
Grün ist die Farbe des Frühlings. Die meisten Blätter der Pflanzen erscheinen in Abstufungen dieser Farbe. Da der Frühling als eine Art jährlicher Wiedergeburt der Natur angesehen werden kann (zumindest in unseren Breiten, in denen die Vegetation zwischenzeitlich heruntergefahren wird), empfinden wir vor allem das erste frische Grün in der erwachenden Natur als besonders angenehm. Ob dieses Gefühl durch das implizite Wissen um den Neustart im Frühling und Sommer mitbestimmt wird, kann ich nur vermuten. Vermutlich ist auch der Ausspruch „Grün ist die Hoffnung“ aus der Verheißung entstanden, dass das Grün die Voraussetzung für bunte Blüten und schmackhafte Früchte ist. So verwundert es kaum, dass vom althochdeutschen Ursprung „gruoni“ über „gruoen“, was so viel wie „wachsen“ in der Bedeutung von „grünen“ meint.
Im übertragenen Sinn steht grün für „es geht voran“. Selbst die Ampel im Straßenverkehr hat diese Botschaft verinnerlicht. Aber da „grün“ erst den Anfang bedeutet, darf es auch in der sprachlichen Verwendung noch nicht für das Ergebnis genommen werden. Wenn jemand noch grün hinter den Ohren ist, dann fehlt eben noch die Reife und einem Grünschnabel traut man auch nicht so ganz. Der „Grüne Heinrich“ von Gottfried Keller gehört auch in diese Kategorie.
Physikalisch gesehen ist die Farbe Grün eine visuelle Begleiterscheinung eines der entscheidenden Vorgänge für das Leben auf der Erde, der Umwandlung von Strahlungsenergie der Sonne in Biomasse. Dabei absorbieren die grünen Farbpigmente der Pflanzen, das Blattgrün (Chlorophyll) Licht aus dem Spektrum der Sonnenstrahlung, nämlich die Komplementärfarbe von Grün.
Chlorophyll (griechisch: chloros (grün) und phyllon (Blatt)) gibt es in sechs verschiedenen Arten, von denen in Pflanzen vor allem Chlorophyll a und Chlorophyll b auftreten. Chlorophyll a absorbiert vor allem violettes und orangefarbenes Licht und Chlorophyll b vor allem blaues und gelbes Licht. Zu einem geringen Anteil wird auch Licht einiger anderer Wellenlängen aufgenommen.
Da das grüne Licht von diesen Begehrlichkeiten der Blätter weitgehend unberührt bleibt, wird es reflektiert bzw. bei dünnen und jungen Blättern (oberes Foto) durchgelassen. Also eigentlich erfreuen wir uns an einer Farbe, mit der die Blätter nichts anfangen können, die von ihnen verschmäht und daher um diese Zeit in wachsendem Maße an die Umwelt abgegeben wird.
Aber was wäre die Regel, wenn es nicht die Ausnahmen gäbe. Nicht alle Blätter sind grün, manche sind sogar rot. Aber das ist nur äußerlich. Denn das Blattgrün wird lediglich durch andere pflanzliche Farbstoffe, z.B. bei rot Anthocyanin visuell überdeckt.
Die Photosynthese
Die Prozesse durch die die im Sonnenlicht enthaltene Energie durch die grünen Blätter in chemische Energie umgewandelt wird, werden unter dem Begriff Photosynthese zusammengefasst. Dabei wird von der Pflanze aus dem Boden aufgenommenes Wasser (H2O) zerlegt und mit dem durch Blattöffnungen „eingeatmeten“ Kohlenstoffdioxyd entzogen chemisch verbunden. Daraus entsteht dann Glucose (Zucker), die in Form von Stärke in der Pflanze gespeichert wird. Dieser sehr komplexe und nur schwer im Einzelnen zu durchschauende Gesamtvorgang lässt sich in einer Summenformel zusammenfassen:
6 CO2 + 12 H2O -> C6H12O6 + 6O2 + 6H2O.
Dabei wird 2280 kJ (Kilojoule) pro Mol an Lichtenergie verbraucht. (Mol die Einheit der Stoffmenge: 1 Mol entspricht etwa 6 1023 Teilchen).
Die in der Photosynthese gewonnene Energie wird für die Bildung der gesamten Pflanzen benötit und schlägt u. A. auch in der Bildung des Holzes eines Baumes nieder.
Das Beispiel einer 100 jährigen Buche*
Um die Vorgänge quantitativ zu illustrieren, betrachten wir beispielhaft die Photosyntheseaktivität einer 100jährigen Buche. Diese verfügt über ca. 200 000 Blätter mit einer Blattfläche von 1200 m2, wobei durch den verschachtelten inneren Aufbau der Blätter eine Fläche von 15 000 m2 aktiv in den Stoffwechselvorgängen involviert ist.
Der Gasaustausch der 200 000 Blätter mit der Außenluft erfolgt durch 120 109 Spaltöffnungen in der Außenhaut der Blätter. In den Zellen des Blattgewebes befinden sich 1014 photosynthetisch aktive Chloroplasten, die etwa 180 g des für die chemischen Vorgänge nötigen Chlorophylls enthalten – eine gemessen an der Zahl der beteiligten Bestandteile erstaunlich geringe Menge.
