, den dort mit dem rötlichen Licht,
Und des Mannes gedachte, der seine Bahnen zu messen,
Von dem Gotte gereizt, himmlischer Pflicht sich ergab,
Durch beharrlichen Fleiß der Armut grimmigen Stachel
Zu versöhnen, umsonst, und zu verachten bemüht:
Mir entbrannte mein Herz von Wehmut bitter; ach! dacht ich,
Wußten die Himmlischen dir, Meister, kein besseres Los?
Wie ein Dichter den Helden sich wählt, wie Homer von Achilles‘
Göttlichem Adel gerührt, schön im Gesang ihn erhob,
Also wandtest du ganz nach jenem Gestirne die Kräfte,
Sein gewaltiger Gang war dir ein ewiges Lied.
Doch so bewegt sich kein Gott von seinem goldenen Sitze,
Holdem Gesange geneigt, den zu erretten, herab,
Dem die höhere Macht die dunkeln Tage bestimmt hat,
Und euch Sterne berührt nimmer ein Menschengeschick;
Ihr geht über dem Haupte des Weisen oder des Toren
Euren seligen Weg ewig gelassen dahin!*

Eduard Mörike (1804 – 1875) setzt in diesem Gedicht der damaligen Zeit entsprechend den Arbeiten Johannes Keplers (1571 – 1630) zur quantitativen Beschreibung der Marsbahn ein Denkmal. Denn diese waren ein wesentliches Element für die Aufstellung der berühmten Planetengesetze und damit ein Meilenstein für die Entwicklung der neuzeitlichen Physik. Sie bildeten eine wesentliche Grundlage für die Graviationstheorie, die in der klassischen Physik eine zentrale Rolle spielen. Der Planet Mars wird hier nur indirekt durch sein Erkennungsmerkmal des rötlichen Lichts angsprochen, durch den er auch für Laien am nächtlichen Himmel leicht zu erkennen ist. Da Mars ebenso wie die anderen Planeten das (weiße) Licht von der Sonne erhält, muss die rötliche Farbe von seiner Oberfläche herrühren. Dafür ist vor allem Eisenoxid verantwortlich, sodass man mit einigem Recht sagen kann, dass der Mars verrostet ist. Die aktuellen Marsmissionen bringen uns den Nachbarplaneten zunehmend näher.

 


* Eduard Mörike: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1967, S. 726-727

Sommersonnenwende 2020

Sonnenwende_2013-06-02 05.23.45Sonnenwende
Nun die Sonne soll voll enden
Ihre längste, schönste Bahn,
Wie sie zögert, sich zu wenden
Nach dem stillen Ozean!
Ihrer Göttin Jugendneige
Fühlt die ahnende Natur
Und mir dünkt, bedeutsam schweige
Rings die abendliche Flur.

Nur die Wachtel, die sonst immer
Frühe schmälend weckt den Tag,
Schlägt dem überwachten Schimmer
Jetzt noch einen Weckeschlag;
Und die Lerche steigt im Singen
Hochauf aus dem duft’gen Tal,
Einen Blick noch zu erschwingen
In den schon versunknen Strahl.*


* Ludwig Uhland (1787 – 1862)

Früher Frühling

Der Knospen Frühling war annoch:
Man sah fast sichtbarlich, wie bey dem lauen Wetter,
Das grüne heer der jungen Blätter
Aus ihren röthlichen Behältern kroch.
Sie hingen erst annoch verwickelt unter sich;
Entwickelten sich aber nach und nach,
Und fingen allgemach,
An allen Seiten,
Sich auszudehnen, auszubreiten,
Sich auszuspannen an, und sanft sich zu erhöhn.
Der allerdünnste Tafft, ist nicht so sanft, so schön,
So klar, so glatt, so gläntzend, zart und fein,
Als neu-gebohrne Blätter seyn.
Die Aederchen sind selbst durchsichtig, und noch vielmehr
Das noch viel zärtere Gespinnst. Das Sonnen-Licht,
So ungehemmt fast, durch sie bricht,
Und durch ihr zart Gewebe strahlet;
Wird, echt als fiel es durch ein grünes Glas,
Auch grün bemahlet.
Hiedurch entstehen klare Schatte,
Die Wald und Garten, Lufft und Matten
Fast unaussprechlich lieblich füllen,
Sie zeigen manchen Schmuck, auch wann sie ihn verhüllen.*

