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Kaustik

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Lichtstern zwischen eingeschnürten Schatten

Was ist launischer als
die Verteilung von Lichtern und Schatten

Paul Valéry

Wenn benetzbare Gegenstände eintauchen, kriecht ein Meniskus an ihnen hoch. Die gekrümmte Wasseroberfläche verzerrt den Schatten auf dem Boden des Gewässers: Er erscheint eingeschnürt und von einer Brennlinie gesäumt.
Als ich einmal auf der Terrasse gesessen und den Sonnenschein genossen habe, zog das halb gefüllte Wasserglas meine ganze Aufmerksamkeit auf sich – oder besser der darin lehnende Strohhalm. Denn ich bemerkte, dass dessen Schatten auf dem Boden des Glases in zwei Teile zerfiel. Beide verjüngten sich an der Trennstelle und waren dort von hellen Brennlinien begrenzt.
Das faszinierende optische Rätsel ließ sich schnell zu seinem Ursprung zurück verfolgen: Die Schattentrennung und die damit verbundene Aufhellung kamen von der Stelle, an welcher der Strohhalm die Wasseroberfläche durchstieß. Dort wurde nämlich das Wasser an dem leicht benetzbaren Plastikhalm ein wenig hochgezogen. Daraufhin war er von einem so genannten Meniskus mit einem konkaven Profil umgeben.
Solch ein rundum laufender Wasserwall bricht die auftreffenden Sonnenstrahlen unter einem anderen Winkel in die Flüssigkeit hinein als die ebene Wasseroberfläche. Das Licht wird mit zunehmender Abweichung des Einfallswinkels immer stärker abgelenkt, und zwar in den Bereich, der ohne Meniskus im Schatten des Halms liegen würde. Das schnürt den sichtbaren Schatten ein.

Das Phänomen beim Übergang von der Luft ins Wasser ist in der Optik schon lange bekannt. Es wird seit einer entsprechenden Publikation von 1967 als Shadow-Sausage-Effekt bezeichnet [https://pubs.aip.org/aapt/ajp/article-abstract/35/8/774/1047926/Shadow-Sausage-Effect], weil sich die beiden scheinbaren Schattenenden des Halms ähnlich verjüngen wie der Knotenbereich einer Wurstkette. Zudem kommt es zu charakteristischen Brennlinien, so genannten Kaustiken. Hier kreuzen sich verschiedene Strahlenwege.
Eingehendere Experimente habe ich anschließend gemeinsam mit meinem Kollegen Wilfried Suhr durchgeführt – der Deutlichkeit wegen mit einem Holzstab, der sich gut benetzen lässt. Wir tauchten ihn zunächst senkrecht ins Wasser und beleuchteten ihn mit einer nahezu punktförmigen Lichtquelle (das sollte die weit gehend parallelen Strahlen der Sonne nachahmen) unter einem Winkel von zirka 50 Grad. Eine helle LED-Taschenlampe mit abgeschraubter Linse tat dabei gute Dienste.
Als erstes überzeugten wir uns davon, dass sich das konkav aufwölbende Wasser tatsächlich auf die Lichtwege auswirkt. Dazu mussten wir den Meniskus zum Verschwinden bringen. Das ist möglich, indem man den Stab genauso schnell aus dem Wasser zieht, wie dieses an ihm aufsteigt. Als die passende Geschwindigkeit gefunden war, hielten die beiden ehemaligen Schattenenden während der Bewegung passgenau zusammen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, einen Stab ins Wasser zu stellen, der nicht benetzt wird. Dazu eignen sich manche Kunststoffarten. Auch dann bleibt der Shadow-Sausage-Effekt aus.
Um einen genaueren Eindruck davon zu gewinnen, wie das Licht abgelenkt wird und wo die vom üblichen Weg abgebrachten Strahlen landen, haben wir einen weiteren kleinen Versuch durchgeführt. Wieder beleuchtete unsere Lichtquelle den Meniskus am senkrecht eingetauchten Holzstab unter einem 50-Grad-Winkel. Gleichzeitig tasteten wir den Bereich mit dem Strahl eines Laserpointers ab, der genauso ausgerichtet war wie das weiße Licht . Wir wählten dafür insbesondere vier Punkte aus, die für die Ablenkung charakteristisch sind und den dort gebrochenen Strahlen des weißen Lichts entsprechen.
Zwei der Punkte lagen jeweils an den gegenüberliegenden Stellen am unteren Rand von einer Seite des Meniskus. Der Anstieg der Wasseroberfläche ist dort noch relativ klein, das heißt die durch die Brechung geänderte Richtung des Lichtstrahls unterscheidet sich nur wenig von der, in die er auf einer ebenen Wasseroberfläche abgelenkt würde. Dementsprechend landen die Strahlen an der Stelle des Behälterbodens, an der die Einschnürung des Stabschattens gerade beginnt.
Für die zwei mittleren Punkte wählten wir Stellen, an denen die Steigung des Meniskus bereits so groß ist, dass der Lichtstrahl etwa in der Mitte der Einschnürung des Schattens auftrifft. Wie man sich leicht vorstellen kann, landen alle weiteren Strahlen innerhalb der beiden Extreme an einem Ort dazwischen auf der gekrümmten Brennlinie. Die große Leuchtdichte in den beiden hellen Kreuzungspunkten kann man sich dadurch entstanden denken, dass sich dort sehr viele solcher Linien fächerartig überlagern. Aus Symmetriegründen passiert auf der gegenüberliegenden Seite des Stabs Entsprechendes. So kommt es insgesamt zu der feinen Struktur der Kaustik, die auch als Astroide bezeichnet wird. Durch die Änderung des Einfallswinkels oder der Neigung des Stabs werden natürlich die Linien und Kurven von Schatten und Licht entsprechend deformiert. Die charakteristische, karo-ähnliche Form bleibt dabei jedoch erhalten.
Der Effekt ist weniger exotisch und häufiger zu beobachten als man denkt. Wer bei Sonnenschein auf dem Boden eines flachen Gewässers die Schattenprojektion eines herausragenden Asts oder der umher driftenden Blätter betrachtet, bekommt deformierte und von Kaustiken durchwirkte Gestalten zu Gesicht, die ästhetisch oft sehr ansprechend sind. Unter günstigen Bedingungen rufen sogar die von Wasserläufern verursachten Dellen entsprechende Phänomene hervor [https://www.spektrum.de/wissen/schlichting-bizarre-unterwasserschatten/1560214].

