Kaum hatte ich den Holunderstamm abgesägt, fühlte ich mich plötzlich fixiert. Man kann nicht gerade sagen, dass der Blick strafend ist, aber er zeugt auch nicht von großer Freude. Immerhin bin ich durch meine Sägeaktion einem Geheimnis auf die Spur gekommen, das ansonsten wohl für immer verborgen geblieben wäre. Ich habe diesen Blick gewissermaßen aus den unsichtbaren Tiefen des Holzes befreit.
Abgesehen von dieser vordergründigen Betrachtung zeigt der Querschnitt sehr schön, dass hier drei Stämme zusammengewachsen bzw. fast zusammengewachsen sind. Wie das organisiert wird ist für mich eine faszinierende Frage.
Das Gesicht sehe ich auch, mit einem Mund, der ein grosses Oh! formt.
Ich glaube, diese Art des Zusammenwachsens von ursprünglich nah beieinanderstehenden, einzelnen Ästen gehört in den Vereich der sogenannten „Überwallungen“, mit denen Bäume Wundstellen, also Scheuerstellen an Zäunen und anderen Fremdkörpern, aber auch benachbarten Bäumen und auch sich selbst überwinden, indem sie diese Stellen überwachsen.
Im 19. Jh. und zu Beginn des 20. hat man diese Eigenheit auf die Spitze getrieben und hat mit dieser Fähigkeit die sogenannte Baubotanik bzw. Lebendarchitektur entwickelt, vom lebenden Sitzmöbel bis zu weit umfangreicheren lebenden Plastiken.
Hier ist ein Link mit Erläuterungen und Bildern speziell dazu:
Klicke, um auf 1247816339.pdf zuzugreifen
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Vielen Dank für den Hinweis. Seit Jahren sammle ich Fotos von zusammengewachsenen Ästen und Bäumen und stelle fest, dass besonders Buchen dafür prädestiniert sind. Vom Veredeln von Bäumen kennt man das ja auch. Ich kannte jemanden, der von einem Apfelbaum sechs verschiedene Sorten erntete. Immer wenn er irgendwo einen interessanten Apfelbaum entdeckte, nahm einen Zweig mit, den er dann zu Hause seinen Bäumen aufpfropfte. Heute ist das weniger bekannt. In unserer Gegend kümmert sich kaum einer um die Äpfel, die zur Zeit von den Bäumen fallen – außer einige Vögel.
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Auch Hainbuchen und Ulmen sah ich oft schon Zaundraht umschliessen und in der Nähe sind die Stämme von zwei Espen weiter oben zusammengewachsen, aber anscheinend auch erst spät, denn sie bilden nach einer kleinen Gemeinsamkeit wieder separate Stämme und Kronen.
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Manchmal gibt es ganz skurrile Verwachsungen und man fragt sich, wodurch wurde das gesteuert…
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Vielleicht hat der Gegenstand nicht überdauert oder wurde vollständig vereinnahmt.
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Der schöne, gesunde Holunder
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Er wurde schon viele Male gekappt und kam immer wieder. Es wird sicher auch nach diesem – zugegeben drastischen Fall – so sein.
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Faszinierend
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Oft sind es Zufallsfunde, die es uns antun. Vermutlich wird der Eindruck noch verstärkt durch das Wissen um die Zufälligkeit des Vorfindens.
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Wer weiß, ob nicht in jedem Baum verborgen ein Wesen wartet, dass uns missbilligend betrachtet.
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… und manchmal (wie im vorliegenden Beispiel) bei der missbilligenden Betrachtung überrascht wird.
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Grund genug zur Missbilligung hat er ja. Abgesägt!
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Stimmt. Aber wer wurde nicht alles in seinem Leben abgesägt und ist dann doch wieder groß herausgekommen. 😉
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Mit dem Trost wird sich die Stumpf-Miene sofort aufgeheitert haben 🙃.
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Kann ich schwer einschätzen, es hapert sowohl mit der verbalen wie mit der nonverbalen Kommunikation 🙂
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Wie so etwas organisiert wird, was für eine ungeheuer spanndende Frage…
Gruß von Sonja
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Genau. Ich frage mich immer wieder, was entspricht bei Pflanzen dem, was bei Tieren durch das Nervensystem u. Ä. geregelt wird. Gruß, Joachim.
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Etwas im „Gen-Programm“ dieser Pflanze muß ja ein evtl. Zusammenwachsen vorsehen/zulassen, sodaß alle Vorgänge bis zum erfolgten Zusammenschluß stimmig ineinanderübergehen.
Da sieht man mal wieder, wo überall „Intelligenz“ , also Komplexität, anzutreffen ist.
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Im Genprogramm können aber nicht alle Möglichkeiten „vorhergesehen“ werden. Der Baum muss also in der konkreten Situation „entscheiden“. Oft zeigt sich sogar, dass ein Zusammenwachsen die Stabilität z.B. von zwei Bäumen gegenüber Windlast erhöht. Es wird also eine Art Fachwerk gebildet. Wie wird das kommuniziert? Wie werden die Wachstumsprozesse dem angepasst. Ich denke, dass bei diesen Fragen die Wissenschaftler vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie bei der Hirnforschung.
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Ja, Joachim, ich meinte nicht ein vollständig vorliegendes Programm, deswegen in Anführungszeichen gesetzt. Entscheiden kann ja der Baum in einer konkreten Situation, was er tut, wenn er einen Werkzeugkasten hat. Das in etwa meinte ich.
Unlängst bei mpg gelesen, daß der Mensch so etwa 50 – 60 Kriterien hat, mittels der er einen visuellen Input zu einem Interpretation /Bild formt. Der Baum „erkennt“ anhand gewisser Ktriterien das Problem und hat offenbar Handlungsspielraum, um dieses anzugehen.
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Ich frage mich nur, wie das alles innerhalb des Baumes kommuniziert wird. Wo ist die Entscheidungsinstanz? Bei Tieren weiß man, das Gehirn und Nervensystem entscheidend sind…
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Ich vermute, es gibt keine zentrale Entscheidungsinstanz.
Manches weiß man ja schon.
Jedenfalls, vor 70 Jahren hat man über solche Forschung nur gelacht.
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Eine zentrale Entscheidungsinstanz gibt es wohl nicht, aber etwas dezentrales, das im Sinne der Erhaltung des Organismus fungiert halte ich schon für denkbar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alles nur eine Mechanismus sein sollte…
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Ja, dezentrale Entscheidungsträger, gewiss. 🙂
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🙂
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