Das obige Foto ist am 9. April 2013, das untere am 9. März 2020 aufgenommen worden. Beide Huflattischpflanzen haben etwa denselben Entwicklungsstand, die diesjährige ist also der von 2013 einen Monat voraus. Insofern kann man ganz im Sinne des Barockdichters Barthold Hinrich Brockes (1680 – 1747) von einem frühen Frühling sprechen, der heute mit der Tag-und-Nachtgleiche (Primär-Äquinoktium auf der Nordhalbkugel) beginnt. Geozentrisch gesehen ist die Sonne schon wieder auf dem halben Rückweg nach Norden – sie überquert heute um 4:49 Uhr MEZ den Äquator.


Aus: Brockes, Barthold, Hinrich. Im grünen Feuer glüht das Laub. Weimar 1975, S. 68

Wintersonnenwende – es geht wieder aufwärts

Zum Schluss hat man kaum noch etwas davon gemerkt, dass die Tage kürzer und die Nächte länger wurden, weil man sich der flachen „Talsohle“ näherte. Heute ist sie erreicht. Die Sonne hat auf der Nordhalbkugel die kleinste Mittagshöhe und im Verlauf des Tages die kürzeste Anwesenheit über dem Horizont erreicht. Leider verbirgt sie momentan hinter den Wolken.  Von nun an steigt sie wieder von Tag zu Tag an, und die Tage werden wieder länger. Aber der Zuwachs ist zunächst ebenfalls sehr langsam. Weiterlesen

Wie sieht der Himmel des Mondes aus?

Ein vertrauter Blick auf den Mond vor dem Hintergrund des dunkler werdenden Abendhimmels. Habt ihr euch schon mal vorgestellt, wie es umgekehrt aussehen würde? Wie sieht der Himmel des Mondes aus?
Von der Erde aus sieht man den Himmel durch die Atmosphäre hindurch, die zu zahlreichen optischen Phänomenen (z.B. Dämmerung, Farbwechsel, Lichtsläule, Nebensonne, Wolken, funkelnde Sterne u.ä.) führt, die es auf dem Mond nicht gibt, da er über keine Atmosphäre verfügt. Auf der Erde kommt wegen Streuungen des Sonnenlichts an Teilchen in der Atmosphäre aus allen Himmelsrichtungen Licht: der Himmel erscheint hell, indirekt beleuchtet im vertrauten Himmelsblau. Weiterlesen

Die Wissenschaft freilaufender Hühner

Wissenschaft ist eine ernsthafte Angelegenheit. Das hat sich bis zu den Hühnern herumgesprochen, die seitdem ihre eigene Forschung betreiben. Das gilt insbesondere für die Astronomie: Weiterlesen

Die Sonne und der volle Mond

sonne_mond_p1000659rv… in trauter Nähe Zweisamkeit, so möchte man hinzufügen, wenn man die beiden wie auf dem Foto so nebeneinander sieht. Ich möchte gleich hinzufügen, dass das Foto nicht manipuliert ist. Es fragt sich also, wie das abgebildete Phänomen zustand gekommen ist. Weiterlesen

Der Silberblick des Mondes und die Zentralperspektive

Panoramaaufnahme Mond – Sonne, bei der die Drehachse senkrecht auf der Ebene Mond-Sonne_Kamera stand (Foto: Udo Backhaus)

Backhaus, Udo; Schlichting, H. Joachim. In: MNU Journal 4 (2017) S. 221 – 226

Auch wenn aus optischen Gründen klar ist, dass die beleuchtete Mondseite direkt der Sonne zugewandt ist, gibt es Situationen, in denen es einem Beobachter so scheint, als „schiele“ der Mond an der Sonne vorbei.
Es werden die geometrischen und physikalischen Hintergründe dieses Phänomens beschrieben, das vor einiger Zeit wieder kontrovers diskutiert worden ist. Außerdem werden die Bedingungen genannt, unter denen es wahrzunehmen ist, und Verbindungen zu anderen optischen Phänomenen aus Lebenswelt und Astronomie aufgezeigt. Dabei ergeben sich Vorschläge für Beobachtungen und Foto- bzw. Filmaufnahmen.