Man findet den Effekt außerdem an unvermuteten Stellen. So kann ein auf flachem Wasser schwimmender Ball im Licht der Sonne gleich drei Schatten werfen. Dabei umschließt ein nur schemenhaft zu erkennender, diffuser großer Schatten zwei kleinere, prägnantere. Sie wirken, als kämen sie sich derart in die Quere, dass sie sich gegenseitig ein wenig zusammendrücken.
Vergleicht man dieses Schattenpaar mit dem eingetauchten Strohhalm, so erkennt man den Ursprung des Kuriosums: Der Ball entspricht einem kugelförmigen Stab mit einem Teil über und einem unter der Wasseroberfläche. Die Abschnürung des geometrischen Schattens des Balls führt wieder zu annähernd kreisrunden Schatten – und so entsteht ein merkwürdiges Dreischattengebilde.

Quellen

Suhr, W., Schlichting, H. J.: Einleuchtendes über Leonardos Kreuz. Physik in unserer Zeit 54, 2023

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/piuz.202301682

Lichtblitze im Wasser

Der Blick ist auf den Wasserspiegel eines ruhig fließenden Bachs gerichtet. Auffällig sind zwei fast kreisrunde Schatten auf dem Boden des Gewässers, die von einer hellen Brennlinie (Kaustik) umgeben sind. Auslöser für dieses Phänomen sind zwei Grashalme, die mit ihrer Spitze leicht in das Wasser eintauchen, ohne benetzt zu werden. Denn sie hassen das Wasser – sind hydrophob, sodass sich um sie herum eine winzige schüsselartige Vertiefung im Wasser bildet. Diese Vertiefung ist von einem konvexen Rand umgeben, an dem das Licht wie von einer ringförmigen konvexen Linse gebrochen und auf dem Boden fokussiert wird. Auf diese Weise entsteht der zu beobachtende helle Ring (Kaustik). Das so aus der ursprünglichen Ausbreitungsrichtung abgelenkte Licht fehlt in der Mitte und führt dazu, dass hier ein Schatten entsteht. Ein Teil des in die konvexe Vertiefung fallenden Lichts wird reflektiert und macht sich in Form eines hellen Lichtblitzes an der Spitze des Grashalms bemerkbar.
Es sind weitere interessante Phänomene zu beobachten, die ich aber heute übergehen möchte.

Eine Felswand mit „Kaustiken“

Visuelle Ähnlichkeiten entdeckt man oft in völlig verschiedenen Bereichen und Zusammenhängen. Als ich diese Felswand (links) fotografierte, erinnerten mich die hellen Lichtbänder an Kaustiken wie man sie oft in flachen Gewässern beobachten kann (rechts). Tatsächlich hat das eine mit dem anderen rein materiell gesehen nichts zu tun. Unser Mustererkennungsvermögen kennt oft keine Grenzen welcher Art auch immer und stellt Zusammenhänge her, die realiter gar nicht bestehen. Aber diese unsere Fähigkeit völlig verschiedene „Ansichten“ miteinander zu verknüpfen, stellen eine Grundlage für die Entwicklung neuer Ideen und Möglichkeiten dar, auf die man durch bloßes Nachdenken wohl kaum gekommen wäre.

Rätselfoto des Monats April 2023

Blickt man auf die Sonne oder den Mond?


Erklärung des Rätselfotos des Monats März 2023

Frage: Wir möchten die ungefähre Tageszeit der Aufnahme wissen.

Antwort: Die Aufnahme zeigt zum einen Fenster, in denen die Front eines gegenüberliegenden Hauses reflektiert wird. Zum anderen sieht man eine Serie von Projektionen von Lichtkreuzen im Lichtkreis, die von Fenstern des gegenüberliegenden Hauses stammen. Damit man sie auf der Häuserwand projiziert vorfindet, steht die Sonne nicht sehr hoch. Andererseits stehen sie so hoch, dass von Dämmerung keine Spur ist, denn ihre Farbe ist hell weiß.
Die orangene Färbung der Häuserfront kann daher nicht durch das farbige Licht der tiefstehenden auf- oder untergehenden Sonne erklärt werden. Es handelt sich vermutlich um die Wirkung einer Beschichtung der reflektierenden Fensterscheiben, die langwelliges Licht reflektieren und kurzwelliges durchlassen.
Bei der Tageszeit ist daher vom frühen Vormittag oder späten Nachmittag auszugehen.

Physik der Thoreau-Reynolds-Welle Ein kaum bekanntes Naturphänomen

Wilfried Suhr, H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 54/ 2 p. 82-85

Manchmal beobachtet man eine quer über ein Gewässer verlaufende, winzige stationäre Welle. Sie trennt eine ruhige von einer bewegten Zone und verweist auf interessante physikalische Zusammenhänge, die sich nicht sofort erschließen.

Im Jahre 1858 machte der Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau (1817–1862) an einem fließenden Bach eine interessante Entdeckung, die er – von uns übersetzt – folgendermaßen beschreibt: „Ich sehe, wie sich von einer zur anderen Seite dieses glatten Baches eine scheinbar unsichtbare Wellenlinie erstreckt, wie ein Spinnenfaden, vor dem sich das Wasser ein wenig staut. (…) Ich versuche wiederholt, sie mit meiner Hand zu fangen und zu zerbrechen und das Wasser frei laufen zu lassen, aber zu meiner Überraschung klammere ich mich immer noch an nichts als Flüssigkeit, und die imaginäre Linie behält ihren Platz bei. Ist es der schwankende Rand einer leichteren Flüssigkeit, vielleicht eine öligere, die eine schwerere überläuft?“ [1]. Seine im letzten Satz geäußerte Frage deutet bereits darauf hin, dass er hinter dem von ihm entdeckten Naturphänomen eine Wechselwirkung des fließenden Wassers mit einer weitgehend unsichtbaren, dünnen Schicht vermutete.

