Es ist wahrlich kein erbauendes Gefühl, sich selbst zwar verdoppelt aber kopflos gegenüberzustehen. Und da sage doch jemand, Spiegel seien verlässlich. Rein physikalisch gesehen sind sie es auch: Einfallswinkel = Reflexionswinkel und erst dadurch entsteht das Malheur. Ein gewellter, eingedellter Spiegel kann eben auch nur ein gewelltes und gedelltes Abbild hervorbringen. Dabei kann es je nach Blickwinkel neben abenteuerlichen Verzerrungen zu Überlagerungen und Verdeckungen, wobei oft entscheidende Partien einer Person dem Blick entzogen werden*.
Dennoch oder vielleicht auch deshalb sind solche meist in Science Centern mehr zur Belustigung als zur Aufklärung aufgestellten Zerrspiegel sehr beliebt. Das Vergnügen, sich in der Spiegelwelt je nach Position und Blickwinkel deformiert und depriviert, aber trotzdem nicht deprimiert zu sehen, resultiert vielleicht auch daraus, dass man im tiefsten Inneren die ebenso tiefe Überzeugung spürt, trotzdem in Wirklichkeit wirklich alles beieinander zu haben. Ich habe Kinder erlebt, die nach einigen Spielchen mit dem Zerrspiegel anschließend zum manchmal daneben angebrachten Planspiegel gegangen sind, vielleicht um sich ihrer körperlichen Integrität zu versichern. Man kann ja nie wissen.
Wenn Ödön von Horváth (1901 – 1938) in diesem Zusammenhang meint:
Mancher müßte in einen Zerrspiegel schauen,
um erträglich auszusehen,
so steckt angesichts des Fotos dahinter schon eine ganze Portion Bosheit.
* Wer kein Science-Center u. Ä. in der Nähe hat, kann sich mit den wandelnden Zerrspiegeln auf den Straßen und Parkplätzen vergnügen. Besonders die gut geputzten Karossen zeigen exzellente Verzerrungen.
Ich erinnere mich an ein Zerrbild in einem Museum, wo ich keines vermutete. Ich war für einen Moment irritiert. Ich schwankte sogar.
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Das kenne ich auch. Die Täuschung rührt auch daher, dass die Bewegungen des Zerrbildes simultan zu den eigenen erfolgen. Und wenn man dann nicht ganz bei der Sache ist…
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Nicht zu vergessen- Die Fläche lag plan, bemerkte sie erst spät.
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Das macht die Sache natürlich noch komplzierter.
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Ein Standardbesuch im Wiener Prater meiner Jugendzeit: das Spiegelkabinett! Hin- und hergerissen zwischen Abscheu, Belustigung und Erstaunen vertraute ich mich meinen Zerrbildern an, die oft mehr über mich aussagten als der entzerrte Spiegel zu Hause.
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Ja, das ist das Besondere daran, in der (nicht allzu großen) Verzerrung treten wie in einer Karrikatur besonderen Merkmale oft deutlicher hervor als beim gewohnten Anblick, auch deshalb, weil man sich daran gewöht hat.
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