Siehe auch: Schielt der Mond?

Äquinoktium: Tag- und Nachtgleiche

equinoctium_dsc04218-jpg_rvÄquinoktium

Allgewaltig aus Nordosten
Braust der Märzwind über Land,
Und es bebt in ihren Pfosten
Meines Hauses Giebelwand. Weiterlesen

Wo kein deutliches Bild ist, ist keine Vorstellung – (Lichtenberg 1)

undeutlich_dsc00409_rvWas würde aus unserm Verstand werden,
wenn alle Gegenstände das würklich wären
wofür wir sie halten?

Georg Christoph Lichtenberg Weiterlesen

Die Ringe des Saturn im Kalksandstein

Saturnringe_rvDaß am Himmel ein Körper rotiert, der so grundverschieden von allen anderen ist, eine Gestalt, die größtmögliche Eigentümlichkeit durch größtmögliche Schlichtheit und Gleichmößigkeit und Harmonie erreicht, ist ein Umstand, der das Leben und Denken erfreut…
(und) es zu schön ist, um wahr zu sein, zu willkommen in meinem imaginären Universum, um zur realen Welt zu gehören. Aber vielleicht ist es gerade dieses Mißtrauen gegenüber unseren Sinnen, das uns hindert, uns im Universum wohlzufühlen. Vielleicht ist die erste Regel, die ich mir setzen muß, diese: Halte dich an das, was du siehst.
Italo Calvino (1923 – 1985): Herr Palomar

Dies ist kein Blick in den Ideenhimmel Platos und kein Blick durch ein Fernrohr. Aber wer die Ringe des Saturn kennt, wird durch diese Struktur in einer Kalksandsteinplatte möglicherweise wie ich an sie erinnert. Dank der Möglichkeiten, die uns die optische Linse bietet, holen wir uns heute bei unbekannten Mustern zuweilen die Assoziationen aus Bereichen, die uns natürlicherweise gar nicht zugänglich sind.

Übrigens wurde diese Aufnahme an einer mit natürlichen Kalksteinplatten ausgestatteten Fassade eines Gebäudes mitten in London gemacht. Doch wer sieht in der Hektik des Alltags schon derartige Preziosen.

Pop! Warum Popcorn knallt und 37 weitere überraschende physikalische Alltagsrätsel

Schlichting, H. Joachim. Spektrum der Wissenschaft Spezial 3 (2016), 82 Seiten

Der Alltag wartet mit einigen Überraschungen auf, wenn man bereit ist, seine Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen. Oft sind es gerade die unscheinbaren Dinge, an die wir uns gewöhnt haben, die unversehens zu einer neuen Wirklichkeit werden. Wie schafft es beispielsweise das Wasser bis in die Baumspitzen? Warum springt Popcorn wild in der Pfanne herum?

Was verursacht die schillernden Farben, die wir manchmal beim Blick auf helle Lichtquellen sehen? Die hier versammelten Phänomene sind so verschieden und facettenreich wie der Alltag in der technischen und natürlichen Welt. Das Geheimnisvolle offenbart sich nicht selten im Trivialen, und das Erhabene liegt oft dicht neben dem Banalen. Der Physikdidaktiker H. Joachim Schlichting enthüllt, was sich hinter alltäglichen Phänomenen verbirgt. Die hier versammelten Beiträge stammen aus der Rubrik „Schlichting!“ in der Reihe „Spektrum der Wissenschaft“.

Weitere Informationen findet man hier.