Als erster Physiker entdeckte Osborne Reynolds (1842– 1912) unabhängig davon das Phänomen wieder. Er publizierte darüber im Jahr 1881 und brachte es mit der Wirkung der Oberflächenspannung in Verbindung [2]. Damit war die Spur aufgenommen, die Generationen von Forschenden bis in unsere Tage immer wieder auf die nunmehr Reynolds- oder Thoreau-Reynolds-Ridge bezeichnete Miniwelle zurückführte. Heute ist sie weitgehend experimentell und theoretisch erforscht. Die Untersuchungen beschränken sich inzwischen schon lange nicht mehr auf natürliche Gewässer, und die Thoreau-Reynolds-Welle ist zu einem Laborphänomen geworden.

Nachdem wir auf das Phänomen aufmerksam wurden [3], dauerte es nicht lange, bis wir es auf einem kleinen Bach in der Nähe ausfindig machen konnten. Bei der Untersuchung fiel uns auf, dass eine frühere Entdeckung dynamischer Vorgänge auf windbewegten Wasserpfützen als echte Variante der Thoreau-Reynolds-Welle anzusehen ist. Aber auch diese wurde bereits zuvor in einem sehr speziellen Zusammenhang entdeckt und kurz beschrieben [4].

 Die Welle auf Fließgewässern

Wenn sich in Fließgewässern durch angeströmtes Schwemmmaterial oder Ähnliches Barrieren aufbauen, die den freien Fluss des Wassers behindern, entdeckt man stromaufwärts davor die quer zur Strömung verlaufende Thoreau-Reynolds-Welle – häufiger als vermutet! Bei ungünstigen Lichtverhältnissen ist sie schwer zu erkennen. Bei Sonnenschein macht sie sich oft zunächst indirekt durch eine feine Kaustik auf der Sohle des flachen Gewässers bemerkbar (Abbildung 1). Wenn die Fließgeschwindigkeit einen Wert von 23 cm/s überschreitet, kann dies stromaufwärts vor der Thoreau-Reynolds-Welle Kapillarwellen auslösen, die dem Phänomen eine spektakuläre indirekte Sichtbarkeit verleihen (Abbildung 2).

Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es sich um die gesuchte Thoreau-Reynolds-Welle handelt, zeigt sich auch darin, dass sie sich sofort wieder zurückbildet, nachdem man sie gestört hat. Die Eigenschaft, Störungen abzubauen, ist typisch für eine dissipative Struktur. Sie ist ein dynamisches System, das von Energie durchflossen wird und sich hier durch einen Symmetriebruch in Form der Thoreau- Reynolds-Welle aus dem Fließgleichgewicht des Baches entwickelt. Dadurch nimmt es einen stationären Zustand fernab vom thermodynamischen Gleichgewicht ein. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Höhenenergie, die vom fließenden Gewässer in dem Maße aufgenommen und durch Reibungsvorgänge an die Umgebung abgegeben wird, wie das Wasser an Höhe verliert…

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Eine kurze Beschreibung dieses außerordentlichen Phänomens habe ich in einem früheren Beitrag gegeben.

Tee und Licht

Ich habe fast gleichzeitig eine gläserne Teetasse und eine Taschenlampe geschenkt bekommen. Und als die beiden in der nächsten Teepause zum ersten Mal aufeinandertrafen, gab es Tee und Licht (Teelicht ist leider schon als Begriff besetzt und weckt nur falsche Assoziationen).

Teepause

In der Pause, während ich

vor der Flamme wartete,
fiel mir plötzlich ein,

etwas Endgültigem zu entraten;
das Wasser begann gerade

zu kochen, der Kessel heult
gleichmäßig wie eine Siren.

Aber als ich den Tee aufgoß,
waren schon die Möglichkeiten,

ungeheuer, wieder vergessen;
im quirlenden Dampf verfing

sich mein Blick, bis er verschwand,
und ich erkannte noch, wie präzis

der Sand durch die Enge rann.
*



* Henning Ziebritzki (*1961)


Hieroglyphen aus Kaustiken

Auf einer Exkursion besuchten wir eine Ausgrabungsstätte mit den Überresten einer vergangenen Kultur. Es waren flache Holzkästen mit einem gläsernen Deckel aufgestellt, durch den hindurch man einen erklärenden Text lesen konnte. In einigen Kästen waren die Texte bereits so vergilbt, dass man den Schwierigkeiten hatte ihm bedeutungsvolle Informationen zu entnehmen. Und in einem Kasten war bereits der Text ganz verschwunden – es sei denn, man macht sich daran, die stattdessen auf dem nackten Boden des Kastens abgebildeten Hieroglyphen zu entziffern (siehe Foto).
Was immer sie aussagen mögen, ihr Ursprung ist jedenfalls ein ganz natürlicher. Unter der Scheibe hingen einige Kondenswassertropfen, denen die heiße Sonne gerade den Garaus machte. Das heizte den Kasten auf, sodass die Tropfen allmählich verdampften. Sicherlich würden sie in der nächsten Nacht in anderer Konstellation zurückkommen, wenn sich ein Teil des Wasserdampfes erneut an der abgekühlten Scheibe verflüssigte und vielleicht andere Botschaften darstellte.
Aber die Sonne macht noch etwas anderes. Sie bildete die Tropfen auf dem Boden des Kastens ab. Da diese optisch so etwas wie deformierte Linsen darstellen, bricht sich in ihnen das Licht mit der Folge, dass es den Krümmungen der Tropfen entsprechend abgelenkt wird. Auf diese Weise wird Licht an bestimmten Stellen gesammelt und macht sich als Brennflecken, sogenannten Kaustiken, bemerkbar. Zwangsläufig fehlt dann an anderen Stellen Licht und es entstehen lichtfreie Stellen – Schatten.
Mir ist es also nur gelungen diese Hieroglyphen physikalisch zu entziffern und mich ihrer Naturschönheit zu erfreuen.

Natürliche Lichtmalerei

Zu erkennen ist der Rand eines Blatts. Dass es sich um ein Teichrosenblatt handelt, ist schon etwas schwieriger auszumachen. Und dass die skurrilen geschwungenen Formen der Schatten eben dieses Blatts ist, der durch das Sonnenlicht auf dem flachen hellen Boden eines Beckens geworfen wird, scheint den Regeln der geometrischen Schattenbildung sogar zu widersprechen.
Und doch ist es so. Wer immer sich die schönen Blüten der Teichrose anschaut, sollte auch mal einen Blick auf die Blätter richten. Wenn dann auch noch ein flacher Teichboden vorhanden ist und die Sonne scheint, hat sie oder er eine reale Chance, dieses skurrile aber naturschöne Bild zu genießen.
Der physikalische Hintergrund dieses Phänomens wurde in einem früheren Beitrag beschrieben.

