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Physik im Alltag und Naturphänomene, Physik und Kultur

Was wurde aus der Planetenkonjunktion

Der verschwundene Stern

Es stand ein Sternlein am Himmel,
Ein Sternlein guter Art;
Das tät so lieblich scheinen,
So lieblich und so zart!

Ich wußte seine Stelle
Am Himmel, wo es stand;
Trat abends vor die Schwelle,
Und suchte, bis ich’s fand.

Und blieb denn lange stehen,
Hatt‘ große Freud in mir,
Das Sternlein anzusehen;
Und dankte Gott dafür.

Das Sternlein ist verschwunden;
Ich suche hin und her
Wo ich es sonst gefunden,
Und find es nun nicht mehr.
*

An dieses Gedicht von Matthias Claudius wurde ich erinnert, als ich seit dem 4. März, also vor gut einer Woche, vor meinem Fenster erlebte wie sich Jupiter und Venus nahekamen. Danach wurde der Vorhang zugezogen. Der Rest trug sich also zumindest von meiner Warte aus im Verborgenen zu. Jedenfalls gab es von da an keinen Tag, an dem der Himmel frei war. Heute waren die Sternlein verschwunden oder wenn man ihren Charakter als Wandelsterne (Planeten) berücksichtigt, bereits wieder so weit voneinander entfernt, dass man sie kaum noch als Paar ansehen kann. Allenfalls nur deshalb, weil sie in diesem Augenblick die einzigen waren, die sich am Firmament (sic!) sehen ließen.
Soweit die allzu menschlichen Gedanken, die einem dazu einfallen können. In Wirklichkeit hatten sie sich weder genähert, noch gab es irgendeine Unsicherheit, was hinter der Wolkendecke seitdem passierte. In voller Erfüllung der Keplerschen Gesetze haben sie sich (weitgehend) deterministisch verhalten und für jeden Moment war ihre Position rein rechnerisch präsent. Das ist für manche Menschen beruhigend. Am vertrauten Himmel gibt es – zumindest aus der Perspektiv des menschlichen Erlebens – kaum Überraschungen.
Auch wenn ich aus astronomischer Sicht das Verschwinden von Sternen nur mit Planeten, also Wandelsternen, wie man sie damals auch nannte, in Verbindung zu bringen vermag, kamen mir jedoch Zweifel, ob Claudius wirklich an reale Sterne/Planeten gedacht hat. Denn meine Recherchen erbrachten, dass Clemens von Brentano und Achim von Arnim dieses Gedicht unter dem Namen „Christiane“ in „Des Knaben Wunderhorn“ aufgenommen hatten, um damit an Claudius‘ Tochter Christiane zu erinnern, die im Alter von 20 Jahren an Typhus starb. Das legt natürlich eine ganz andere Deutung nahe.

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* Matthias Claudius (1740 – 1815).

Diskussionen

8 Gedanken zu “Was wurde aus der Planetenkonjunktion

  1. Ein für mich zunächst etwas befremdendes
    Gedicht.
    Der Fixstern des Gefühls existiert nicht mehr. Der tiefe Schmerz ist kaum spürbar.

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    Verfasst von kopfundgestalt | 13. März 2023, 00:32
  2. Wie weit die Gedanken Auseinanderdriften: Hier die Keplerschen Gesetze und die Gewissheit, dass sich alle Planeten an ihrem gehörigen Platz befinden, dort der unbegreifliche Tod eines geliebten Kindes.

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    Verfasst von gkazakou | 13. März 2023, 08:57
  3. Ja, so wird es gewesen sein: Mathias Claudius widmete sein Gedicht über den verschwundenen Stern seiner verstorbenen Tochter Christiane.

    Like

    Verfasst von Gisela Benseler | 13. März 2023, 09:10

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