Die Galvano-Magnetic-Clock in Greenwich

Galvano_Magnetic_Clock_GreenwichDiese Uhr findet man an einer Mauer des Greenwich-Observatory. Sie ist nicht nur schön anzusehen, sondern hat eine ruhmreiche Vergangenheit. Sie wurde von Charles Shepherd (1829 – 1905) gebaut und 1852 installiert. Es ist eine Uhr mit elektrischem Motor („electric-motor-clock“), was für die damalige Zeit eine Sensation war.
Die Idee zum Bau einer solchen Uhr kam vom königlichen Astronomen George Airy (1801 – 1892). Mit dem Aufkommen und der rapiden Ausbreitung der Eisenbahn sah er die Notwendigkeit, eine Standard Uhrzeit nicht nur für England, sondern letztlich für die ganze Welt festzulegen. Die Uhr ist in Greenwich am richtigen Platz, denn an diesem Ort wurde auch das Gradnetz der Erde „fixiert“. Der Nullte Längengrad läuft durch Greenwich. Es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, dass dieser Chronometer das Konzept der koordinierten Weltzeit auf den Weg gebracht hat, das wir heute für selbstverständlich hinnehmen und ohne die das moderne Leben nicht möglich wäre.

Wintersonnenwende – es geht wieder aufwärts

Der-Wald-steht-still-und-scZum Schluss hat man kaum noch etwas davon gemerkt, dass die Tage kürzer und die Nächte länger wurden, weil man sich der flachen „Talsohle“ näherte. Heute ist sie erreicht. Die Sonne hat auf der Nordhalbkugel die kleinste Mittagshöhe und im Verlauf des Tages die kürzeste Anwesenheit über dem Horizont erreicht. Ab morgen steigt sie wieder von Tag zu Tag an, und die Tage werden wieder länger. Aber der Zuwachs ist zunächst ebenfalls sehr langsam. Obwohl heute der kürzeste Tag ist, hatten wir den frühesten Sonnenuntergang bereits vor einigen Tagen und der späteste Sonnenaufgang wird erst in einigen Tage erreicht sein. Weiterlesen

Im Jahr des Lichts (22) – Galaxia MS 33

Galaxie-MS-33Dieses Kunstwerk habe ich in einem kleinen Skulpturenpark auf der Insel La Palma oberhalb von Los Cancajos entdeckt. Es wurde dort im Rahmen des Internationalen Jahrs des Lichts installiert und stellt unter dem Namen Galaxia MS 33 eine Galaxie mit einem schwarzen Loch im Zentrum dar, das hier allerdings durch eine weiße Kugel repräsentiert wird. Die Künstlerin Marylyn Martín Pérez zufolge „spuckt“ die Galaxie „Material und Energie ins Universum“. Weiterlesen

Im Jahr des Lichts (11) – Sommersonnenwende

SommersolstizeEs ist schon frustrierend, wenn man an einem so wichtigen Tag wie dem gestrigen die Sonne kaum zu Gesicht bekommt, jedenfalls dort wo ich wohne. Schließlich trat sie dann doch noch für kurze Zeit in Erscheinung (Foto). Gestern hat nämlich astronomisch gesehen der Sommer begonnen, was wie diese Tage zeigen vom unmittelbaren Erlebnis her nicht viel zu besagen hat. Weiterlesen

Ein Blick auf die Sterne…

Ursa Minor rvMatthias Claudius (1740 – 1815) ist vor 200 Jahren gestorben. Er hat uns viele Verse hinterlassen, die eine Beziehung des Menschen zur Natur zum Gegenstand haben. Die durch das Schauen und Betrachten der Natur ausgelösten Gedanken und Gefühle stellen ein ergänzendes Moment zur rein naturwissenschaftlichen Beschreibung dar und machen das Naturerlebnis und die Naturerfahrung erst vollständig. Weiterlesen

Im Jahr des Lichts (4) – vernebelte Sonnenfinsternis

Sonnenfinsternis-1999rv

Alles schien perfekt zu laufen, die Sonne schien vor blauem Himmel und es schien ausgeschlossen, dass sich daran in den nächsten Stunden noch etwas ändern würde. „Schien“ heißt aber nicht „scheint“. Kurz nach 9:00 Uhr zog nämlich langsam Hochnebel auf. Die Sonne sah jetzt aus wie ein Mond aus, und zu Beginn der erwarteten Sonnenfinsternis war nichts mehr vom Hauptdarsteller zu sehen. Normalerweise geht es umgekehrt. Der Tag beginnt mit Hochnebel, der dann allmählich verschwindet. Die Enttäuschung war natürlich groß. Zum Trost habe ich mir die Fotos der Sonnenfinsternis vom 11.8.1999 angeschaut. Um die momentane Stimmung in etwa zu treffen, zeige ich wie es im Schatten unter dem Nussbaum aussah: Die üblicherweise kreisrunden Sonnentaler hatten die aktuelle Form der zum großen Teil vom Mond abgedeckten Sonne angenommen.