Die Thoreau-Reynolds-Welle – eine unscheinbare Grenze im Fluss

Wer einen Spaziergang an einem Bach unternimmt, sollte es nicht versäumen, dessen Oberfläche nach einer unauffälligen, nahezu fadenförmigen Welle abzusuchen. Sie läuft in den meisten Fällen wie eine dünne Linie senkrecht zur Strömungsrichtung über das Gewässer und zeichnet bei Sonnenschein einen feinen Streifen fokussierten Lichts auf den Boden (siehe »Kleiner Wellenkamm«). Wenn man die filigrane Struktur zum Beispiel mit dem Finger stört, bildet sie sich anschließend kaum verändert wieder neu. Der winzige Wall und vor allem sein Umfeld sind nicht nur schön anzusehen. Die Erscheinung deutet auf ein komplexes Strömungsgeschehen hin, von dem man direkt kaum etwas zu sehen bekommt.

Diese Art von Welle wurde zum ersten Mal 1854 vom US-Schriftsteller und Philosophen Henry David Thoreau beschrieben. Sie hat später Generationen von Forschern zu experimentellen und theoretischen Untersuchungen angeregt, beginnend 1881 mit dem britischen Physiker Osborne Reynolds. In englischsprachigen Publikationen wird sie daher meist als Reynolds ridge bezeichnet.

Kleiner Wellenkamm: Die Thoreau-Reynolds-Welle steht senkrecht zur Fließrichtung. Am Boden ruft ein Teil von ihr unter Sonnenlicht eine helle Brennlinie (Kaustik) hervor.

Hinter der Thoreau-Reynolds-Welle steckt ein subtiles Zusammenspiel von Oberflächen- und Strömungseffekten. Es beginnt mit einer Barriere, die sich in einem Fluss gebildet hat, wenn etwa ein Ast quer darauf liegt oder Unrat stecken bleibt. Daran stauen sich natürliche Tenside und Eiweiße aus Pflanzenrückständen. Das Material verändert die physikalischen Eigenschaften der Wasseroberfläche. Die Moleküle streben dorthin und ordnen sich mit einem hydrophilen Ende im Wasser und einem hydrophoben in der Luft an. Das setzt die Spannung der obersten Wasserschicht herab, die nun auseinanderstrebt und sich sozusagen dagegen wehrt, erneut zusammengedrückt zu werden. Die Lage aus mikroskopischen Verunreinigungen wirkt anschaulich gesprochen wie ein unsichtbares fixiertes Brett auf das heranströmende Wasser. Dieses kann nur dadurch ausweichen, dass es auf seinem weiteren Weg darunter hinwegtaucht.

Zwischen dem in die Tiefe abgelenkten Strom und dem starren Oberflächenfilm gibt es eine Grenzschicht, die das weitere Geschehen maßgeblich bestimmt. Normalerweise spielt in laminar fließendem Wasser dessen Zähigkeit so gut wie keine Rolle. In der Grenzschicht haften die angrenzenden Flüssigkeitselemente jedoch direkt am Verunreinigungsfilm und die Geschwindigkeit passt sich nach außen hin immer mehr der Hauptströmung an. Infolge des dadurch hervorgerufenen Reibungswiderstands baut sich im nachkommenden Volumen auf kurzer Strecke ein erhöhter Druck auf. Das hebt an der Wasseroberfläche unmittelbar vor der Vorderkante der molekularen Verschmutzungen – also dort, wo das Wasser abtaucht – einen schmalen Bereich auf dessen ganzer Breite um knapp einen Millimeter an. Diese Erhebung ist die Thoreau-Reynolds-Welle.

Kapillarwellen: Bei ausreichender Strömungsgeschwindigkeit können sich stromaufwärts vor der Grenzlinie feine Rippel bilden. Im barriereseitigen Gebiet lässt die Oberflächenzusammensetzung das nicht zu. Hier sieht man die Wellen indirekt durch ihre Kaustiken auf der Sohle des Baches.

Natürliche Gewässer führen fast immer oberflächenaktive Substanzen mit sich. Darum gibt es den Wall trotz seiner geringen Bekanntheit recht häufig. Vermutlich zieht er selten Aufmerksamkeit auf sich, da sowohl er als auch die Fläche mit den angestauten Substanzen unauffällig sind und sich in einigem Abstand von der ursächlichen Barriere befinden.

Ein solches Hindernis muss nicht besonders groß sein, um passendes Material aufzuhalten. Oft genügt dazu schon ein Schilfhalm oder ein kleiner Zweig. Letztlich ist die Thoreau-Reynolds-Welle selbst ein untrüglicher Hinweis auf einen weit gehend ruhenden Bereich. Sie ist so etwas wie eine Demarkationslinie zur bewegten Umgebung.

 Das Phänomen kann sogar in stehenden Gewässern wie einer Pfütze beobachtet werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein starker und gleichmäßiger Wind obenauf treibendes Material zum Rand der Pfütze hin zusammenfegt. Das auf diese Weise gereinigte übrige Oberflächenwasser bewegt sich ebenfalls in die Richtung und findet eine ähnliche Situation vor wie im blockierten Wasserstrom. Es prallt auf den Schmutzfilm und taucht vor ihm ab – in dem Fall natürlich nicht darunter hindurch, sondern als bodennahe Unterströmung wieder zurück. So entsteht ein geschlossener Kreislauf, der im Idealfall so lange bestehen bleibt, wie der Wind weht.

Die Geschwindigkeit der Strömung spielt eine Rolle dabei, wie auffallend die Thoreau-Reynolds-Welle ist. Sobald eine Geschwindigkeit von 23 Zentimeter pro Sekunde überschritten wird, können stromaufwärts vor der Linie »Kapillarwellen« entstehen, deren Verhalten vor allem von der Oberflächenspannung bestimmt wird. Die dadurch hervorgerufenen Kräuselungen machen indirekt auf die Linie aufmerksam, zumal der starre Oberflächenfilm  auch weiterhin nicht aus der Ruhe zu bringen ist.

