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Salz

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Wie Waben in der Wüste wachsen

Verwinkelte Grate: Schmale Wülste aus Salz teilen die Salzebene des Salar de Uyuni in Bolivien in regelmäßig anmutende Parzellen auf.

H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaften (2023)

Aus Vor- und Rückwärts bildet sich der Kreislauf.
Franz Grillparzer

An der Oberfläche von ausgetrockneten Seen bilden sich polygonförmige Strukturen. Sie sind das Ergebnis von Konvektionsvorgängen, die von der Sonne angetrieben werden und Salz auf organisierte Weise ausfällen.

Wüsten sind als raue Schönheiten bei Touristen beliebt, gelten aber zu Unrecht als tote Landschaften. Tatsächlich sind sie ständig im Fluss, wenn auch manchmal auf subtile Art. In den weltweit vorkommenden Salzwüsten beispielsweise wachsen erstaunliche Wabenmuster am Boden. Deren Zustandekommen hat sich lange einer einheitlichen und konsistenten wissenschaftlichen Beschreibung entzogen.

Salzwüsten – ob im Death Valley in Kalifornien, im Chott el Djerid in Tunesien oder in der Salar de Uyuni in Bolivien – gehen aus austrocknenden Seen hervor, in denen mehr Wasser verdunstet, als der Regen nachliefert. Der Zufluss erfolgt meist durch Grundwasser, das aus Niederschlägen in den umgebenden Bergen gespeist wird.

Zu den ebenso beeindruckenden wie rätselhaften Merkmalen dieser trockengefallenen Seen gehören ästhetische polygonale Muster kristallisierten Salzes. Sie überziehen die Wüsten auf großen Flächen. Rein von der Struktur her erinnern sie zunächst vielleicht an überdimensionale Trockenrisse, die man von Pfützen oder lehmigen Flusssedimenten in der Sommerhitze kennt. In solchen Fällen richtet sich die Größe der auseinander klaffenden Bodenabschnitte nach der Dicke der Schlammschicht. Im Gegensatz dazu weisen die Vielecke aus Salzkristallen einen einheitlichen Durchmesser von ein bis zwei Metern auf, unabhängig von der Stärke der verkrusteten Schichten. Daran scheitern auch weitere Hypothesen zur Entstehung, etwa dass an die Oberfläche gelangendes Salz zu einer horizontalen Ausdehnung führen würde und damit zu einer Art Faltenbildung.

Als ich derlei Polygone zum ersten Mal vor Jahren in Tunesien gesehen habe, erinnerten sie mich an eine Art erstarrter Rayleigh-Bénard-Konvektionszellen. Solche Formen sieht man manchmal auf Milchkaffee, erwärmtem Fett in der Pfanne oder sogar Eisschichten (siehe »Verborgene Muster im Eis«, »Spektrum« Februar 2021, S. 64). Allerdings gab ich den Vergleich schnell wieder auf, weil die Gebilde aus Salz bestehen und in den meisten Fällen weit davon entfernt scheinen, flüssig zu sein.

Simulierte Dynamik: Eine Visualisierung der Vorgänge entlang und unter der Kruste eines Salzsees zeigt an der Oberfläche die aufsteigenden (blau) und absteigenden (rot) Ströme sowie darunter die Salzkonzentration (in Brauntönen; je dunkler, desto höher).

Nun liegt genau diese Vorstellung einem Modell zu Grunde, das im Februar 2023 von einer internationalen Forschungsgruppe um Jana Lasser von der Universität Graz veröffentlicht wurde. Das Team erklärt die polygonartigen Strukturen durch eine Wechselwirkung von Salzwasser-Konvektionsbewegungen mit den kristallisierten Krusten. Die bisherigen Ansätze haben meist übersehen, dass es unterhalb des festen Wüstenbodens im Allgemeinen nicht trocken ist, sondern Kontakt zu stark salzhaltigem Grundwasser gibt. Dieses reicht oft bis knapp unter die Oberfläche. Die Hypothese wurde durch Computersimulationen untermauert: Die Resultate geben das natürliche Phänomen erstaunlich gut wieder und erlauben verifizierbare Vorhersagen.