Welten im Spiegel – Spiegelwelten

HohlspiegelWer auf La Palma zum Roque de los Muchachos hochfährt/-wandert, kommt in dieser von aller Welt verlassenen und scheinbar der Natur überlassenen Gegend an einigen High-Tech-Anlagen vorbei, die zum Observatorio del Roque de los Muchachos des European Northern Observatory gehören. Hier gehen weitgehend unberührte Natur und modernste Technik eine eigentümliche Verbindung ein. Die relativ große Höhe meist über den Wolken und die reine Atmosphäre sorgen hier für besonders sternklare Nächte und bieten damit sehr günstige Voraussetzungen für die astronomische Forschung.
Rein äußerlich ist den Anlagen nicht viel davon anzumerken. Man erkennt aber an einigen Teleskopen, wie dem hier abgebildeten, dass es sich um Hohlspiegel handelt, die aus zahlreichen Spiegelelementen bestehen. Während er nachts Signale aus fernen Welten einfängt, zeigt er am Tage das, was vor seinen Füßen liegt und zwar auf dem Kopf stehend. Andernfalls würde er als Hohlspiegel kaum auffallen, denn ein perfekter Spiegel ist farblos und nimmt die Farben der Umgebung an. Erst dadurch, dass der Ausschnitt aus dem hellen Himmel unten und der aus der wesentlich dunkleren Erde oben erscheint, wird er als solcher erkennbar.

Einen ähnlichen Hohlspiegel, nur viel kleiner kennt man als Schminkspiegel aus dem Badezimmer. Warum der aber keine kopfstehenden Bilder liefert, kann man hier nachlesen.

Der Mond als Erde – die Erde als Mond

Galileis-MondSo wie in dem Foto sehen wir den Mond nur durch ein Fernrohr oder eine Kamera mit genügend großem Zoom. Als Galileo Galilei (1564 – 1642) zu Beginn des 17. Jahrhunderts durch sein Fernrohr den Mond mit dieser strukturierten Oberfläche erblickte, sah er mehr als den vertrauten Gefährten der Nacht, er sah gleichzeitig darin die Erde als Himmelskörper, eine für damalige Verhältnisse revolutionäre Ansicht. Denn der Mond in dieser Strukturierung erinnerte ihn an die Erdoberfläche, und – so sein Gedanke – wenn der Mond wie die Erde ist, dann ist die Erde wie der der Mond. Für ihn war das ein weiterer Beweis für das heliozentrische Weltbild. „Galilei ist ein Mann von einer vertrackt reflektierten Optik. Er richtet das Fernrohr auf den Mond, und was er sieht, ist die Erde als Stern im Weltall“ (Hans Blumenberg).

Mit dem „bewaffneten“ Blick Galileis etablierte sich nicht nur ein neues Weltbild, sondern eine Verbindung von Naturwissenschaft und Technik: „Mit dem Fernrohr erzwang die Technik von der Theorie einen Wandel ihrer Vergegenständlichung. In seinem Ertrag bestätigte das technische Gerät seine vorher gar nicht zu begründende Notwendigkeit und verstärkte zugleich damit den Verdacht, daß der Mensch immer weiterer Technisierung bedürftig sein könnte“.Damit war aber klar, dass nicht nur „die Einsicht in das Naturgesetz (die Technik) ermöglicht, sondern die Berufung auf das Naturgesetz (…) ihre Resultate“ legitimiert (Hans Blumenberg).