Das neuere Forschungsinteresse an Thoreau-Reynolds-Wellen bezieht sich einerseits auf Meeresströmungen unter dem Einfluss unterschiedlicher natürlich vorkommender Substanzen. Andererseits hat das Phänomen längst Eingang in die labormäßige Untersuchung der Wirkung oberflächenaktiver Stoffe in einem viel allgemeineren Sinn gefunden.

Literaturtipp

Harald Berner. Der Thoreau-Reynolds-Grat und andere stehende Kapillarwellen. Books on Demand, 2021

In dem allgemeinverständlichen Buch sind unter anderem zahlreiche ästhetisch ansprechende Fotos zu sehen..

Hohlspiegeleien

Ein normalerweise als Kerzenhalter dienender Hohlspiegel bekam es zufällig mit dem Auslaufmodell eines Plastiktrinkhalms zu tun und baute kurzerhand ein optisches Kunstwerk auf.
Neben den verzerrten Spiegelungen des Trinkhalms sind noch einige Kaustiken zu sehen, die im Vordergrund auf einer hellen Unterlage projiziert und von dort auch noch einmal im Hohlspiegel reflektiert werden. So ensteht aus wenigen Details ein komplexes Gebilde.

Selbstabbildung der Natur – Ringe und Kreuze

Ein Stein fällt in ein Becken mit Wasser, reißt eine Portion Luft mit sich, die in Form von vier (Halb-) Blasen an die Oberfläche steigen und hier einige Zeit verbringen (siehe Foto).
Schon platzt die erste Blase. Sie wäre einfach weg, wenn nicht die Sonne die dadurch ausgelösten direkt nicht zu sehenden Wellenbewegungen auf dem Wasser auf dem Grund des Beckens abbilden würde. Dort sieht man ein eindrucksvolles System heller und dunkler Ringe. Sie entstehen dadurch, dass das Sonnenlicht an den Wellen gebrochen wird, sodass die Wellenberge wie ringförmige Sammellinsen wirken, während die Wellentäler das Licht ringförmig streuen. Weiterlesen

Ein Sternenhimmel in der Badewanne

H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 51/5 (2020), S. 254

Auf einer Wasseroberfläche driftende Blasen rufen im Sonnenlicht sternförmige Kaustiken auf dem Grund des Behälters hervor. Ursache ist die Brechung und Fokussierung des Lichts am äußeren und inneren Meniskus der Blase.

Wenn im Sommer wassergefüllte Behälter, z.B. eine Badewanne in der Sonne stehen, wird der aufmerksame Beobachter vielleicht von sternartigen Lichtflecken auf dem Boden des Behälters überrascht sein. (siehe Abbildung). Voraussetzung dafür, dass diese vierzackigen Sterne erscheinen sind auf der Wasseroberfläche driftende Blasen, die fast immer vorhanden sind, wenn die Wanne den sommerlichen Spielen mit Wasser dient. Jede Blase projiziert einen solchen Stern auf den Boden.
Bei den Sternen handelt es sich um Kaustiken (Brennlinien), die durch das von der Blase deformierte Wasser hervorgerufen werden. Dieses Phänomen war schon Leonardo da Vinci (1452 – 1519) bekannt, der es folgendermaßen umschreibt, ohne es jedoch zu erklären. „Der durch die Blase an der Oberfläche des Wassers gehende Strahl wirft auf den Grund des Wassers ein kreuzförmiges Bild von dieser Blase“.
Das Phänomen kommt dadurch zustande, dass sich an der Innen- und Außenseite der Blase ein Wassermeniskus ausbildet. Ähnlich wie das Wasser in einem Trinkglas wegen der Benetzbarkeit des Glases ein Stück weit an der Gefäßwand aufsteigt, passiert dies erst recht bei einer im Wesentlichen aus Wasser bestehenden Blase – und, das diese auf der Wasseroberfläche driftet, sogar innen und außen. Da in der Blase ein gewisser Überdruck gegenüber dem äußeren Luftdruck herrscht, wird die Wasseroberfläche innerhalb der Blase auch noch ein wenig eingedellt, wodurch dieser Effekt noch verstärkt wird.
An diesem Meniskus wird das Licht wie an einem halbkreisförmig gebogenen Prisma gebrochen und auf den Boden der Wanne fokussiert. Komplementär passiert etwas Entsprechendes an der äußeren Blasenwand, allerdings mit umgekehrter Krümmung. Beide Kaustiken überlagernd sich auf dem Boden des Gefäßes zu dieser auffälligen Sternkaustik.

Eingereichtes Manuskript

Rätselfoto des Monats August 2018

Wie kommt es zu dieser Struktur? Weiterlesen

Bizarre Unterwasserschatten

Schlichting, H. Joachim. Spektrum der Wissenschaft 5 (2018), S. 68 – 69

Objekte, die auf flachen Gewässern driften, werfen oft völlig andere Schatten, als ihre tatsächlichen Umrisse vermuten lassen. Das verblüffende Phänomen erklärt sich durch unscheinbare Dellen in der Wasseroberfläche.

Wenn du alle Formen der Gewässer
gut unterscheiden willst,
dann betrachte klares Wasser von geringer Tiefe
unter den Sonnenstrahlen
Leonardo da Vinci (1452–1519)

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Rätselfoto des Monats Mai 2018

Wie kommt  es zu den Farben?


Erklärung des Rätselfotos des Monats April 2018

Frage:Was spielt sich hier ab?