Für eine Vorstellung von der Dynamik des Vorgangs hilft zunächst ein Blick auf die normale Rayleigh-Bénard-Konvektion, auch wenn sich die Ergebnisse nicht eins zu eins übertragen lassen. Dabei hat man es mit einer Flüssigkeitsschicht zu tun, die typischerweise von unten geheizt und dadurch instabil wird. Die erwärmte und damit leichter gewordene untere Lage drückt die darüberliegende nach oben. Das kann nicht im Stück über die gesamte Fläche gelingen, sondern geschieht an vielen Stellen, indem sich ein Austausch zwischen kalten und warmen Partien einstellt. Das führt zu einem stationären Muster von charakteristischen Konvektionszellen. In deren Zentren erreicht die nach oben strömende warme Flüssigkeit die Oberfläche und breitet sich radial nach den Seiten aus, während ihre Temperatur abnimmt. Dort trifft sie auf die entsprechenden Strömungen der Nachbargebiete, und alle sinken gemeinsam – durch die Abkühlung dichter geworden – wieder nach unten. Dort erwärmen sie sich und durchlaufen eine neue Runde.

Konvektionsbewegungen | Pfeile kennzeichnen die Strömungen in einer Zelle, kräftigere Farben entsprechen höheren Salzkonzentrationen.

Wenn man dieses überschaubare Geschehen vor Augen hat, ist es einfacher, die Vorgänge unter- und oberhalb der Wüstenebene anschaulich zu erfassen. In dem porösen Bodenmaterial steigt Salzwasser auf, nachdem es seine Dichte durch Kontakt mit dem Grundwasser verringert hat. Das passiert jeweils in der Mitte jedes Polygons. Oben angekommen breitet sich die Flüssigkeit radial nach allen Seiten aus. Dabei wird sie von der Sonne aufgeheizt, und ein Teil des Wassers verdunstet. Dadurch steigen dessen Salzgehalt und Dichte. Das hat einen doppelten Effekt. Einerseits wird Salz ausgefällt, das in der zunehmend konzentrierten Sole nicht mehr löslich ist. Andererseits nimmt die Dichte zu, woraufhin die übrige Lake am Übergang zu den Nachbarzellen absinkt. Entlang der Ränder der einzelnen Polygone wachsen dann Kristalle in die Höhe.

Im Prinzip ist diese Konvektionsdynamik rotationssymmetrisch. Es würden sich also kreisförmige Zellen ergeben. Wenn allerdings solche runden Gebilde gegeneinander wirken und eine gemeinsame Grenze bilden, kommt es im Idealfall zu Sechsecken. Das kennt man von Bienenwaben. Bei den Wüsten läuft es nicht ganz so perfekt ab. Hier stören unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten an vielen Stellen den freien Fluss. Deswegen sind zwar die Zellen mit sechs Ecken in der Überzahl, aber meistens sind die Seiten nicht gleich lang. Dennoch ist die Musterung wunderschön. Sie beeindruckt umso mehr, wenn man sich bewusst macht, dass man gerade eine Momentaufnahme eines hochkomplexen dynamischen Geschehens vor Augen hat.

Quelle

Lasser J. et al.: Salt polygons and porous media convection, Physical Review X 13, 2023

Nach den Eiskristallen kamen die Salzkristalle

Nachdem der Winter nunmehr schrittweise auf dem Rückzug ist, drängen sich immer mal wieder Hinterlassenschaften der kalten Jahreszeit in den Blick. Manchmal zeigen diese sich von der schönsten Seite, wie beispielsweise im obigen Foto. Es handelt sich um eine Fliese, die während der Vereisung vor einiger Zeit mit Salz bestreut wurde, um die Eisschicht zum Schmelzen zu bringen und damit die Rutschgefahr zu beseitigen.
Durch Salz wird der Schmelzpunkt von Wassereis herabgesetzt. Es gefriert bei einer niedrigeren Temperatur als reines Wasser. Es bleibt also auch bei Temperaturen flüssig, die allerdings nicht zu weit unter dem normalen Gefrierpunkt von 0 °C liegen dürfen.  Diese Bedingung ist in unseren Breiten den meisten Fällen erfüllt.
Auch eine bereits vorhandene Eisschicht kann oft mit Salz aufgetaut werden, weil sie stets mit einer dünnen Wasserschicht bedeckt ist, die sich mit dem Salz verbindet und zu immer tieferen Schichten vordringt.
Nachdem es wieder wärmer geworden, das Wasser verdunstet ist, bleibt das gelöste Salz zurück und verfestigt sich wieder. Dabei bilden sich der Gitterstruktur des Salzes (Natriumchlorid) entsprechend Salzkristalle, die teilweise ästhetisch ansprechende Muster bilden wie hier auf der früher vereisten und mit Salz behandelten Fliese.
Ich weiß, man sollte beim Enteisen mit Salz sparsam umgehen. Das tue ich normalerweise auch, aber in diesem Fall handelte es sich um eine lokal beschränkte Maßnahme, bei der alles Salz wieder zurückgewonnen wurde. Bevor ich die Fliesen säuberte, erlaubte ich mir jedoch das obige – wie ich meine naturschöne – Foto zu machen.