Äquinoktium: Heute sind Tag und Nacht gleich lang

EqinoxHeute, am 23. September, ist Tagundnachtgleiche, das Äquinoktium. Tag und Nacht haben dieselbe Länge. Ab jetzt werden die Tage wieder kürzer als die Nächte. Die dunkle Zeit beginnt und hat ihren Höhepunkt am 21. Dezember, mit der längsten Nacht und dem kürzesten Tag. Das beeindruckt und betrifft die modernen Menschen, die weitgehend auf künstlichen Ersatz für das fehlende Licht zurückgreifen können, weitaus weniger als es in früheren Zeiten der Fall war.
Obwohl wir uns schon seit dem 1. September meteorologisch im Herbst dieses Jahres befinden, beginnt heute aus Sicht der Astronomie der Herbst. Die Sonne überquert um 4:29 Uhr den Äquator von Norden nach Süden und läutet auf der Südhalbkugel den Frühling ein, auf den wir ab heute ein halbes Jahr warten müssen, bis die Länge des lichten Tages wieder die Länge der Nacht überholt.
Und noch etwas ist zur Tagundnachtgleiche einzigartig: überall auf der Erde geht die Sonne fast genau im Osten auf und im Westen unter. Im übrigen Jahr gilt das nur mehr oder weniger ungefähr.

Das ist es wieder einmal, das Herbstgefühl. Es steigt auf von der Kinder- und Schulzeit her, unvergessen. Der ziehende Abschiedsschmerz vom Sommer, wenn die großen Ferien zu Ende waren und das neue Schuljahr begann. Es ist wie ein tierhaftes Erbe aus Urzeiten her, dieses Gefühl; es drängt zum Unterschlupfsuchen, zum Verkriechen im Bau (Erhard Kästner).

Eratosthenes meets Arno Schmidt

Eratosthenes-Wüste2Wenn man über die astronomischen Errungenschaften der Antike liest, werden oft Dinge als selbstverständlich angenommen, die es in der damaligen Zeit nicht waren. So hat Eratosthenes den Erdumfang dadurch bestimmt, dass er in Alexandria zu dem Zeitpunkt, da die Sonne in Syene, dem heutigen Assuan, in einem Brunnen zu sehen war, also im Zenit stand, den Schatten eines Schattenstabs mit 7,2° bestimmte. Das ist der 50. Teil des Erdumfangs. Unter der Voraussetzung, dass beide Städte auf demselben Längengrad liegen – was nicht ganz zutrifft (3° Unterschied) – lässt sich daraus der Erdumfang bestimmen, wenn man nur den Abstand zwischen Alexandria und Syene hätte. Eratosthenes soll die Entfernung von Schrittzählern bestimmt haben lassen, so liest man oft ganz lapidar. Was das aber im Einzelnen bedeutet, darüber hat sich Arno Schmidt in seiner Erzählung „Enthymesis oder W.I.E.H.“ hineinzudenken versucht: Weiterlesen

Der Mond übertreibt

Luna-cornuta-1Wenn man den jungen Mond betrachtet und auch noch das Glück hat, das aschfahle Licht zu sehen, hat man oft den Eindruck, dass die schmale Sichel, also der direkt von der Sonne beschienene Teil des Monds mit sehr grobem Strich gezeichnet ist und über den Rand eines runden Gebildes hinwegreicht. Dieser Eindruck ist eine optische Täuschung, der nicht nur unser visuelles Wahrnehmungssystem, sondern auch die fotografische Technik erliegt.
Normalerweise werden die gesehenen Gegenstände den Gesetzen der geometrischen Optik entsprechend auf der Netzhaut des Auges farb- und helligkeitsgetreu abgebildet. Bei sehr hellen Objekten werden die Rezeptoren aber gegebenenfalls über die Sättigung hinaus angesprochen und dadurch so stark erregt, dass auch noch einige der benachbarten Rezeptoren reagieren. Dadurch entsteht der Eindruck, dass es auch dort noch hell ist, obwohl es „in Wirklichkeit“ nicht der Fall ist. Dieser physiologische Effekt wird auch als Überstrahlung oder Irradiation (Hermann von Helmholtz) bezeichnet. Weiterlesen

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