Antwort: Das Foto zeigt den Moment, in dem eine auf einem flachen Teich (mit einem aus dunklem und hellem Sand bestehenden Boden) driftende Luftblase platzt. Die Haut der Blase zieht sich gerade zu den Seiten hin zusammen. An dem sichelmondförmigen blauen Reflex des Himmelslichts ist noch ein Teil der Blasenhaut zu erkennen.
Da eine Blase auf dem Wasser einen kleinen Überdruck im Vergleich zum äußeren Luftdruck aufweist und infolgedessen das Wasser ein wenig eindellt, bewegt sich mit dem Platzen und dem damit einhergehenden Druckausgleich die Wasseroberfläche im Bereich der Blase nach oben und löst infolgedessen eine Wellenbewegung aus, die auf dem Foto gleich doppelt visualisiert wird.
Zum einen sieht man die konzentrischen Ringwellen um die platzende Blase herum, weil das vom Untergrund ausgehende Licht an der wellenförmig gekrümmten Wasseroberfläche gebrochen wird. Der Untergrund erscheint daher entsprechend verzerrt. Dazu trägt vor allem die Bewegungsunschärfe aufgrund der endlichen Belichtungszeit der Kamera bei. Deshalb erscheint der durch die bewegte Welle hindurch zu sehende Boden längs der Wellen deutlich erkennbar in die Länge gezogen.
Zum anderen sieht man das an den konzentrischen Wellen gebrochene Sonnenlicht durch Fokussierung und Defokussierung in Form von hellen und dunklen Ringen auf den Teichboden projiziert. Da diese Kaustik teilweise durch die Wellen hindurch gesehen wird, tritt eine entsprechende Verzerrung an ihrer oberen Front auf.
Es ist außerdem zu erkennen, dass die kurzen Wellen den längeren vorauseilen. Wir haben es also mit Kapillarwellen zu tun, bei deren Entstehung die Oberflächenspannung von größerem Einfluss ist als die Schwerkraft. Einige weitere Blasen warten noch auf ihren Einsatz.

 

Rätselfoto des Monats April 2018


Was spielt sich hier ab? Weiterlesen

Licht, Kunst und Naturphänomene – Multidimensionale Lichtblicke

Beeindruckende Lichtkunstwerke sind in einer Dauerausstellung von Raika Dittmann im Zentrum für internationale Lichtkunst in Unna zu sehen. Sie bieten ein wahres multidimensionales Erlebnis. Man kann in einer ersten Annäherung das Herzstück des Exponats für sich betrachten. Es handelt sich um mehrere kunstvoll bearbeitete meist plattenartige Glasobjekte. Sie erinnern teilweise an zerbrochene Sicherheitsglasscheiben, bei der die zersplitterten aber noch zusammenhängenden Teile polygonal gemustert sind. Jedenfalls ziert ein feines Netzwerk von teilweise farbigen Elementen die Glasobjekte, die teils zufällig entstanden, teils bewusst komponiert zu sein scheinen. Weiterlesen

Rätselfoto des Monats August 2017

hoehenlinien_im_sand__4_17_rWie könnte dieses Muster in einer Dünenlandschaft entstanden sein?

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Rätselfoto des Monats Juli 2017

Frage: Wo und wie entstehen diese farbigen Netzwerke?

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Erklärung des Ratselfotos des Monats Juni 2017

Frage: Wie kommt es zu dem Berghang im Pool?

Antwort: Der Anblick des Swimmingpools erscheint auf des ersten Blick so, als habe man es hier mit einer ungewöhnlichen Topologie des Bodens zu tun. Der Boden des Pools sieht am Rande relativ flach aus und scheint zum Vordergrund hin in die Tiefe zu stürzen. Man ahnt vielleicht, dass es sich hier nicht um reale Deformationen handelt – welchen Sinn sollten sie auch haben? – sondern um eine optische Täuschung.
Trotz der Auffälligkeit des Phänomens wird es kaum als solches wahrgenommen. Dafür gibt es gute Gründe: Neben der typischen Blindheit für das Spektakuläre im Alltäglichen, wird man einen Swimmingpool normalerweise nicht durch eingehende Betrachtung, sondern durch Schwimmen oder Planschen in Beschlag nehmen wollen. Hinzu kommt, dass die damit einhergehende Zerstörung der glatten Wasseroberfläche die Sichtbarkeit des Phänomens stark einschränkt.
Daher ist es auch hier wie so oft bei ungewöhnlichen Ansichten des Alltäglichen, dass es sich erst aus einer nicht alltäglichen Perspektive erschließt: Entweder man geht ins Wasser und blickt (ruhig schwimmend oder stehend) flach über die Wasseroberfläche ins Wasser oder – wenn man nicht nass werden möchte – kann man den Blick auch flach auf dem Bauch liegend vom Rand des Beckens her tun. Der Aufwand lohnt sich allemal. Zwar sind für jemanden der weiß, was er sehen will, die Deformationen auch aus einem normalen Blickwinkel andeutungsweise erkennbar. Ungewöhnlich wird der Anblick aber erst aus der ungewöhnlichen Perspektive.
Wie kommt es zu diesen optischen Deformationen?
Blickt man in ein Gefäß mit Wasser so stellt man manchmal – erstaunt oder nicht – fest, dass der Boden angehoben erscheint. Das Licht vom Boden des Gefäßes wird beim Übergang vom optisch dichteren ins optisch dünnere Medium vom Einfallslot weg gebrochen, so dass der Beobachter den Boden höher sieht, als er in „Wirklichkeit“ ist. Bei einer Tasse, in die man eine Münze legt, kann man dieses Phänomen eindrucksvoll demonstrieren (mittleres Foto). Blickt man so in die Tasse, dass man die Münze gerade nicht sieht und behält diesen Blickwinkel bei, so gerät sie plötzlich in den Blick, wenn die Tasse mit Wasser gefüllt wird. Der Boden wird samt der Münze optisch angehoben.
Die optische Hebung kennt man. Was man jedoch kaum kennt, ist die Tatsache, dass der optisch gehobene Gegenstand im allgemeinen nicht senkrecht über dem realen Gegenstand zu sehen ist, sondern je nach Blickrichtung auch mehr oder weniger stark horizontal verschoben erscheint. Wie der Blick ins Schwimmbecken zeigt, variieren diese Verschiebungen mit dem Blickwinkel.
Bei der Tasse ist man auf einen sehr kleinen Sehwinkel aus einer ganz bestimmten Höhe beschränkt. Bei größeren Wasserkörpern wie etwa einem Swimmingpool überblickt man gleichzeitig Gebiete aus stark unterschiedlichen Blickwinkeln insbesondere dann, wenn man sich der Wasseroberfläche stark annähert. Die Variation des Blickwinkels geht mit einer kontinuierlichen Variation der Stärke der Hebung einher und bringt die Deformationen hervor, die im obigen Foto zu sehen sind.
Die Deformationen sind außerdem deshalb so gut zu erkennen, weil Boden und Wände des Beckens mit Fließen belegt sind, die wie „Millimeterpapier“ selbst kleine Verzerrungen zu erkennen geben.
Solche brechungsbedingten Deformationen treten natürlich auch bei anderen Gewässern oder Teichen auf. Weil bei ihnen jedoch meist das rechteckige Bezugssystem fehlt, wird man brechungsbedingte Abweichungen von der unbekannten und unverzerrten „wahren“ Topologie des Bodens kaum feststellen können.