Diese Chloroplasten verarbeiten an einem Sonnentag 9400 Liter Kohlenstoffdioxid aus der Umgebungsluft. Und da diese nur 0,03 Vol% an davon enthält, müssen 36 000 m3 Luft durch die Spaltöffnungen geschleust werden. Gleichzeitig werden 9400 Liter Sauerstoff freigesetzt und zum großen Teil an die Außenluft abgegeben.
Bei einem solchen Photosyntheseprozess können 12 kg Kohlenhydrate produziert werden, die u.a. in Zellulose für die Bildung neuer Zellen umgewandelt werden.
* Dietrich Böhlmann. Warum Bäume nicht in den Himmel wachsen. Wiebelsheim 2009, S. 249
Dank an Dietrich Böhlmann!
Und Dank natürlich an Dich!
12 kg Stärke/Kohlenhydrate am Tag ist gewaltig viel.
Um persönlich zu werden: Den „Photosyntheseapparat“ mit den Mikrostrukturen im Blattgewebe habe ich mal vor vielleicht 15 in einer Worddoku zusammengestellt.
Diese kleine Doku gehörte in eine Phase eines Interesses, wie Biomasse eigentlich aufgebaut ist.
Meine Auffassung/Vermutung damals war, daß bis tief hinunter zu den Molekülen kein „Füllmaterial“ existiert, sondern alles eine Funktion hat. Selbst Großmoleküle funktionieren ja letztlich wie Maschinen, sie falten sich etwa beständig, um spezielle Funktionen in einer neuen „Form“ ausführen zu können.
Etwas schade finde ich, daß ich nicht mehr weiß, wie dieses Interesse an der Mikrowelt und Nanowelt bei mir begann.
Schlussendlich bin ich bei der Fotografie angelangt, die mir wenigstens Strukturen von 2 mm Länge gut sichtbar darstellen hilft.
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Es ist aber auch ein großer Baum. Und wenn ich zur Zeit sehe wie z.B. eine vor meinem Fenster wachsende Kastanie in kürzester Zeit in großer Zahl große Blätter entfaltet, kann ich mir schon vorstellen, wie diese erstaunliche Menge an Biomasse zustande kommt. Ich stehe manchmal staunend vor dem Baum, wenn ich mir klarmache, dass hier Luft und Wasser und einige Mineralstoffe aus der Erde zu Blättern, Blüten und Holz werden…
Die typisch menschliche Aufteilung in Form und Funktion hat in der Welt der Pflanzen und Tiere offenbar keine Berechtigung; Form ist Gestalt gewordene Funktion.
Ich halte mich auch am liebsten an die Größenordnungen, die mir noch mit traditioneller Optik zuänglich sind.
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„Form ist Gestalt gewordene Funktion.“
Ja, das passt.
Ich habe gestern, noch vor deinem Artikel, eine Fotobändesammlung begutachtet, in dem es um nichtoptische Fotografie ging. Ich hatte damals ziemlich alles gkeauft, was es – auf dem gemeinen Büchermarkt – gab.
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Das Nichtoptische verdrängt ja teilweise bereits das Optische, wenn man etwa an die extrem flachen Handycameras denkt. Da spielen photoshop inspirierte Eingriffe bereits mit hinein.
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Ähnlich wie beim Auge, das bearbeitet ja schon die Lichtinformation und schickt sie dann weiter ans eigentliche Gehirn…
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Man sagt ja sogar, dass das Auge eine „Ausstülpung“ des Gehirns sei. Und tatsächlich betrügt uns das Auge auch teilweise im Vergleich zur physikalischen Optik – aber alles zu unserem Wohl.
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Ja, sicher.
Und dann gibt es die Irritationen auch, wo man vermeint, etwas zu sehen. Das kann auch sehr tükisch werden.
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Man denke nur an die Pareidolien. Was muss da alles passieren, dass man Gestlaten sieht, wo keine sind…
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Und trotz der fruchtbaren und beglückenden Grünsymbolik war das Frühjahr für die Menschen in früheren Zeiten eine Frist größter Knappheit: die Wintervorräte verbraucht und neue Ernte noch nicht in Sicht.
Das erste Foto mit den einzeln leuchtenden Blättern im dunkel verschatteten Umfeld finde ich wunderbar!
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Aber die Knappheit konnte angesichts der Verheißungen des allenthalben ausbrechenden Grüns leichter ertragen werden, als mit dem Winter vor Augen.
Der Anblick der grün leuchtenden Blätter beim Blick zum hellen Himmel hatten es mir auch sofort angetan. Sie sahen aus wie selbst leuchtende Lampen. Ein wenig konnte von diesem Eindruck konnte durch das Foto eingefangen werden.
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Ja, das ist dir gut gelungen!
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🙂
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Das Wunder der Werdens aus dem fast-Nichts ist ja in allem Lebenigen wirksam. Aus dem „Nichts“ eines Samenkorns, einer befruchteten Eizelle … wachsen Katzen, Kinder, Eichen, Wale empor. Legst du so ein Samenkorn neben ein Sandkorn, wirst du mit bloßem Auge kaum Unterschiede entdecken – und doch!
Was ist das Leben?
Und was tun wir Menschen, wenn wir glauben, es kommandieren zu können?
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So ist es. Auch wenn es erstaunliche wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, so kratzen sie doch immer nur an der Oberfläche. Fragen wie die nach dem Bewusstsein, werden wohl immer Geheimnis bleiben.
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