Polygonale Sandmuster

Dieses polygonale Muster sah ich in einem dicht am Meer gelegenen hinter einigen Dünen tief gelegenen Sandgebiet. Obwohl es während der Beobachtung (Fotografie) völlig trocken war, vermute ich, dass die Musterung darauf zurückzuführen ist, dass unterhalb des Sandbodens das Grundwasser in geringer Tiefe anzutreffen ist. Und dieses Grundwasser dürfte wegen der Nähe des Meeres salzhaltig sein (Brackwasser). Durch die Verdunstung eines Teil des in Kapillaren zwischen den Sandkörnern aufsteigenden Salzwassers an der Oberfläche des Sandes bleibt gelöstes Salz zurück. Es führt allmählich zu einer Anreicherung des Salzes an der Oberfläche und damit zu einer helleren Färbung. Da ein Teil des Wasser an den Rändern solcher Polygone durch absinkendes Wasser innerhalb der Polygone teilweise kompensiert wird, entsteht ein solches an eine Bénardkonvektion erinnerndes Muster.

Dies ist eine grobe vorläufige Vermutung und muss weiter untersucht werden.

Übermaß an Wirklichem!

Substanz; die göttliche Salzigkeit trinken und ausatmen, dieses Spiel gleicht für mich der Liebe, die Tätigkeit, bei der mein Körper sich ganz in Zeichen und Kräfte verwandelt, wie eine Hand sich öffnet und schließt, spricht und handelt. Hier gibt sich der ganze Körper der Wassermasse hin, holt sich zurück, begreift sich, verausgabt sich und will sein Möglichkeiten erschöpfen. Sie rührt er auf, sie will er fassen, umarmen, er überbordet an Leben und liebt sie in seiner freien Beweglichkeit, sie besitzt er, mit ihr erzeugt er tausend seltsame Gedanken. Durch sie bin ich der Mann, der ich sein will. Mein Körper wird das unmittelbare Werkzeug des Geistes und dabei der Urheber aller seiner Gedanken. Alles erhellt sich mir. Ich verstehe bis ins letzte, was Liebe sein könnte. Übermaß an Wirklichem! Die Liebkosungen sind Erkenntnis. Die Gebärden des Liebenden wären die Vorbilder für Werke.
Also schwimme! wirf dich kopfüber in diese Welle, die zu dir rollt, mit dir, sich bricht und dich trägt!


Paul Valéry. Werke in sieben Bänden. Frankfurt 1991, S. 253f

Nasse Flecken wie aus dem Nichts

Bei einem morgendlichen Spaziergang auf einer schmalen Asphaltstraße durch die landwirtschaftlichen Felder sehe ich zahlreiche dunkle Flecken (siehe Foto). Bei näherem Hinsehen zeigt sich zum einen, dass die vermeintliche Färbung durch Nässe hervorgerufen wird. Das ist insofern merkwürdig als es in der vergangenen Nacht zwar kalt aber völlig trocken gewesen ist. Zum anderen ist zu erkennen, dass in der Mitte eines jeden Flecks ein helles Körnchen sitzt (Close-up oben links). Dabei handelt es sich um Mineraldünger in Granulatform, der bei der Bewirtschaftung der Felder auf die Straße gelangt ist. Die meisten Mineraldünger liegen als Salze vor. Sie sind daher hygroskopisch, d.h. sie nehmen Feuchtigkeit aus der Umgebung auf, wann immer es möglich ist. Man kennt das vom Kochsalz, das bei hoher Luftfeuchtigkeit und offener Lagerung ebenfalls nass wird. Im vorliegenden Fall haben die Salzkristalle nicht nur Wasserdampf aufgenommen, sondern vielleicht auch noch davon profitiert, dass in der vorausgegangenen Nacht die Temperatur unter den Taupunkt abnahm, sodass sich auch noch kondensierender Wasserdampf auf weitgehend isolierten kalten Oberflächen absetzte, so auch auf den Salzkörnern. Diese gingen dadurch teilweise in dem Maße in Lösung, wie Wasser aufgenommen wurde. Daher floss die wässrige Lösung abgesehen von Störungen durch Inhomogenitäten des Untergrunds radial in alle Richtungen und hinterließ einen dunklen, feuchten Fleck.

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