Eine kleine Lichtexplosion zum 2. Advent

LichtexplosionEs müssen nicht immer Kerzenflammen sein. Licht, das durch strukturierte Medien geht, kann Phänomene auslösen, die nicht minder eindrucksvoll  sind. Im vorliegenden Fall wird eine Lichtquelle durch ein unförmiges Glasgefäß hindurch betrachtet, das früher einmal sein Dasein als Aschenbecher fristete. Es war kurz davor, im  Glascontainer zu enden. Zum Glück sah ich es mir noch mal bei Licht an und wurde unversehens versöhnt durch die wunderschönen, filigranen Flammen, die mir aus dem Glas entgegenschossen.
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Das leuchtende Innenleben eines Fingerrings

Kaustik_RingWenn die Innenfläche eines spiegelnden Rings durch flach einfallendes Licht getroffen und das Licht auf die Unterlage im Innern des Rings reflektiert wird, entstehen Brennlinien (Kaustiken), die vor allem Physiker und Mathematiker seit langem faszinieren. Bereits Christiaan Huygens (1629 – 1695) befasste sich mit ihnen und Johann Bernoulli (1667 – 1748) legte eine weitgehende mathematische Beschreibung vor. Wie die Kaustiken entstehen, kann auf verständliche Weise in Spiel, Physik und Spaß (Seite 117 ff) nachgelesen werden. Weiterlesen

Rätselfoto des Monats August 2015

115_Oppositionseffekt

Wie kommt es zu den Auhellungen im welligen Wasser?

Erklärung zum Rätselfoto des Vormonats: Drehender-Wasserstrahl

Rätselfoto des Monats Juni 2015

112_Blauer-SternenhimmelWie kommt es zu diesem blauen Sternenhimmel?


Erklärung des Rätselfotos des Monats Mai 2015

Frage: Auf diesem Foto sind mehrere interessante physikalische Phänomene zu sehen. Welche?

Antwort:

  1. Hydrophobie: Der Wassertropfen nähert sich der Kugelform. Jedenfalls ist der Kontaktwinkel zwischen Blattoberfläche, Luft und Wasser wesentlich größer als 90°. In einem solchen Fall spricht man von Hydrophobie. Das Wasser meidet die Blattoberfläche. Unter hydrophoben, d.h. wasserabweisenden Oberflächen, stellt man sich meistens äußerst glatte Flächen vor. Man denke beispielsweise an eine Teflonpfanne oder das berühmte Lotusblatt. Hier hat man es aber offensichtlich mit einer eher haarigen Angelegenheit zu tun: Das Blatt (es handelt sich um die Unterseite eines Blattes) ist mit vielen kleinen Härchen versehen. Seit man den Lotuseffekt geklärt hat, weiß man jedoch, dass die Wasserabweisung gerade nicht von der Glätte ausgeht, sondern von winzigen, oft nicht sichtbaren Noppen auf der Oberfläche, über die die vermeintliche Glätte hinwegtäuscht.
  2. Linsenwirkung: Der Wassertropfen wirkt wie eine Lupe. Die Vergrößerungswirkung ist allerdings äußerst gering, weil der Tropfen sehr nahe am Blatt ist. Er wird lediglich durch die Blatthärchen etwas angehoben auf denen er hockt. Dieser kleinen Entfernung ist es auch zu verdanken, dass das einfallende Licht geringfügig fokussiert wird und eine bessere Ausleuchtung eines Teils des vom Tropfen bedeckten Bereichs bedingt.
  3. Spiegelung der Sonne: Die Sonne tritt gleich zweimal in Erscheinung. Zum einen sieht man ihr Spiegelbild auf dem Tropfen. Sie scheint in etwa aus der 11-Uhr-Richtung. Zum anderen wird das Sonnenlicht im vorderen Bereich des Tropfens fokussiert. Davon zeugt schemenhaft eine Aufhellung des Blattes durch den Tropfen hindurch gesehen und im Schattenbereich außerhalb des Tropfens. Das hier fokussierte Licht fehlt natürlich an anderen Stellen; davon zeugt der Schatten des an sich transparenten Tropfens.

Wasserläufer und Leonardokreuz

Leonardokreuz am Rande eines schwimmenden HolzstücksAuf diesem Foto sieht man unter anderem den Schatten eines Wasserläufers. Dieses Abbild ist auffälliger als das Urbild. Merkwürdig ist, dass dort, wo man die feinen Schatten der filigranen Füße erwartet, verhältnismäßig große Schattenovale auftauchen. Es sind auch gar nicht die Schatten der Füße, vielmehr rühren sie von den schüsselartigen Vertiefungen her, die der Wasserläufer mit seinen hydrophoben Füßen auf der Wasseroberfläche hervorruft. Die Oberflächenspannung des Wassers verhält sich bei nichtbenetzbaren (hydrophoben) Gegenständen wie eine elastische Haut. An der konkaven Wölbung dieser Vertiefungen im Wasser wird das einfallende Licht gebrochen und daher zu den Seiten abgelenkt. Dadurch gelangt an diesen Stellen weniger Licht auf den Boden des Gewässers und lässt den Bereich als Schatten erscheinen. Weiterlesen

Der weiße Streifen im Regenbogen

Roter RegenbogenSchlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 45/6 (2014) 308

Regenbögen weisen bei Sonnenuntergang manchmal einen weißen Streifen auf. Additive Farbmischung ist hier im Spiel.

Der Mangel an Farben und die dadurch  für den Einen oder Anderen eingeschränkte Ästhetik des abendlichen Regenbogens wird für die eher an dem physikalischen Hingergrund interessierten LeserInnen vielleicht durch die weitgehenden Schlüsse, die aus dem weißen Streifen gezogen werden können, ausgeglichen.

Unterhalb des Regenbogens ist es meist hell

Regenbogen-mit-heller-ScheiMan spricht immer über den Bogen, wenn man vom Regenbogen spricht, also über den Rand einer hellen Kreisscheibe, von der auf der Erde je nach Sonnenstand aber immer nur ein Ausschnitt zu sehen ist. In dem vorliegenden Foto ist dieser Ausschnitt näherungsweise so wie er der Theorie nach sein sollte: weiß. Warum weiß? Die Antwort hängt mit der Tatsache zusammen, dass für die Sichtbarkeit des Regenbogens die Kaustik entscheidend ist, die Brennlinie, die dadurch entsteht, dass der Ablenkungswinkel der reflektierten Lichtstrahlen mit dem Einfallswinkel nur bis zu einem Maximalwinkel wächst und danach wieder abnimmt. Im Bereich dieses Richtungswechsels ist folglich die Lichtintensität besonders groß. Weiterlesen

Farbige Lichtschirme über Straßenlaternen

Borkum_Kaustiken_rvViele Städte und Gemeinden haben Webcams eingerichtet, die Fotos oder Videos eines typischen Anblicks liefern, den man sich über das Internet in Echtzeit anschauen kann. Manchmal kommen dabei Bilder heraus, die auf den ersten Blick nicht so recht zu deuten sind. Die obere Abbildung ist ein Foto einer Webcam auf der Nordseeinsel Borkum. Wer den Anblick vom Tage her kennt, weiß, dass sich im dunklen Hintergrund das Meer verbirgt und im Vordergrund vier Straßenlampen für Licht sorgen. Nichts Aufregendes eigentlich, wenn die Lampen nicht mit kunstvollen Lichtschirmen ornamentiert wären und das auch noch in zwei verschiedenen Farben.
Wer sich die Aufnahmen von Zeit zu Zeit anschaut weiß, dass hier kaum künstlerische Absichten im Spiel sein können und dem Phänomen eine natürliche Ursache zugrunde liegt. Weiterlesen

Holistisches Verhalten von Lichtstrahlen

Regenbogen-KaustikLicht wird von den Menschen normalerweise als kontinuierliche raumerfüllende Erscheinung erfahren. Jedenfalls hat das Licht die Eigenschaft der Strahlenförmigkeit nicht gleichsam ablesbar an sich. Das Konzept des Lichtstrahls lässt sich nur theoretisch bilden, wenn man eine Vorstellung von Geradlinigkeit und Licht hat. Eine solche Vorstellung kann zum Beispiel durch Situationen herbeigeführt werden, in denen das Licht sich „strahlenförmig“ verhält. Dies tritt in günstigen Fällen natürlicherweise auf, wenn das Licht durch die Öffnungen im Blätterdach von Bäumen auf ähnliche Weise hindurch „schießt“, wie Wasser durch feine Löcher in einem Gefäß. Weiterlesen

Paradoxe Schatten

paradoxe SchattenUcke, Christian; Schlichting, H. Joachim. In: Physik in unserer Zeit 44/6 (2013), S. 272-273

Das Licht der Sonne erzeugt von einem in Wasser schwimmenden Ball unter gewissen Bedingungen mehrere Schatten. Dieser scheinbar paradoxe Effekt lässt sich ganz klassisch mit dem Brechungsgesetz erklären.
Lebte man auf einem Planeten, der um ein Doppelsternsystem kreist, würde man sich nicht wundern, wenn man hinter einem Gegenstand zwei Schatten sieht. Es gibt tatsächlich derartige, in Wirklichkeit ziemlich unwirtliche Planeten, beispielsweise Kepler-16b und Kepler-34b. In der Science-Fiction-Saga Star Wars mit Luke Skywalker wurde ein entsprechender, allerdings lebensfreundlicher Planet namens Tatooine vorweggenommen. Sieht man jedoch auf der Erde in einem flachen Kinderswimmingpool bei einem schwimmenden, steil von einer Sonne beleuchteten Ball sogar drei Schatten, so erzeugt das Irritationen und Neugierde zugleich.

PDF: Paradoxe Schatten(Einreichversion)

Leonardos Kreuz in der Teetasse

Schlichting, H. Joachim; Suhr, Wilfried. In: Physik in unserer Zeit 43/ (2012) 244 – 245.

Schon Leonardo da Vinci bemerkte, dass eine Blase auf der Oberfläche eines mit Wasser gefüllten Gefäßes an dessen Boden unerwartete Lichtmuster erzeugt. Verantwortlich dafür sind komplexe Lichtbrechungen in der Blase.

PDF: Leonardos Kreuz in der Teetasse

Wellenringe auf der Wasseroberfläche lassen tief blicken

Schlichting, H. Joachim. In: Physik in unserer Zeit 39/1 (2008) 46 -47

Ob ein Stein oder ein Tropfen auf eine Wasseroberfläche fällt, macht insofern keinen Unterschied, als in beiden Fällen Systeme von Ringwellen entstehen. Und doch „erzählen“ die Ringe in beiden Fällen eine etwas andere physikalische Geschichte.

PDF: Wellenringe auf der Wasseroberfläche lassen tief blicken

Fensterkreuze mit Licht gemalt

Schlichting, H. JoachimLichtkreuz; Nordmeier, Volkhard. In: Physik in unserer Zeit 31/3, 129-130 (2000).

Spiegelungen des Sonnenlichts an Fensterscheiben hat jeder schon einmal gesehen. In manchen Fällen entwirft die Sonne ein mehr oder weniger getreues Abbild eines Fensters auf dem Pflaster oder einer gegenüber liegenden Häuserwand (Abbildung 1, links). Hin und wieder kann man aber auch neben den erwarteten Reflexen merkwürdig strukturierte Lichtflecke entdecken, die eine
ovale oder kreisrunde Form annehmen können (Abbildung). In diesen Fällen lässt sich nicht so einfach erklären, wie sie zustande kommen.

PDF: kann beim Autor angefordert werden (schlichting@uni-muenster.de)

Der anamorphotische Kerzenleuchter

Ucke, Christian; Schlichting, H. Joachim. In: Physik in unserer Zeit 27/1,6-8 (1996).

Ein Kerzenleuchter des bekannten dänischen Designhauses Georg Jensen weist einige bemerkenswerte optische Eigenschaften auf. Dieses ästhetisch ansprechende Objekt stellt ein Beispiel dafür dar, unter welch unterschiedlichen Aspekten Designer und Physiker denselben Gegenstand betrachten können.

PDF: Der anamorphotische Kerzenleuchter

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